„Die Zeit heilt alle Wunden“, mit diesen Worten rief einst der französische Philosoph Voltaire sein vielleicht berühmtestes Zitat ins Leben, das von Generation zu Generation so gerne weitergegeben wird – als Trost in schweren Stunden, wenn das Leben einem mehr Zitronen gibt, als man zu Limonade verarbeiten kann.
Aber stimmt seine Aussage tatsächlich? Kann die Zeit wirklich alle Wunden heilen? Oder wenigstens die eine oder andere? Denn spätestens mit dem Mutterwerden kann man die Worte Voltaires nicht mehr einfach so hinnehmen, ohne sie zu hinterfragen; das habe ich bereits kurz nach der Geburt meines Ältesten gemerkt.
Lebensfragen
Gedanken über Gott und die Welt. Manchmal noch darüber hinaus. Sinn des Lebens und wie wir Weisheiten von erleuchteten Mönchen aus Fernost in unseren Alltag einbauen können.
Auch mit Kleinkind an der Hand.
Was bedeutet es eigentlich, mütterlich zu sein?
„Christine, was verstehst du eigentlich unter Mütterlichkeit? Was genau heißt für dich mütterlich sein?“ Es war eine Blogleserin, die mir diese Frage vor ein paar Wochen stellte und ich merkte, wie diese Frage widersprüchliche Gefühle in mir auslöste.
Verantwortung und Kümmern als Preis fürs Muttersein zu hoch?
Als ich mich dazu entschied, Mutter zu werden, wusste ich nicht, welchen Preis ich dafür bezahlen würde. Ich wusste vorher weder, wie hoch mein Bedürfnis nach Autonomie und Freiheit ist, noch wie sehr Kinder einen an seine Grenzen bringen können, geschweige denn, wie oft sie es tun. Ich hatte keine Ahnung von den Dimensionen an Wäschebergen, Spielzeugchaos im Haus und wie sehr mich die Bewältigung all dessen auf die Palme bringen würde.
Hätte ich vorher gewusst, wie hoch der Preis ist, den ich zahle, wäre ich nicht auf den Kuh-Handel eingegangen. Ehrlich gesagt, hatte ich mir damals überhaupt keine Gedanken um den Preis gemacht. Ich dachte, Kinder bekommt man vom Leben geschenkt! Bis es genau diese Kinder waren, die mir erst mit der Zeit bewusst machten, dass man für ALLES im Leben einen Preis bezahlt. Wir wollen es nur oft nicht wahrhaben.
Corona – Krise oder Chance für mich als freiheitsliebende Mutter?
Also gut, bringen wir es doch auf den Punkt: Die erste Woche war scheiße!
„Irgendwann wird es hier noch Tote geben – aber nicht aufgrund des Virus“ schimpfte ich leise vor mich hin, während ich versuchte, die Energie der in mir aufsteigenden Wut in die Spülbürste zu lenken, welche der Verkrustungen in der Bratpfanne vom letzten gemeinsamen Mittagessen an den Leib ging. Gerade hatte der Mann mir die Macke am Auto gezeigt, die „irgendwie versehentlich“ beim Spielen am Carport entstanden war, nachdem die Kinder vergessen hatten, dass sie diesen Bereich des Hofes zum Spielen meiden sollten. Irgendwie. Versehentlich. Vergessen. Drei Begriffe, die ich weiß Gott nicht zum ersten Mal von meinen Kindern hörte, aber seit die Regierung zum familiären Hausarrest aufgerufen hatte, wurden die Intervalle zwischen den versehentlichen Ausrutschern und Verstößen von Regeln immer kürzer. Wir alle gingen am Zahnfleisch. Und ich bereits am ersten Tag der politischen Verordnung.
Aushalten der Mutterrolle – Wie dieser Zustand den Kontakt zu mir und meinen Kindern verbaut
„Denkt bitte ans Händewaschen, wir haben doch gerade gegessen!“ Augenrollend rief ich meinen Kindern hinterher, während diese genauso augenrollend auf dem Treppenabsatz kehrt machten und noch einmal genervt nach unten polterten, um ihrer Pflicht im Badezimmer nachzugehen. Und einmal mehr wünschte ich mir die Knopfleiste aus Stefan Raabs „TV Total“-Sendung herbei, auf der man verschiedene Sätze speichern und im passenden Moment per Knopfdruck wieder freigeben konnte. Jede kleine Regel, egal, ob es sich ums Händewaschen nach dem Essen, um das Abtreten der dreckigen Schuhe auf der Fußmatte vor Betreten des Hauses oder um sonst was handelte, hätte einen Platz auf dem Speichermedium verdient. Denn ich war es leid, auch nach acht Jahren meines Mutterseins gefühlte hundert Mal am Tag immer und immer wieder die gleichen Regeln auszusprechen. Ich drückte den (bislang leider nur imaginär vorhandenen) dritten Button von links und meine beiden Jungs bekamen noch die nächste wertvolle Info zugerufen: „Und bitte die Seife nicht vergessen!“ Danach legte sich mein Zeigefinger auf den größten Knopf von allen und ich hörte erneut meine eigene Stimme, diesmal leiser und resigniert: „Wie lange muss ich das eigentlich noch aushalten?“