Die Schaukel schwingt höher und höher an einem dieser ersten Herbsttage, an denen die Luft schon so klar und dünn ist, dass man unweigerlich zu wärmeren Mänteln und Schuhen, die bis über die Knöchel ragen, greift. In der Nacht hatte sich so viel Kondenswasser an den Rutsch- und Klettergeräten gebildet, dass die meisten von ihnen zum Spielen uninteressant sind, aber die Schaukel bedarf nur einer kleinen Wischbewegung mit der Hand und schon ist sie einsatzbereit. „Mama, schaukelst du zusammen mit mir? Du sitzt unten und ich auf deinem Schoß?“ Ein Lächeln umspielt meine Lippen und schon steuere ich bereitwillig auf meinen Sohn zu, um seinen Wunsch zu erfüllen. Früher hätte ich geseufzt, und jeder Schritt in Richtung meines Kindes wäre von innerem Widerstand ausgebremst worden. Wenn ich überhaupt Ja gesagt hätte, dann nur aus Pflichtgefühl meiner Mutterrolle gegenüber. Aber heute, an diesem frischen Herbsttag, kribbelt es voller Vorfreude in mir und ich spüre eine Woge von Dankbarkeit, dass das Leben mir diesen kostbaren Augenblick schenken möchte, den ich in all meinen Jahren als Mutter nicht als solchen wahrnehmen konnte. Denn mein Jüngster, der mich da zu dem gemeinsamen Höhenflug einlädt, ist nicht mehr drei oder fünf, sondern ein Junge von zehn Jahren, der Spielplätze inzwischen eigentlich für öde hält.
Schlagwort: Mutterfrust
Den gibt es bei mir ständig. Kein Wunder, dass es das meistgenutzte Schlagwort auf meinem Blog ist.
Das peinlichste Eis essen aller Zeiten
Wir hatten Glück. Das Eiscafé war an diesem Frühlingsnachmittag zwar gut besucht, allerdings wollten die Meisten bei dem sonnigen Wetter lieber draußen sitzen. Genauso wie ich es mir erhofft hatte. Grundsätzlich genieße ich eher drinnen auf gemütlichen Bänken die stilvolle Inneneinrichtung eines Cafés oder Restaurants, als auf dessen Metallstühlen inmitten der belebten Fußgängerzone zu sitzen, selbst wenn das bedeutet, auf wärmende Sonnenstrahlen zu verzichten. Und so kam es, dass Maxi und ich, vor Lärm und neugierigen Wespen gleichermaßen geschützt, nun am beliebtesten Tisch im hinteren Teil der Eisdiele saßen und beide den Luxus genossen, weit und breit keine Tischnachbarn zu haben. Mit Spaghetti-Eis und Fruchtbecher vor uns auf dem runden Marmortisch knipsten wir lustige Selfies und erfreuten uns an diesem Mutter-Sohn-Nachmittag. Bis die Stimmung plötzlich kippte, kaum hatten wir angefangen, das cremige Eis zu löffeln.
Elf Jahre Leben mit Regretting Motherhood: „Es wird wohl immer ein Teil von mir bleiben.“
Die Weite, die hier oben herrscht, ist selbst von meinem Wohnzimmer aus spürbar. Als würde der Deich direkt hinter dem letzten Haus beginnen, das ich vom Sofa aus sehen kann. Das stimmt natürlich nicht; bis zum Meer sind es von unserer Siedlung aus noch fünfundzwanzig Autominuten. Aber der weite Himmel und das flache Land sorgen dafür, dass ich, jedes Mal, wenn ich aus dem Fenster blicke, mich nur bereitwillig dieser Täuschung hingebe. Genauso, wie ich mir sage, dass ich, nun, da ich bereits die anstrengendere Hälfte der Zeit bis zur Volljährigkeit meiner Kinder hinter mich gebracht habe, von jeglichen Gedanken rund um Regretting Motherhood befreit bin. Auch eine Illusion.
Schon wieder eine Pause? Warum Mütter mit Entwicklungstrauma kein schlechtes Gewissen haben müssen, wenn sie ständig Auszeiten benötigen
Die Idee für dieses Time-Out wuchs in mir heran, als meine Gedanken mal wieder Karussell fuhren. Wild und chaotisch, so nahm ich sie wahr. Vor allem geprägt von negativen Glaubenssätzen („Es wird ja eh nie besser“), durchtränkt von irrationalen Vorhaben („Morgen google ich ernsthaft nach einem Internat für die Jungs oder alternativ nach einer Zwei-Zimmer-Wohnung für mich“). Meinem Körper ging es nicht besser. Der Puls oben, der Zeiger meines imaginären Stressbarometers weit am Anschlag, es fühlte sich an wie kurz vorm Burnout.
Heilt die Zeit wirklich alle Wunden?
„Die Zeit heilt alle Wunden“, mit diesen Worten rief einst der französische Philosoph Voltaire sein vielleicht berühmtestes Zitat ins Leben, das von Generation zu Generation so gerne weitergegeben wird – als Trost in schweren Stunden, wenn das Leben einem mehr Zitronen gibt, als man zu Limonade verarbeiten kann.
Aber stimmt seine Aussage tatsächlich? Kann die Zeit wirklich alle Wunden heilen? Oder wenigstens die eine oder andere? Denn spätestens mit dem Mutterwerden kann man die Worte Voltaires nicht mehr einfach so hinnehmen, ohne sie zu hinterfragen; das habe ich bereits kurz nach der Geburt meines Ältesten gemerkt.