Die Weite, die hier oben herrscht, ist selbst von meinem Wohnzimmer aus spürbar. Als würde der Deich direkt hinter dem letzten Haus beginnen, das ich vom Sofa aus sehen kann. Das stimmt natürlich nicht; bis zum Meer sind es von unserer Siedlung aus noch fünfundzwanzig Autominuten. Aber der weite Himmel und das flache Land sorgen dafür, dass ich, jedes Mal, wenn ich aus dem Fenster blicke, mich nur bereitwillig dieser Täuschung hingebe. Genauso, wie ich mir sage, dass ich, nun, da ich bereits die anstrengendere Hälfte der Zeit bis zur Volljährigkeit meiner Kinder hinter mich gebracht habe, von jeglichen Gedanken rund um Regretting Motherhood befreit bin. Auch eine Illusion.
Das Muttersein begleitet mich nun schon so lange. Und an vielen Stellen kann ich es inzwischen bejahen, das ist mehr als noch vor ein paar Jahren, als der bereuende Anteil größer war als meine Bereitschaft, mich auf das Wagnis Familienleben einzulassen.
Aber es dauerhaft und 100%ig zu akzeptieren gelingt mir immer noch nicht.
Wird es jemals so sein?
Früher, in den Anfängen meines Blogs, hoffte ich es stark. Ich glaube ohne die Hoffnung hätte ich nicht so lange durchgehalten.
Manchmal frage ich mich, was aus unserer Familie geworden wäre, wenn ich mich nicht so sehr an diese Hoffnung geklammert hätte. Wenn ich gewusst hätte, dass ich nach über zehn Jahren immer noch nicht so mit der Mutterrolle befreundet bin, wie ich es mir gewünscht hätte.
Damals, als ich dachte, Regretting Motherhood wäre eine kurz aufmuckende Spielverderberin während der Säuglings- und Kleinkindzeit und kein Schatten, der mich treu auf Schritt und Tritt begleitet, ob ich will oder nicht.
Langsam hüllt sie unser Städtchen ein, die Abenddämmerung. Dunkelblaue Wolken, die ich durch das große Wohnzimmerfenster beobachten kann, schieben sich am Horizont schweigend vor die letzten wintergelben Lichtstrahlen und bilden einen starken Kontrast zu den beiden Stumpenkerzen, die auf meiner Fensterbank brennen und den anderen Lampen in den Ecken dabei helfen, den Raum behaglich zu gestalten. Das knisternde Kaminfeuer muss, im Gegensatz zu früher, nicht mehr mit frischen Holzscheiten am Leben gehalten werden – es kommt, genau wie die leise vor sich hin dudelnde Jazzmusik, aus dem Fernsehgerät mir gegenüber.
Vor wenigen Wochen hatte dieses friedliche Ambiente es nicht geschafft, mich von meinen dunklen Gedanken zu befreien. An jenem Tag stellte ich seit langem mein Leben als Mutter mal wieder völlig in Frage, rutschte gefährlich nahe an meinen persönlichen Abgrund.
„Ich dachte du hättest das Thema Regretting Motherhood längst hinter dir gelassen, du wirkst seit geraumer Zeit so, als könntest du dich nun vollkommen auf das Muttersein einlassen!“ Meine Mutter schien überrascht am Telefon, als ich ihr abends von meinem Kummer erzählte.
Es stimmt, die Abstände werden größer zwischen den Momenten, in denen es mir den Boden unter den Füßen wegreißt und ich das Muttersein verfluche. So groß, dass es Außenstehenden so vorkommen muss, als wäre ich eine „ganz normale“ Mutter, die halt hin und wieder gestresst und genervt, aber ansonsten mit ihrem Muttersein im Reinen ist.
An manchen Tagen bilde ich es mir selber gerne ein.
Aber die Erleichterung, die ich bei dem „Was wäre, wenn ich ab morgen keine Mutter mehr sein müsste“-Gedanken verspüre, lehrt mich eines Besseren.
So schwer die Last der Verantwortung, so beengend das Korsett namens Muttersein. Selbst heute noch, wo meine Söhne beide das zweistellige Alter erreicht haben und den Kleinkindschuhen schon seit Jahren entwachsen sind.
Genauso hatte ich gehofft, dem Bereuen entwachsen zu sein, mein Dasein als Mutter nun endgültig akzeptiert zu haben, so wie man sich nach einer gewissen Zeit an alles Neue gewöhnt, weil es zum normalen Alltag geworden ist.
Im Sommer 2017, also vor fünfeinhalb Jahren, nur wenige Wochen nach unserem ersten Umzug an die Küste, habe ich einen Blogpost veröffentlicht, der den Titel „Die Gezeiten des Mamaseins“ trägt. Aus Neugier las ich ihn mir noch einmal durch, während ich damit beschäftigt war, meine Gedanken zu diesem aktuellen Beitrag zusammenzutragen, weil mir noch in Erinnerung geblieben war, dass ich damals einen Vergleich zwischen Ebbe und Flut sowie dem Bereuen und Akzeptieren des Mutterseins gezogen hatte.
Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass ich in dem Text haargenau jene Gedanken und Gefühle beschrieb, wie sie heute auch phasenweise noch auftauchen. Dass ich gewisse Parallelen finden würde war mir klar, nicht aber, dass ich den Text quasi eins zu eins hätte kopieren können. (Bevor du jetzt die Suchfunktion bemühst: Unter diesem Beitrag findest du den Link zum damaligen Text.)
Manchmal erlaube ich mir auch heute noch den fiktiven Gedanken, wie es wäre, alleine zu leben. So sehr ich mir auf der einen Seite die Nähe und Verbundenheit unserer kleinen Familie wünsche, so sehr engt mich diese gleichzeitig ein.
Immer wieder höre ich inzwischen von Frauen, die in eine eigene Wohnung ziehen und damit mutig für ihr freiheitsliebendes Wesen einstehen. Sie entscheiden sich für das Wechselmodell und damit für eine wöchentlich abwechselnde Betreuung des Kindes oder sie nehmen dieses Domizil lediglich als Unterschlupf wahr, wenn ihnen im Familienleben mal wieder die Decke auf den Kopf fällt.
Wenn ich von solchen Müttern erfahre, bewundere ich sie für ihre Selbstliebe, obwohl ich ahne, wie lange sie gebraucht haben, sich zu dieser Entscheidung durchzuringen.
Wie schwer es sein muss, fortan mit dem schlechten Gewissen zu leben, Tag und Nacht von ihm begleitet zu werden als Preis, sich für ihren freiheitsliebenden Kern stark zu machen, kann ich nur mutmaßen.
An depressiven Tagen wie dem von neulich stelle auch ich mir die Frage:
Wie weit wäre ich bereit zu gehen?
Und welche Konsequenzen hätte das für unser Familienleben, meine Beziehung zu den Kindern, meine Ehe?
Eine Bekannte von mir hat sich den Traum von einem eigens gemieteten Atelier erfüllt, das sie alle paar Wochen für eine Zeitlang alleine aufsucht, um in einen kreativen Schaffungsprozess zu kommen, der nicht unterbrochen wird von Rufen nach Mama, Spielplatzbesuchen oder Telefonklingeln mit der KiTa am Hörer, das Kind wäre krank.
Ich besitze weder eine Zweitwohnung noch ein Atelier.
Und dennoch brauche auch ich immer noch regelmäßig Zeit zum Alleinsein.
Stille. Ruhe, alleine sein, frei und ungebunden meinen Tag gestalten und meinen Tätigkeiten nachgehen. Einsame Spaziergänge in der Natur und stundenlanges Lesen oder meinen Gedanken nachhängen auf dem Sofa.
Das sind meine ganz persönlichen Bedürfnisse.
Bedürfnisse, wie sie so viele Frauen haben, die ich in den letzten Jahren kennenlernen durfte.
Viele von ihnen verbieten sich solche Wünsche, fühlen sich wie eine Versagerin als Mutter und machen sich selbst Vorwürfe.
Im Beisein meiner Kinder bin ich nicht entspannt. Nie.
Es ist immer eine Grundanspannung da, mal spüre ich sie mehr, mal weniger stark. Das kommt darauf an wie ruhig oder unruhig, fordernd, nervig, laut oder leise meine Söhne sind.
Aber allein die Tatsache, dass die Kinder sich in meiner Nähe aufhalten, kostet mich Energie, die ich nur wieder auftanken kann, sobald ich Zeit für mich und ohne mütterliche Verantwortung habe.
Und sobald ich über längeren Zeitraum ununterbrochen mit den Kindern unter einem Dach lebe, wird es für meine innere Balance schwierig, einen Zustand der Ausgeglichenheit zu halten. Vor allem am Ende einer Schulferienzeit oder Kinderkrankheit sind meine Nerven entsprechend durchlässig für depressive Verstimmungen und Fluchtgedanken.
Manche meiner Leserinnen glauben, Regretting Motherhood würde sich bei mir nicht nur auf die Mutterrolle beschränken, sondern sich auch auf meine Kinder beziehen. Dass ich sie nicht lieben würde.
Ich kann es ihnen nicht verdenken.
Auch ich stelle mir ab und an diese Frage.
Ich glaube, das rührt daher, dass Liebe sich bei mir nicht darin ausdrückt, dass ich meine Söhne am liebsten den ganzen Tag knuddeln oder um mich haben möchte. Ich zerfließe auch nicht vor Sehnsucht nach ihnen, wenn ich sie ein paar Tage hintereinander nicht sehe.
Wenn ich mitkriege, wie andere Mütter von ihren Kindern schwärmen, wie unbeschwert ihr Verhältnis zueinander ist, dann schneide ich im Vergleich schlechter ab.
Die rosarote Brille, dieses Vernarrt-sein in meine Kinder, das fehlt mir. Ich sehe sie an und denke mir: „Was für liebenswerte Kinder es doch sind!“ Aber ich könnte meinerseits gefühlsmäßig eher ihre Tante zweiten Grades sein.
Meine Liebe zu den Kindern zeigt sich eher zwischen den Zeilen: Ich wünsche ihnen von Herzen nur das Beste, stelle mich meinen eigenen Ängsten und Schattenseiten, um ihnen so wenig wie möglich von meinen eigenen Traumatisierungen zu überschreiben, ich setze Himmel und Hölle in Bewegung, um ihnen die bestmögliche fachärztliche Unterstützung zukommen zu lassen oder fahre kilometerweit, um ihren vergessenen Teddy bei Oma abzuholen.
Für mich fühlt sich Muttersein immer noch wie eine Einbahnstraße an. In unserem Zusammenleben gibt es noch zu wenig Überschneidungen der Interessen, was ich aber bräuchte, um Freude am Beisammensein zu haben: Die Kinder erzählen mir von Kinderthemen, die mich nicht interessieren; ich derweil versuche mit Aktivitäten und Themen ihr Interesse zu wecken, auf die sie wiederum noch nicht anspringen.
Ich glaube, diese fehlende Nähe und Verbundenheit macht mir das Muttersein gerade deshalb so schwer, weil ich mich so bemühe, sie immer und immer wieder herzustellen.
Und wenn meine Kinder sich dann nicht für kleine Aufmerksamkeiten und Geschenke bedanken, wenn ich Teilchen vom Bäcker mitbringe und kein freudiges „Danke“ als Antwort erhalte, sondern lediglich ein gleichgültiges „Wenn ich es nicht mag, kannst du es selbst essen“, wenn sie keine Lust auf „Hallo“ und „Tschüss“-sagen haben und auf mein „Ich hab dich lieb“ nur ein „Hmmm“ zurücknuscheln, frage ich mich erst recht oft, wozu ich mich so abrackere.
Der Spruch „So sind Kinder halt in dem Alter“ beruhigt mich dabei übrigens kein bisschen. Er nervt genauso wie pragmatische Rückmeldungen der Kinder.
Und doch ahne ich ja, warum nicht mehr von ihnen zurückkommt.
Ich glaube, meine Söhne spüren meine Ambivalenz. Feinfühlig wie sie sind, nehmen die Kinder meinen Widerstand gegen das Muttersein wahr. Ich wünsche ihnen sehr, dass meine Bemühungen trotzdem irgendwann ein starkes Gegengewicht bilden, das ihnen die Gewissheit gibt, dass sie geliebt werden.
Inzwischen hat es angefangen zu regnen. Der Wind peitscht die Regentropfen gegen das Fenster, in dem sich jetzt nur noch das Innere unseres Wohnzimmers spiegelt. Wir scheinen wie abgeschieden von der Außenwelt, als gäbe es nur noch unsere Familie und sonst nichts, nicht mal mehr ein „da draußen“. Für manche mag das heimelig klingen, für mich ist es leider zu oft beunruhigend.
Mein Bestreben, den Kindern eine gute Mutter zu sein und ihnen eine sichere Familie zu bieten, kostet mich viel Anstrengung. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass ich ihnen aus vollem Herzen beständig die Mutter sein kann, die sie brauchen. Stattdessen ist es immer noch mein Verstand, der meine widersprüchlichen Gefühle nach Aufgeben und Resignation hinter sich her schleift und mich dazu zwingt, das Familienkonstrukt aufrecht zu erhalten.
Gleichzeitig vertraue ich darauf, dass das Leben mir aus gutem Grund zwei Kinder geschenkt und das Muttersein zugetraut hat.
Die Kombination aus beidem, der Verstand, meinen Kindern eine gute Mutter sein zu müssen sowie die Zuversicht, dass es kein Zufall ist, dass ich diese zwei Kinder habe und es meine Aufgabe ist, damit klar zu kommen, halten mich also davon ab, meinem Leben als Mutter den Rücken zu kehren. In mir bleibt die Hoffnung, dass sich irgendwann das Muttersein natürlich anfühlt und mir Energie schenkt.
Niemand hätte jemals den Ozean überquert, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, bei Sturm das Schiff verlassen.
– Charles F. Kettering
Und noch etwas lässt mich nicht aufgeben: Es ist die Liebe zu meinem Mann, der mir nach meiner letzten Resignation noch einmal verstärkt Unterstützung anbot, aber auch ganz deutlich machte, dass wir, trotz aller Gemeinsamkeiten, in Punkto Freiheitsliebe und das-Familienschiff-verlassen-wollen nicht ähnlich ticken.
Und darüber bin ich mehr als dankbar. Vor allem für unsere Kinder.
Der Wind draußen hat zugenommen, inzwischen bläst er heftig, wie ein kleiner Sturm rüttelt er an der Fensterscheibe. Vielleicht möchte er auch mich aufrütteln. Mich daran erinnern, dass es im Leben darauf ankommt, beide Sehnsüchte zu erfüllen: Die Sehnsucht nach dem Alleinsein und die Sehnsucht nach Gemeinschaft, nach Familie.
Es muss vielleicht kein Entweder-oder geben. Genauso wie es nicht nur glückliche oder bereuende Momente im Leben einer Mutter geben muss.
Vielleicht ist die Kunst, beide Sehnsüchte zu vereinen, aber in dem Gleichgewicht, wie es sich für einen selbst stimmig anfühlt.
Denn Gleichgewicht bedeutet nicht, dass wir den von der Gesellschaft gefühlt erforderten 99% Muttersein nur noch 1% unserer eigenen Bedürfnisse gegenüberstellen dürfen. Es bedeutet, dass wir unser eigenes Mittelmaß finden müssen, die Balance zwischen Frausein und Muttersein.
Den einen reicht dabei vielleicht ein freier Vormittag im Quartal, die anderen brauchen eine eigene Wohnung und die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie oft sie auf die Kinder treffen. Alles ist richtig, solange es sich mit den eigenen Gefühlen vereinbaren lässt.
Was meinen elfjährigen Schatten namens Regretting Motherhood angeht, so versuche ich inzwischen, ihn als Teil von mir zu akzeptieren, ganz ohne negative Wertung. Ich kann das Bereuen nicht ändern, da hilft keine Wut, keine Scham, keine logische Argumentation.
Wenn ich eins im Leben bisher gelernt habe, dann, dass Gefühle sich nicht durch Druck oder Anstrengung ändern. Gerade die „negativen“, die wir nicht gerne fühlen, bleiben umso hartnäckiger bei uns, je mehr wir versuchen sie loszuwerden.
Akzeptanz hingegen, also das bewusste Anschauen und Ja-sagen kann dem Ganzen plötzlich die Macht nehmen, die sie bis dahin über uns ausgeübt hat.
Und vielleicht wird es dann möglich, dass wir über unseren größten Schatten springen.
Nicht, um ihn im Kampf gegen uns selbst zu überwinden, sondern um ihn als den Teil in uns zu integrieren, der uns vollständig und wahrhaft lebendig werden lässt.
Lyn sagt:
Endlich lese ich das, was ich empfinde. Was mir quasi seit der Geburt meiner Kleinen zu schaffen macht. Ich dachte, ich wäre alleine mit diesen Gefühlen. Trage seit fast 3 Jahren ein schlechtes Gewissen mit mir herum, dass ich so fühle… es tut gut zu lesen, dass es auch andere Mütter gibt, denen es so geht ❤️
Christine sagt:
Liebe Lyn,
danke, dass du deine Gedanken mit mir und den anderen Leserinnen teilst! Ich wünsche dir sehr, dass das schlechte Gewissen und die damit verbundenen Selbstvorwürfe immer weniger werden. Je mehr wir ihnen erlauben, da zu sein, desto weniger haben sie das Bedürfnis, sich (ständig) lautstark melden zu müssen. Ich weiß, wie schwer es ist, da einen langen Atem zu haben..
Du bist nicht alleine ♥
Vucica sagt:
Danke für diesen Text. Man sagt, klug ist der, der aus Erfahrungen anderer lernt und sie nicht selbst erleiden muss. Ich hoffe, dass ich es schaffe, jetzt schon zu akzeptieren, dass die zwei Leidenschaften ein Teil von mir sind, die Integriert werden müssen.
Den letzten Absatz finde ich besonders stark! Denn mir kommt nicht selten der Gedanke, dass sowohl Mutterschaft als auch Partnerschaft, so wie ich sie angehe (und dem von irgendwoher kommenden Ideal nacheifere) fast schon ein Betrug gegen Oder ein Kampf mit mir sind. Aber diesen Kampf als Teil von uns zu sehen, der uns lebendig werden lässt: Puuuh!
Ich wünsche mir, dass ich mich in den Rollen nicht verliere und mein Frausein möglichst auslebe. Das wünsche ich dir auch!
Christine sagt:
Liebe Vucica,
ich bin mir nicht sicher, ob ich es wirklich klug finde, die Erfahrungen nicht selbst durchfühlen zu müssen oder ob es dann zu verkopft bleibt (auch, wenn ich sie niemandem wünsche).
Ich wünsche dir auch von Herzen, dass du für dich eine gesunde Balance zwischen Muttersein und Frausein findest und zudem die wohlwollende Stimme in dir stärkst, wenn dir diese Balance mal (wieder) nicht so gelingt wie erhofft.
Danke für deine Worte und deine lieben Wünsche!
Schilddrüse sagt:
Liebe Christine,
seit längerer Zeit habe ich mal wieder auf deine Seite geklickt und du sprichst mir wie immer aus der Seele. Genau so wie du es beschrieben hast, geht es mir auch (immer noch, nach über 9 Jahren Muttersein) und ich bin gerade dabei zu akzeptieren, dass es sich nie ändern wird und mein Sohn das nun (leider) einfach auch akzeptieren muss, mir mehr Raum und Zeit für mich geben muss. Denn sonst leidet unsere Eltern-Kind-Beziehung sehr. Aber ich habe kein schlechtes Gewissen mehr dabei, im Gegenteil und das macht mir Mut und Hoffnung, dass die guten, leichten Tage mehr werden.
Ich habe ja seit ein paar Monaten einen neuen Partner und er hat neulich das Thema Kinderkriegen angesprochen, da er keine hat, gerne aber hätte. In mir ist direkt Panik aufgestiegen, der Wunsch, zu flüchten. Direkt sagte ich nein, auf gar keinen Fall mehr will ich ein Kind, zumal mein Sohn jetzt 9 Jahre alt ist, dann fang ich doch nicht wieder von vorne an. In einer ruhigen Minute, dachte ich aber nochmal nach und direkt kam der Gedanke: Dann kannst du aber das gut machen, was du bei deinem Sohn falsch gemacht hast und vielleicht hast du ja beim zweiten Kind dann endlich die Muttergefühle, die du gerne hättest?!
Verrück, oder? Dann denkt man, man hat seine Gefühle durch Regretting Motherhood endlich akzeptiert und dann kommen solche Gedanken……es bleibt wohl unsere Lebensaufgabe, aber wir schaffen das :0).
Christine sagt:
Liebe Schilddrüse,
ich freue mich sehr für dich, dass du endlich kein schlechtes Gewissen mehr hast, dir mehr Raum und Zeit für dich selbst zu geben, in dem Wissen, dass sonst deine Mutter-Sohn-Beziehung leidet. Ich bin auch ganz fest davon überzeugt, dass wir das (gut!) schaffen werden mit dem Muttersein. Mir hilft es dabei immer wieder, nicht auf andere Familien zu schielen, die es vermeintlich besser machen, sondern auf das, was ich leisten kann. Das wünsche ich dir auch – ob mit oder ohne zweites Kind ;-)
Birgit sagt:
Hallo Schilddrüse,
das dachte ich auch mal, aber bei Kind Nr. 2 war es keinen Deut besser. Ich hatte immer noch diesselben Probleme mit dem Gefängnis Mutterschaft und die negativen Begleitgefühle blieben auch diesselben. Bitte mache Deinem Partner klar, was es heisst, mit Dir ein weiteres Kind zu bekommen: es wird nicht sein, dass Mutti sich um alles kindmässige kümmert sondern er wird quasi das Kind alleine grossziehen müssen inkl. Verringerung der AZ, Wochenendeinsatz, Urlaubseinsatz, you name it….am Besten gehst Du VZ arbeiten und sagst Deinem Partner, dass er mit Kind zu Hause bleibt und den Job aufgibt. Falls er dazu bereit ist, OK, weg mit den Pillen…..
Alles andere halte ich für nicht realistisch, denn sonst wirst Du Deinen Partner irgendwann dafür hassen, dass er dich wiedermal zu diesem Gefängnis überredet hat.
Antonia sagt:
Liebe Christine,
ich verstehe, dass du immer noch mit dem Muttersein haderst. Besonders angesprochen hat mich der Satz, dass du im Beisein deiner Kinder nie entspannt bist, dass da immer eine Grundanspannung ist. Das ist bei mir auch so, von ganzganz wenigen Ausnahmemomenten mal abgesehen. Man will immer alles so richtig machen und vergleicht sich und was weiss ich nochwas. Ich glaube, als so traumatisierter Mensch will man ganz leicht immer in diese Alleinsein-Blase schluepfen, wo einen keiner mehr stoeren oder verletzen kann und wo man einfach so sein kann, wie man ist, alleine.
Dieses Wochenende haben mich meine beiden Jungs, der grosse und der kleine, endlich mal alleine gelassen, und zwar fast den ganzen Samstag, und zuerst war es die grosse Entspannung, aber heute bin ich etwas deprimiert, weil ich gestern nur alleine war und wir nichts zusammen unternommen haben, und das war mein Wochenende….ich finde die Gratwanderung echt schwierig.
Ich finde, als Mutter habe ich definitiv zu viel Zeit mit meinem Kind und dem Mann zusammen und zu wenig Zeit mit Freundinnen…das fehlt mir eigentlich.
Naja, wir muessen da wohl weiterhin durch;):), nochmal vielen Dank fuer deine mutigen und differenzierten Texte, liebe Christine,
sende dir viel Kraft und alles Liebe, dein Blog wird mir fehlen, aber er hat mir in der schwierigsten Zeit sehr geholfen,
vielenvielen Dank und alles Gute!
LG<3
Antonia
Christine sagt:
Liebe Antonia,
danke dir wieder einmal für deine persönlichen Einblicke!
Diese Alleinsein-Blase, die gönne ich mir tatsächlich immer öfter in Form von Schweigetagen, an denen ich mich von der Familie abkopple und mich in meine eigene Gedankenwelt zurückziehe. Anschließend ist der Kontakt zu „meinen Jungs“ dann auch wieder wichtig; da kann ich deine Deprimiertheit sehr gut nachempfinden, wenn du dich zu alleine fühlst.
Danke dir für deine lieben Worte – ich wünsche dir auch alles Gute und freue mich sehr, wenn du dich auch in Zukunft immer mal wieder auf meinen Blog verirrst (den wird es ja weiterhin geben) ♥
Antonia sagt:
Danke liebe Christine<3
Nina sagt:
Liebe Christine,
vielen Dank für diesen Text. Ich finde mich in so vielem wieder. Auch ich brauche sehr viel Zeit für mich allein; „ein freier Vormittag pro Quartal“ wäre für mich definitiv viel, viel, viel zu wenig. Wie du empfinde ich im Kontakt mit meinem Sohn sehr häufig ein Gefühl von Anspannung – und oft auch Langeweile. Was mir wiederum Schuldgefühle bereitet. Und auch mir geht es so, dass ich diese „rosarote Brille“, die „Vernarrtheit“ in meinen Sohn – leider – nicht habe. Der mir damals von vielen Müttern angesichts meiner nahenden Entbindung angekündigte „Hormonrausch“ blieb aus. Bei mir kommt die Liebe zu meinem Sohn auf eher leisen Sohlen daher, und oft auch auf recht „nüchternen Sohlen“.
Gleichzeitig glaube ich aber auch, dass es vermutlich sehr viel mehr Frauen gibt, die so empfinden wie du, wie ich. Es traut sich nur kaum eine, darüber zu sprechen. Ich würde mir definitiv mehr Offenheit und Ehrlichkeit unter Müttern und Eltern wünschen. Oft genug kommt mir aber Familie und Mutter-/Elternschaft wie ein Wettbewerb vor. Schön zu sehen z.B. an perfekt kuratierten Geburtsanzeigekarten, mit wunderschönen Fotos vom Fotographen und Sätzen wie „Wir sind überglücklich“. Wann immer ich eine solche Karte bekomme, frage ich mich: Stimmt das wirklich? Wäre schön, mal auf so einer Karte einen Satz zu lesen wie „Die ersten Wochen waren ein echt heftiger Ritt“.
Als ich nach der Geburt meines Sohnes das erste Mal allein unterwegs war, kommentierte eine Bekannte das mit dem Satz „Du hast den Kleinen bestimmt total vermisst, oder?“. Meine erste Reaktion dazu: Nein, habe ich nicht! Meine zweite Reaktion: Oh Gott, das zeigt mal wieder, dass ich total falsch bin, dass ich nicht normal bin, als gute Mutter vermisst man doch sein Kind….etc.
Die Bekannte hätte ja auch fragen können: „Wie war es für dich? Hast du den Kleinen vermisst oder ging es dir eher so, dass du die Freiheit genossen hast?“
Mir hilft eine Therapie dabei, meine ambivalenten Gefühle mitfühlender anzunehmen, und zu erkennen, dass ich es mit meinem Sohn nicht so schlecht mache, wie ich denke.
Alles Liebe für dich
Nina
Christine sagt:
Liebe Nina,
na das wäre doch wirklich mal eine Abwechslung auf einer Geburtsanzeigenkarte!! :-D
Manchmal denke ich aber auch, dass das Umfeld die negativen Seiten gar nicht wissen will. Wer möchte auf so einer Karte oder in einer WhatsApp-Nachricht einer (entfernten) Bekannten schon lesen, mit welchen Problemen sich diejenige rumschlägt, wo sie sich doch glücklich schätzen kann, sooo ein süßes Baby zu haben… Umgekehrt habe ich selbst auch festgestellt, wie schwierig es ist, Wünsche zur Geburt so zu formulieren, dass man durchblicken lässt, wie anstrengend so ein neues Leben mit Kind auch sein kann. Es ist für beide Seiten irgendwie nicht einfach. Deine Ideen zur Formulierung der Nachfrage deiner Bekannten, wie die freie Zeit ohne Kind für dich war, finde ich jedenfalls sehr schön, weil sie so neutral und in beide Richtungen offen gehalten wurde – eben so, dass man sich als Mutter nicht direkt infrage stellt.
Ich wünsche dir viel Erfolg weiterhin für deine Therapie und bin auch fest davon überzeugt, dass du es als Mutter schon in vielerlei Hinsicht richtig gut machst!
Alles Liebe dir!
Irene sagt:
Liebe Christine, ich frage mich, ob du dich evtl mit dem Konzept der Neurodivergenz beschäftigt hast? Nach einer heftigen postpartalen Depression erhielten erst mein Sohn und dann ich die Diagnose Autismus. Für mich kam das sehr überraschend, hatte ich mich doch immer für hochsensibel gehalten. Das hat mir sehr die Augen geöffnet und mir geholfen, zu akzeptieren, dass ich viel Zeit alleine einfach brauche. Ohne weiter nach Trauma zu forschen, glaube ich inzwischen, dass es mein sehr offener Reizkanal ist, der es notwendig macht, regelmäßig allein zu sein. Das macht mich tatsächlich zu einer besseren Mutter. Ich meine, mich zu erinnern, dass dein älterer Sohn ebenfalls eine Autismusdiagnose erhalten hat und möchte dazu sagen, dass es eine sehr klare genetische Komponente in diesem Bereich gibt. Frauen im Autismusspektrum werden häufig wegen anderer psychischer Probleme behandelt, bekommen jedoch meist sehr spät oder nie eine Diagnose, weil das typische Bild eines Autisten männlich- klischeehaft geprägt ist. Bei mir gab es schon seit der Jugend depressive Phasen – auch bekannt als „autistischer Burnout“, geholfen hätte mir damals schon Alleinsein, Rückzug und Reizarmut. Ich lasse dir diese Zeilen als Anregung da – falls du nichts damit anfangen kannst, hoffe ich, du nimmst mir diesen Vorstoß nicht übel. Liebe Grüße und alles Gute für dich!
Christine sagt:
Liebe Irene,
ich nehme dir deinen Vorstoß (den ich nicht als solchen empfunden habe) nicht übel!
Aber genauso wenig, wie du weiter nach Trauma forschst, hänge ich mich beim Thema Autismus rein. Die (damals schon von ärztlicher Seite als nicht sicher gestellte) Autismusdiagnose konnte nach der Kindergartenzeit nicht mehr bestätigt werden. Damals war ich froh, etwas „in der Hand“ zu haben, das uns den Weg in den heilpädagogischen Kindergarten mit all seinen Fördermaßnahmen ebnete, die laut seinen ErzieherInnen eigentlich für jedes Kind, egal ob autistisch oder nicht, ein Zugewinn wären. Und außerdem gefiel mir damals durchaus die Idee, dass nicht Traumatisierungen oder meine fehlende Zuneigung Schuld an seinem Verhalten wären, sondern eine genetische Ursache. Und doch spürte ich immer, dass da mehr sein musste.
Ich habe meinen Fokus auf das Thema Entwicklungstrauma bzw. Bindungsstörung gelegt und fahre seitdem sehr gut damit. Damit möchte ich nicht sagen, dass es nicht sein kann, dass er (oder ich) nicht doch von Autismus betroffen sein könnten, aber für mich fühlt sich das nicht stimmig an, weswegen ich in der Richtung nicht weiter agiere. Seine positive Entwicklung lässt da für mich im Moment keinen Platz für Zweifel.
Ich danke dir trotzdem für deinen Hinweis, auch im Namen anderer betroffener Leserinnen, die sich jetzt in deinen Worten wiederfinden; sicherlich ist es dir auch nicht leicht gefallen, deine persönlichen Erfahrungen offen niederzuschreiben. Und ich freue mich sehr zu lesen, wie sehr dir die Diagnose und die Erkenntnis darüber geholfen hat! Ich wünsche dir weiterhin auch alles Liebe!
Denise sagt:
Ich bin keine Mutter sondern eine Tochter. Ich bin 33 Jahre und meine Mutter ist Anfang 60. Ich habe noch einen 4 Jahre jüngeren Bruder mit Down Syndrom der vollzeiz Betreuung braucht und bei meinen Eltern zuhause lebt. Das Verhältnis zu meiner Mutter ist sehr ambivalent. Ich liebe sie und sie ist sehr aufopfernd und auch teilweise sehr herzlich aber mit lieben Worten sehr zurück haltend. Anfang 20 bekam ich depressionen und bin in Therapie. Ich habe mit meiner Mutter offen darüber gesprochen dass mir Liebe fehlt. Sie versteht das. Sagt immer sie ist halt so. Ich verstehe dass das sicherlich aus ihrer Kindheit kommt (Kriegsenkel). Ich habe sie auch schon oft gefragt ob sie es berreut uns Kinder bekommen zu haben und ob sie mich überhaupt lieb hat. Natürlich sagt sie dann immer. Aber mein Gefühl sagt mir was anderes. Was mich schon seid Jahren an meiner Wahrnehmungen zweifeln lässt. Manchmal wünsche ich dass sie das einfach mal offen zu geben könnte. Es würde mich innerlich glaube ich zerstören aber mit dieser geahnten unausgesprochenen Sache ist es auch irgendwie nicht gut.
Christine sagt:
Liebe Denise,
mir kommt gerade die Idee: vielleicht könntest du das deiner Mutter nochmal in Form eines Briefes schreiben? So dass du ihr das genauso erklärst wie mir, was du für ein Gefühl hast (nämlich ein anderes als das was sie sagt) und dass es für dich schlimmer ist, dass du immer an deiner eigenen Wahrnehmung zweifelst, als die Wahrheit zu hören. Möglicherweise findet deine Mutter dann einen Abstand, um in Ruhe darüber nachzudenken, dass du sie nicht angreifen oder beschämen willst, sondern dass es dir für deine eigene Aufarbeitung gut täte.
Ich glaube deiner Mutter sogar, wenn sie dir sagt, dass sie dich liebt. Sie wird ganz sicher liebende Gefühle für dich hegen (kein Mensch kann ausschließlich lieben oder ausschließlich nicht-lieben). Aber dein Gefühl ist auch richtig, wenn du sagst, dass es sich für dich nicht so anfühlt! Manche Menschen (mein Vater ist da genauso) können ihre Liebe nicht „verständlich“ rüberbringen, so dass sie beim Gegenüber ankommt; irgendwelche Ängste oder Blockaden hindern sie daran, dass ihre Gefühle durchsickern und sie sind dann (trotzdem) überrascht, wenn das Kind sich nicht geliebt fühlt. Im Falle meines Vaters glaube ich auch, dass er sich nicht traut, hinzugucken, weil er zu viel Angst davor hat, dass da auch nicht-liebende Gefühle seiner Tochter gegenüber auftauchen könnten bzw. ein Hadern mit der Vaterrolle. Vielleicht ist es bei deiner Mutter ähnlich? Oder sie musste all ihre Fürsorge für deinen Bruder aufbringen, sodass da kaum (emotionaler) Raum für dich war?
Ich glaube, was der Schlüssel für uns Kinder wäre, wenn unsere Eltern uns im Nachhinein Mitgefühl schenken könnten; uns signalisieren, dass sie unseren Schmerz fühlen (z.B. indem sie sagen „Das tut mir sehr leid, dass du dich ungeliebt gefühlt hast, das muss sich ja furchtbar anfühlen“ und nicht nur mit dem Verstand reagieren à la „Natürlich liebe ich dich, das weißt du doch.“). Vielleicht ist es dann weniger wichtig, ob wir eine Wahrheit kennen, wenn wir wenigstens das Gefühl haben, dass wir in unserem Schmerz mit unserer Wahrnehmung gesehen werden.
Birgit sagt:
Es ist bei mir erstaunlicherweise viel besser geworden. Meinen 11 jährigen Sohn liebe ich mittlerweile abgöttisch und könnte ihn ständig knuddeln. Keine Ahnung wieso. Er ist mir von der Art ähnlicher als der Grosse. Ausserdem teilen wir Hobbies wie kochen und backen. Wir fahren gemeinsam mit dem Fahrrad einkaufen und putzen zusammen das Haus. Und das Alles ist total entspannt und ich fühle mich sehr wohl dabei, gar nicht gestresst. Wir führen ernste, tiefergehende Gespräche, ich verstehe wie es ihm innerlich geht. Zutiefst bereue ich mein Jammern übers Kinderhaben in der Vergangenheit den Kindern gegenüber. Ich habe jetzt selbst erkannt, dass es sie stark verletzt hat 😞. Jetzt reisse ich mich zusammen, nie mehr vor den Kindern zu jammern. Ich komme mit den Kinder um Welten besser zurecht. Es macht sogar Spass! Es ist als ob ein Knoten gelöst wurde. Ich bin soo stolz auf meine Kinder und bin froh, dass ich sie bekommen habe. Ich hoffe, es hält an.
Christine sagt:
Liebe Birgit,
das klingt ja wirklich unglaublich, das freut mich sehr für dich und deine Kinder! Ich glaube auch, dass es viel einfacher wird, wenn wir viel mehr Gemeinsamkeiten mit unserem Nachwuchs finden und das Muttersein dadurch keine Einbahnstraße mehr ist, weil man eben plötzlich auch was zurückbekommt.
Ich verstehe auch deinen Impuls, dein Jammern von früher zu bereuen, aber ich möchte dich auch ermutigen, dich dafür nicht fertig zu machen: Du hast es ja nicht aus Absicht gemacht, um deinen Kindern zu schaden, sondern weil du keinen anderen Weg wusstest, aus dieser hilflosen Situation zu kommen. Deine Kinder werden mit Sicherheit auch viel Heilung erfahren, jetzt, da du sie auch im Rückblick viel mitfühlender betrachten kannst.
Ich wünsche dir von Herzen, dass dieser Zustand jetzt anhält bzw. überwiegt. Du hast es dir verdient!
Janina sagt:
Liebe Christine,
Von ganzen Herzen danke ich dir für diesen Beitrag!
Ich bin gerade unglaublich froh, dass ich deine Seite gefunden habe. Ich habe einen 8 Jährigen Sohn und habe gleich nach der Geburt eine sehr schwere Wochenbett Depression bekommen. Nur ein Klinikaufenthalt zusammen mit meinem Sohn konnte mir etwas helfen. Leider begleitet mich die Depression und die fehlenden Muttergefühle nun auch schon 8 Jahre. Es liegt ein ziemlich steiniger Weg hinter mir. Viele Therapien, scheitern meiner Ehe, soziale Isolation, Unverständnis, ausgeschlossen werden und viele viele Tränen und Monate der Verzweiflung.
Ich bin unendlich dankbar hier lesen zu dürfen, dass es auch andere Mütter gibt, die wie ich empfinden.
Ich liebe meinen Sohn über alles, doch Muttergefühle kann ich einfach ihm gegenüber nicht entwickeln. Ich habe 8 Jahre dafür gekämpft und versucht diese Gefühle bei mir zu erwecken, bis ich in meiner Therapie an den Punkt gekommen bin, dass ich es annehmen muss wie es ist.
Ich nehme an, dass ich mein Kind über alles lieben darf, obwohl mir die mütterliche Verbindung zu ihm fehlt.
Ein langer Prozess, der wohl nie ganz enden wird.
Nun bin ich eine Wochenend-Mama. Ich habe den Schritt getan und mir eine kleine Wohnung gesucht. Mein Sohn lebt bei seinem Papa, der ein toller und liebevoller Vater ist. Die beiden sind ein tolles Team. Trotzdem ist die Schuld und das schlechte Gewissen noch immer mein Begleiter.
Ich sehe meinen Sohn auch unter der Woche und über telefonieren sind wir fast täglich im Kontakt. Doch den Alltag verbringt er nun mit meinem Ex- Mann.
An diese Konstellation muss ich mich auch noch gewöhnen und auch lernen nun für mich alleine zu leben.
Vielleicht gibt es hier Mütter, die auch diesen Weg gegangen sind?
Ich stoße auf viel Unverständnis und bin nun in den Augen meiner Umwelt eine egoistische Rabenmutter.
Ich hoffe, dass es hier Verständnis für meinen Weg gibt.
Dagmar sagt:
Hallo liebe Janina!
Ich habe gerade Deinen Beitrag gelesen und möchte Dir sagen dass ich den Weg, den Du gegangen bist, so unglaublich mutig finde! Ich habe auch schon oft darüber nachgedacht ob es meinen Jungs und vor allem mir nicht besser gehen würde wenn sie bei meinem Ex-Mann leben würden. Sie sind 10 und 12 Jahre alt und wir sind seit fast 3 Jahren geschieden. Letzten Endes traue ich mich nicht diesen Weg zu gehen… aus Angst vor dem Unverständnis.
Nach der Geburt meines Ältesten hatte ich auch eine schwere Wochenbettdepression. Insgesamt war ich zweimal stationär und habe zudem einige Jahre Psychotherapie hinter mir. Ich funktioniere und unser Alltag klappt mal gut, mal weniger gut. Aber es ist so ein Kampf. Ich komme täglich an meine Grenzen, bin dermaßen erschöpft und absolut nicht glücklich. Mein Job fordert mich auch sehr und es gibt keinen Tag ohne Verzweiflung und Tränen.
Ich habe mir mein Leben so anders vorgestellt und kann nach wie vor nicht annehmen, dass ich so bin wie ich bin.
Ich danke Dir für Deine Offenheit und wünsche Dir, dass die Schuld und das schlechte Gewissen weniger werden. Ich wünsche Dir Verständnis und immer mehr Freude und liebe Menschen an Deiner Seite!
Viele Grüße aus dem Schwabenland, Dagmar
Birgit sagt:
Hallo Janina,
ich bin auch getrennt und sehe meine Kinder „nur“ jede zweite Woche wegen wochenweisen Wechselmodell mit dem Kindsvater. Ich denke, am Wichtigsten ist es, zu versuchen selbst wieder glücklich und ausgeglichen zu werden, wenn man Kinderpause hat. Was hat mich vor den Kindern glücklich gemacht? Das wieder suchen und leben.
Auch das Annehmen der nicht-so-tollen-Situation mit dem Sohn als simpler Fakt, hilft auch enorm, diese Mutterliebe nicht zu erzwingen sondern akzeptieren, dass man weniger heftige Gefühle für ihn hat. Es ist wie es ist. Wenn es einem selbst besser geht, dann kann man auch viel entspannter und authentischer mit den Kindern umgehen. Diesen irren Leistungsdruck, eine gute Mutter sein zu müssen, ablegen wie einen dicken Wintermantel, der einen erdrückt. Die Schuldgefühle ablegen. Das hilft. Vieles braucht auch einfach Zeit. Doch weiterhin die Bindung/Kontakt zum Kind aufrecht erhalten, Anteil an seinem Leben nehmen. Alles Gute.
Sternschnuppe sagt:
Ich lese schon länger den einen oder anderen Beitrag und die Kommentare dazu und bin immer wieder erstaunt, wie ähnlich und doch auch unterschiedlich es uns allen mit dem Thema Muttersein geht.
Ich habe eine 8jährige Tochter und bin das zweite Mal schwanger. Wir haben hart um das 1. Kind gekämpft, weil die Schwangerschaft alles andere als einfach war und sehr lange darum, dass wir das Zweite bekommen. Es wollte 8 Jahre lang einfach nicht klappen. Jetzt könnte man annehmen, dass ich mit Leib und Seele Mama bin, vielleicht umso mehr, wenn man weiß, dass ich Pädagogin bin. Aber dem ist nicht so.
Ich hatte selbst eine verkorkste Kindheit, meine Oma (wie eine Mama für mich) ist gestorben als ich 12 war und meine Mutter konnte mich diese Liebe nie spüren lassen. Genauso schwer tue ich mir damit, meine Liebe zu zeigen. Ich bereue nicht, dass Mama geworden sein an sich, ich hadere aber extrem damit, etwas nicht erfüllen zu können, was für andere so selbstverständlich erscheint.
Mein eigenes Leben aufzugeben, des Kinded wegen? Kam fpr mich nie in Frage, ich habe mit einem Kleinkind zuhause ein Vollzeitstudium abgeschlossen, die Selbstständigkeit geplant, bin ausgegangen und verschaffe mir sehr viele Atempausen. Dass das alles ohne meinen Mann nicht möglich wäre, weiß ich. Er macht den Haushalt zum Großteil und gibt unserer Tochter, aber auch mir, die Liebe, die ich selbst nicht gut zeigen kann.
Ich habe eine Therapie gemacht, weil ich mich in diesen gesellschaftlichen Normen nicht wiedergefunden habe und immer antriebsloser, stiller, depressiver und ausgebrannter wurde. Zeit mit meinem Kind alleine war schrecklich, ich wusste nicht was wir spielen sollten, womit beschäftigen, rausgehen eine unendliche Qual und Anstrengung, aber das Kind braucht es doch, nicht wahr? Seit sie in die Schule kam, ist alles noch schlimmer geworden. Ich versuche ihr zu zeigen, dass Fehler ok sind und nicht alles perfekt sein muss, weil niemand perfekt ist, aber ich dringe nicht zu ihr durch. Natürlich kenne ich diese Phasen, nein ist das neue Modewort und Provokation das neue Großwerden, dass es mich aber fast ins Burnout bringt, dass sieht außen keiner. Zum Glück für mich, ist mein Mann ein Ruhepol. Natürlich auch nicht immer, wir alle sind Menschen. Aber ohne ihn, könnte ich morgens oft nicht aufstehen. Er lässt mir Zeit und Ruhe, meine Tochter versteht mich besser, seit sie weiß, dass auf meiner Schulter ein kleines Monster sitzt. (Ein Energie- und Emotionsfresser ist das). Ich habe allerdings ein schlechtes Gewissen, wenn sie dann herkommt und sagt, ich bin für dich da, denn das will ich eigentlich nicht. Und dann frage ich mich oft, ob es wohl besser wäre, kein Kind bekommen zu haben, dem ich meine Gefühle aufbürde – die Antwort ist ja.
Denn in schlimmen Phasen verliere ich die Beherrschung, schreie, tobe, schimpfe, brülle….wegen und über Kleinigkeiten, Dingen für die sie nichts kann.
Jetzt wo das 2. Kind unterwegs ist, kommen viele Ängste wieder hoch, warum ich das nochmal mache, wo ich doch schon beim Ersten so kläglich scheitere.
Wisst ihr, was mir dann hilft? Ich setze mich ans Fenster (ein großes Panoramanfenster mit überwältigenden Blick, der Himmel weit offen über mir) und sehe in die Sterne. Dann bin ich winzig klein, richtig unbedeutend und ich erinnere mich daran, was ich bisher geschafft habe, dass ich nicht aufgegeben habe, mich selbst nicht aufgegeben habe und dass ich einfach nur die Mama bin, die ich sein kann – nicht mehr und nicht weniger. Wer bestimmt schon, was eine Mama ist oder wie sie zu sein hat? Ich sehe sie atmen, lachen und weinen und ich sehe, dass ich es seit 8 Jahren irgendwie hinkriege. Und das genügt.
Für jeden genügt etwas anderes und jeder setzt den Schritt, der ihm selbst und seiner Familie hilft. Keiner ist besser, keiner ist schlechter. Wir kämpfen uns doch alle jeden Tag durchs Leben und trotzdem sind wir nur ein winzig kleines Licht in diesem riesen Universum. Für mich relativiert das unglaublich viel und es beruhigt mich.
Danke für all eure Erfahrungen und die Ehrlichkeit in euren Beiträgen/Kommentaren. Ihr seid alle wundervolle, starke Frauen. Ich bewundere jede Einzelne von euch.
Eure Sternschnuppe
Steffi sagt:
WOW! Einfach nur danke 🙏
daniela sagt:
ich bin neulich über diesen blog gestolpert und war erschüttert, dass es noch so viele andere mütter zu geben scheint,die genauso fühlen, wie ich!
ich weiss nicht, woran es liegt; schon von frühester jugend an lösten kinder in mir keine besonders warmen gefühle aus, oder so. meine freundinnen brachen beim anblick von babys und kleinkindern immer in verzückung aus und zählten auf, wann sie wieviele kinder haben wollten und mich liess das völlig kalt.
paradoxerweise sagten damals alle, dass ich gut mit kindern könne und ich doch was in der richtung machen sollte- und so stürzte ich mit 16 in die kinder- und jugendarbeit, leitete eine pfadfindergruppe, betreute ferienfreizeiten, organisierte sommerfeste etc.
ich war sogar ein jahr lang au-pair und damit tagsüber von 7-17 uhr für drei kinder von 1-8 verantwortlich. alles waren begeistert von mir und der arbeit, die ich mit den kindern leistete und überzeugt,dass ich eine grossartige mutter werden würde.
und in all der zeit, hatte ich kaum freude an all den kindern… ich machte immer weiter, weil ich glaubte, dass es mir doch irgendwann spaß machen MÜSSE, weil ich doch eine frau und damit biologisch vorprogrammiert für kinderliebe bin!
ich vermute, dass meine au-pair- zeit der grund dafür war, mir endgültig einzugestehen, dass ich keine kinder haben wollte und dass sie ursächlich für meine letztenendes späte mutterschaft war.
ich lerne auch den mann, mit dem ich mir kinder erstmals ansatzweise vorstellen konnte, erst spät kennen und dann war unser erstes kind ein überraschungsgast. das zweite, fast 5 jahre später, auch.
umd seitdem hadere ich mit dem muttersein.
alle gefühle, die oben angesprochen werden kann ich vorbehaltlos unterschreiben.
auch das, eher eine tante, als eine mutter zu sein.
ich habe jahre an therapie hinter mir.
3 jahre vor den kindern, um meine eigene kindheit aufzuarbeiten und dann nochmal 7 jahre während/nach den kindern, um meine eigene, scheinbar kaputte mutterseele zu heilen.
das schlimmste ist das gefühl, damit so allein zu sein…selbst meinem mann scheinen zuweilen geduld und verständnis für mich auszugehen. ( das glaube ich an kommentaren/ verhalten seinerseits abzulesen, aber ich mag es nicht ansprechen, aus angst, er könnte zuviel bekommen von mir, die sich seit jahren immer im kreis dreht)
meine grösste angst ist, dass ich meinen kindern schade… nummer eins spürt meine ambivalenz immer mehr und entwickelt eigene unsicherheiten, was mir ein noch schlechteres gewissen macht…es ist ein teufelskreis, aus dem ich nicht ausbrechen kann…
es geht soweit, dass ich neulich einer grossen op zugestimmt habe, die ich noch jahre hätte aufschieben können, einzig, weil ich danach 3 wochen reha versprochen bekommen habe, die weit weg von hier ist! (mutter-kind kuren fand ich für mich immer sinnlos, weil ich da die kinder ja hätte mitnehmen müssen.)
ich schäme mich so sehr! und während ich das schreibe, heule ich wie ein schlosshund und schäme mich noch mehr, weil ich meine kinder liebe, aber weiss, dass ich auch ohne sie leben könnte….und ich fürchte mich vor dem, was das mit ihnen macht, wenn sie es mal merken…
ich weiss nicht, wohin mich dies alles führen wird. keine ahnung, was ich tun kann, um mit mir und diesen gefühlen ins reine zu kommen. “ liebe dich selbst“ und “ akzeptiere dich, wie du bist“ sind ja alles weisheiten, die ich nicht in mich hereinzwingen kann.
in der zwischenzeit komme ich einfach immer mal hier vorbei und hole mir die gewissheit, dass ich nicht alleine bin und wir viele sind, die genauso fühlen, wie ich.
Heidi sagt:
Wenn ich das alles lese….durchrüttelt es mich…..weil es mir einerseits genauso geht! ich kämpfe seit der geburt meines sohnes vor 4 jahren mit genau den gleichen, ambivalenten gefühlen…hatte mir nie etwas mehr gewüscht wie eine familie und mit beginn der schwangerschaft ist alles anders gekommen als gehofft und gewünscht…hatte ein sehr heftiges geburtstrauma mit eigener belastender kindheitsgeschichte….und so sehr ich mich bemühe meinem sohn ein „normales“ leben zu bieten – es überwiegen gefühle wie belastung, stress, angespanntheit, langeweile, eingesperrt sein….es ist wie ganz viele hier beschreiben, mein sohn ist toll wie er ist – aber mein leben fühlt sich nicht mehr gut für mich an. Die vielen gefühle, zum überwiegenden teil belastend, das sich ewig drehende hamsterrad, die aufgabe meinen sohn ein schönes leben zu ermöglichen, kosten mir alle energie die ich habe….ich gehe seit 4 jahren in therapie, versuche mir auszeiten zu nehmen, und und und….aber dieses so voll in seiner mutterrrolle aufgehen, so zu 100% für sein kind da sein, fehlt einfach…es ist als hätte ich nicht die innerlichen ressourcen für das…..und ich frage mich auch ehrlich gesagt, wie viel an diesen gefühlen damit zu tun hat, dass wir in unserer zeit eine vorstellung davon haben wie es sein müsste!!! wie es richtig wäre!! wie eine gelungene kindheit auszuschauen hat…..in der generation vor uns wusste man von all dem nix! man hat halt so gut getan wie man konnte! es gab keine 100 verschiedenen kinderbreis, freizeitangebote, spielzeuge, wissen zum thema wie wichtig die kindheit ist – und damit – auch viel weniger verantwortung……ich will ja auch nur das beste für meinen sohn – aber ich scheitere an der umsetzung….und kann mir das nicht verzeihen und schaffe es nicht es ausreichend oder ok zu finden, wie ich tue….
Birgit sagt:
Hallo Heidi,
Du solltest dringend mit dem Vergleichen aufhören. Andere Mütter, andere Familien, sie kämpfen alle mit denselben Problemen.
Das Allerwichtigste ist, dass es Dir gut geht! Ja, du hast richtig gehört. Nicht das Kind ist Nr. 1 und das Wichtigste, sondern DU bist der Schlüssel zu dem Ganzen. Wenn es DIR gutgeht, dann geht es auch Deinem Kind super und Du fühlst Dich nicht mehr als Opfer Deines Kindes. Dein Alltag wird viel leichter und Du wirst vielleicht zum erstenmal erleben, was es heisst sein Kind „geniessen“ zu können (ich weiss, ein absolutes Fremdwort für uns Mütter hier 😆).
Jetzt geht es darum: wie werde ICH wieder glücklich, was brauche ICH dafür und WER kann mir dabei helfen?
Das ist alles, scheint einfach und doch ist es brutalst schwer. Alles Gute! UND: KEINE SCHULDGEFÜHLE!
Lemon sagt:
Ich bin so froh, dass hier die Möglichkeit besteht, ehrlich zu sein, ohne gemaßregelt zu werden.
Meine Tochter ist jetzt 13 Jahre alt. Die Schwangerschaft war schwierig, körperlich und psychisch. Die Gefühle zu diesem Zeitpunkt ambivalent und dort liegt der Hund begraben, das ist mir jetzt klar.
Mein Gedanke, der mich fertig macht ist der, dass ich gerne Mutter bin aber lieber ein anderes Kind hätte. Das ist dermaßen hart aber so ist es.
Meine Tochter ist von Anfang an ein Stacheltier, impulsiv, stur, merkwürdig. Sie kommt mit anderen Kindern nicht klar und erfährt auf allen Ebenen Ablehnung. Das bedeutet, dass sie an Wochenenden und in den Ferien 24/7 zu Hause ist. Als sie kleiner war habe ich mir ein Bein ausgerissen, um ihre Freizeit schön zu gestalten (Spielplatz, reiten, Zoo, Wald, Sportverein(e), Freizeitpark, Schnitzeljagd, schwimmen…). Jetzt habe ich keine Kraft mehr, denn sie lehnt pubertätsbedingt (?) ohnehin alles ab.
Es gab immer wieder Versuche, in Form von Beratungsangeboten oder Psychologen rauszufinden, weshalb mein Kind so sehr auf Ablehnung stösst. Sie trifft sich 2x mit einer Person, danach ist Funkstille – von Seiten der anderen Person.
Meine Tochter verweigerte spätestens nach dem 3. Besuch jegliche Form der Mitarbeit und mauerte, versteckte sich hinter ihrem Pony und starrte auf einen imaginären Punkt auf den Boden, so dass die Fachleute sagten, es habe keinen Zweck, wenn sie nicht mitmachen wolle.
Es ist ein Teufelskreislauf. Ich weiß, dass durch die unglückliche Schwangerschaft der Start für mein Kind schwer war. Ich hatte tausend Ängste aber auch viele schöne Vorstellungen, von dem Leben mit Kind. Depressionen hatte ich nicht, sondern ein dermaßen überwältigendes Gefühl der Liebe, als die Kleine in meinen Armen lag. Und dennoch war sie von Anfang an auf Abwehr.
„Lass mich in Ruhe“, ist einer ihrer Standardsätze – immer schon und egal um was es geht. Ob ich sie nun frage, wie es ihr geht oder wie die Mathearbeit gelaufen ist…
Ich wünschte mir so sehr, dass sie glücklich wäre, dass sie Freunde hätte, dass sie mit einer Clique ins Kino geht, den ersten Schwarm mit nach Hause bringt, meinetwegen die erste heimliche Zigarette raucht. Stattdessen sitzt ein wunderschöner, frustrierter Teenager neben mir und weiß, außer mit dem verfluchten Handy, nix mit sich anzufangen. Sie ist teilweise völlig unberechenbar, auch mit Ausreißertendenzen.
Die Sorge, was aus ihre werden wird, denn auch die schulischen Leistungen sind auf einem Nullpunkt, bringt mich um den Schlaf. Mir wären die schulischen Leistungen auch nicht so wichtig, wie der Wunsch, sie hätte Leute, mit denen sie „abhängen“ kann. Male ich den Teufel an die Wand? Muss ich mich lockerer machen? Muss ich vertrauen, dass alles irgendwie doch gut wird? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass mich dieses Kind an alle Grenzen bringt und ich gerne ein Kind hätte, was glücklich wäre.
Manchmal bin ich regelrecht verzweifelt, wenn die Ferien beginnen (habe jobbedingt dann auch Ferien/Urlaub) und meine Tochter und ich wochenlang 24/7 miteinander verbringen. Ich brauche Zeit und Raum zum Atmen. Das geht nicht mit einem Teenager, der einen ständig auf Trab hält.
Nein, Depressionen hatte ich am Anfang der Mutterschaft nicht aber mittlerweile kämpfe ich jeden Tag darum, diese Familie zusammenzuhalten, stark zu sein, Verständnis zu haben, ihr freundlich zu begegnen.
Im Hinterkopf hält mich die Idee aufrecht, dass ich eines Tages, wenn meine Tochter so weit ist, in mein Heimatdorf zurückziehe und dort den Rest meiner Tage nach meinen Vorstellungen verleben werde: lesen, schlafen, essen, ab und zu Freunde treffen, schwimmen gehen, Rad fahren und atmen.
Yvonne sagt:
Liebe Christine,
ich danke dir so sehr für dein authentisches Zeigen genauso wie jeder anderen Frau, die hier mutig darüber schreibt.
Ich ‚kämpfe‘ seit nun mehr 11 Jahren mit mir und den Gefühlen der Ablehnung des Mutterseins.
Mir ist ganz bewusst ( vor allem seit dem ich über Entwicklungstrauma weiß ), was meine eigene Kindheit damit zu tun hat. Gute Therapeuten zu diesem Thema zu finden ist nicht so einfach.
Vor allem habe ich sehr damit zu tun, dass ich es nicht verhindern kann, dass auch mein Kind seine Wunden davon trägt. Ich hab alles versucht und lande doch immer wieder in der Überforderung und verbundenen Ablehnung.
Dazu kommen auch alle anderen Punkte, die Du erwähnst. Wertschätzung oft Fehlanzeige. Vor allem hier in D. Ich habe das in Spanien zB anders erlebt.
Ich war und bin immer noch sehr oft allein mit meinem Kind. Und ganz oft fehlt mir die Energie meine Freundschaften zu pflegen bzw Räume zu kreieren, wo man mit anderen Müttern in Kontakt und Austausch kommt. Daher bewundere ich es sehr, was du hier erschaffen hast.
Es geht wohl sehr um Akzeptanz.. und das Loslassen von der ‚Idealfigur‘ Mutter.
Und der Wertschätzung für alles was man trotzdem schon geschafft und gut gemacht hat. Auch wenn manchmal die Schuldgefühle grenzenlos sind.
Herzensgrüsse
Franzy S sagt:
Tausend Dank für diesen ehrlichen Text zu diesem schambehafteten Thema für das viele Menschen wahrscheinlich wenig Verständnis haben. Ich habe mich in vielen Aspekten wiedergefunden, manches bestätigt das was ich schon über mich wusste, anderes ist mir gerade erst bewusst geworden. Zum Beispiel dass ich im Gegenwart meines Sohnes so gut wie nie entspannt bin. Es gibt hier und da mal einzelne Momente, aber die sind kurz und das war’s dann auch direkt wieder.
Die konstante fremdbestimmtheit macht mich im besten Fall leicht erschöpft, im Schlechtesten Fall kämpfe ich gegen meine Aggressionen die ich daraus entwickele. Vor allem in PM(D)S Zeiten ist es sehr schwer für mich zu akzeptieren wie wenig von meiner Zeit mit den Dinge verbringen, die ich möchte.
Mein Mann ist zum Glück anders; nicht sehr aber etwas. Ob es für uns ein zweites Kind gibt, wage ich aber zu bezweifeln obwohl ich das merkwürdigerweise irrational möchte, aber noch siegt die Vernunft.