Ich wachte auf und spürte, dass etwas anders war als sonst. Meine Gedanken hatten sich verlangsamt, genauso wie meine Bewegungen. Von Außen nicht sichtbar, aber ich merkte deutlich den Unterschied. Ich fühlte mich sanft eingehüllt wie in einer Blase und dennoch gleichzeitig mit allem verbunden. Ein angenehmes Gefühl, keine Frage, und ich kuschelte mich noch einmal unter meine Decke, ließ mich noch einmal vom Schlaf einlullen. Dünnhäutig, das war das erste Wort, das mir dazu einfiel, aber diesmal nicht im Negativen.
Als Mama bin ich permanent Geräuschen, Streitereien unter meinen Söhnen und verschiedenen Stimmungen ausgesetzt. Wie wohltuend war da heute Morgen diese Blase um mich herum, die zwar den lautstarken Tobsuchtsanfall meines Ältesten akustisch durchließ, mich aber gefühlsmäßig relativ unbeteiligt an der Sache ließ.
Ein seltener Zustand. Ein äußerst seltener Zustand. Es war ein Geschenk für mich.
Beim Frühstück trat dieser Zustand erst einmal in den Hintergrund und ich befürchtete schon fast, die Blase um mich herum sei schon wieder verschwunden. Aber auf dem Weg zum Kindergarten spürte ich sie wieder: Schützend wie eine zweite Haut, leise, unaufdringlich, schirmte sie mich ab von den Belangen der Welt und ließ mich einfach mich selbst spüren.
Eigentlich hatte ich vorgehabt, direkt zum Drogeriemarkt zu fahren, nachdem ich Mini weggebracht hatte. Aber das starke Gefühl, mit allem verbunden zu sein, ließ mich an der nächsten Kreuzung das Auto nach rechts Richtung Wald steuern. Ja. Natur! Das brauchte ich jetzt.
Wie ein Durstiger, den es unweigerlich zum Wasser zieht, so zog es meine Seele ins Nadeldickicht.
Aufatmen. Geschützt zwischen den Bäumen stehen. Ihre Stille aufnehmen. Dem Vogelkonzert lauschen. Ich fühlte mich wie im Himmel.
Meine Haut kribbelte leicht. Es fühlte sich an wie eine leichte Spannung. Wie bei einer Antenne, die auf Empfang steht. Und ich empfing die Natur. Es war ein ausdehnendes Gefühl, das über mich hinauswuchs. Verbundenheit, mit allem, was lebt. Allem, was ist.
Und ist die Natur nicht der schönste Ort der Welt?
Ich war froh, an diesem Morgen weit und breit allein zu sein. Ich kann freier denken, wenn Keiner mir entgegenkommt. Keine fremden Schwingungen, die ich verarbeiten muss, keine Unterbrechung der eigenen Gedanken beim freundlichen Grüßen.
So war es mir möglich, einmal nur dem Wald zuzuhören. Den Vögeln über mir in den Baumkronen, dem Entengeschnatter am nahegelegenen See, dem Knistern hier und da und dem stummen Atmen der Bäume.
Der Wald zeigte mir einerseits Zugang zu wahrlich himmlischen Sphären und erdete mich gleichzeitig mit jedem Schritt, den ich auf seinem lebendigen Boden lief. Ein echter Zauberwald.
Mein Sohn Maxi liebt Wälder genauso wie ich, bei jedem Wetter. In der alten Heimat waren wir beinahe täglich zwischen Fichten und Kiefern unterwegs. Ich glaube, es tut ihm genauso gut wie mir. Nicht umsonst haben Wissenschaftler herausgefunden, dass Bäume eine heilende Wirkung auf uns Menschen haben.
Mit einem leisen Gruß der Dankbarkeit verließ ich den Wald wieder. Nun war ich wieder aufgetankt und hoffentlich bereit für das grelle Licht im Drogeriemarkt, das Radiogedudel zwischen den Gängen und für die Menschenmassen um mich herum.
Notfalls würde ich vor irgendeinem Regal stehen, augenscheinlich die Shampooflasche studieren, kurz die Augen schließen und wieder die spitzen Tannennadeln zwischen meinen Fingerspitzen fühlen. Danach könnte es wieder weitergehen.
Denn auch Bilder haben eine ungeheure Kraft! Erinnerungen an den letzten Strandbesuch können genauso entstressen wie der Baumkalender zuhause, auf den ich immer wieder einen Blick werfe.
Der Vormittag im Wald hatte es mir mal wieder vor Augen geführt: Nirgendwo sonst kann ich mehr regenerieren, mehr zur Ruhe kommen und schneller bei mir selbst ankommen, als in der Natur.
Nirgendwo sonst werden all meine Sinne auf so angenehme Art und Weise angesprochen, aber eben nicht überreizt.
Das gleichmäßige Rauschen der Wellen am Meer vernehmen, während der Wind durch unser Haar tanzt (s. Audioaufnahme). Auf einer Blumenwiese liegen und die Wolken betrachten. Den Duft von Fichtenharz auf einem Waldspaziergang einatmen. Das kühle Nass eines Bergsees über unsere Handflächen rinnen lassen.
Diese Erfahrungen sollten wir uns und unseren Kindern viel öfter gönnen.
Profitieren tun wir anschließend alle davon.
SilkeAusL sagt:
So einen „Wald“ bräuchte ich hier heute auch.
Von der Großen plärrt eine Musik-CD aus dem Kinderzimmer direkt nebenan, während sie hier im Wohnzimmer malt. Die Kleine schaut derweil, selbstverständlich AUCH hier im Wohnzimmer, JoNaLu, wo ja auch ständig gesungen wird. Ausserdem hat sie das Puppen-Etagenbett aus ihrem Zimmer geholt und randaliert damit rum (kann man in 2 Betten teilen und warum auch immer die Bretter, auf denen die Puppen liegen, raus nehmen. Schade, wenn es dann nicht wieder rein geht. Dann wird rumgequiekt und rumgemotzt).
Leider darf man hier im Moment nicht in die Wälder, wegen des Sturmes letzte Woche.
Mir ist das Meer aber sowieso lieber 😉.
LG Silke
Christine sagt:
Ich fühle mit dir!!! ;-) Vielleicht kannst du ja die Regel aufstellen, dass die CD ausgemacht werden soll, wenn deine Tochter den Raum verlässt? Sonst ist diese zusätzliche Art der Reizüberflutung doch echt unnötig…
Halt die Ohren steif, du Liebe ♥
Anna sagt:
Hihi.
Manche Kinder können froh sein, nicht mich als Mutter zu haben 😃
Die Puppenbetten hätte ich geklebt, die Musik aus gemacht oder das Kind in sein Zimmer geschickt.
Eventuell auch den CD Player weggetan. Glotze aus sowieso. Ich weiß, daß wirkt böse, ist es aber nicht. Denn wenn ich ausflippe, wäre das schlimmer, als CD Spieler ausstellen.
Und zum Geburtstag gäb es Kopfhörer 😉
Ich hoffe, mein Post wirkt es nicht provozierend? Das ist nicht meine Absicht, wirklich.
Eher mehr so als Anregung.
Lieben Gruß.
Christin L. sagt:
Liebe Christine,
Vielen Dank für diesen schönen Bericht. Es ermuntert mich dazu, auch wieder häufiger im Wald spazieren zu gehen, denn auch ich tanke dort besonders viel Energie…
Ich habe deinen Blog schon vor vielen Monaten entdeckt, als ich noch schwanger war und muss sagen, dass ich mir schon damals dachte, dass ich vieles in meiner Mutterschaft ebenso empfinden werde, wie du. Nun bin ich seit fast 1 1/2 Jahren Mutter und brauche diese (Zu) Flucht in deinen Blog immer häufiger. Ich habe leider immer das Gefühl, dass mein sozialer Umkreis, meine Art über die Mutterrolle zu denken nicht ernst nimmt, oder dem überhaupt Bedeutung beimisst. Mir fehlt jemand, mit dem ich dieses besondere Erleben einer hochsensitiven Mutter teilen kann. Dein Blog hilft da etwas. Vielen Dank dafür!
Alles Liebe
Christin
Christine sagt:
Liebe Christin,
das ist aber eine schöne Nachricht, dass du meinen Blog schon vor über 1 1/2 Jahren (für dich) entdeckt hast! Ja, so ist das mit der Feinfühligkeit bei uns, nicht wahr? Manches können wir schon vor-empfinden.
Es tut mir leid zu hören, dass du in deinem sozialen Umkreis nicht so offen deine Gedanken teilen kannst bzw. kein ähnliches Feedback zu bekommen scheinst.
Gerne darfst du mir auch eine persönliche Mail schicken, wenn du mal länger reden (oder dir etwas von der Seele schreiben) magst ♥
Schreib einfach an mail@pusteblumen-fuer-mama.de
Alles Liebe dir weiterhin!
Christine
Elle sagt:
Lieber Christine,
ich bin nicht nur Babymama sondern auch Pferdemama. Das kommt natürlich brutal zu kurz grad, dabei flüchten das Ponymädchen und ich uns so gern in den Wald.
Meine Tochter soll eines Tages mal in den Waldkindergarten, in der Hoffnung, sie mag die Natur auch so gern, wie ich.
Christine sagt:
Liebe Elle,
es tut mir leid zu lesen, dass das Reiten derzeit zu kurz kommt; ist es für dich sicher mehr als nur ein „nach draußen kommen und raus aus dem Alltag“…
Ich drücke dir die Daumen für den Waldkindergarten! Wenn sie so sensibel ist wie mein Sohn Maxi, wirst du vielleicht Glück haben! Mein Mini geht z.B. gar nicht gerne raus, obwohl ich mit beiden über Jahre gleich oft in der Natur war ;-)
Liebe Grüße ♥
Anna sagt:
Sei mir nicht böse, aber wenn ich deinen Blog so lese bin ich sehr froh, dass mein Sohn Einzelkind (aka Alleinerbe) bleibt 😉
Ich bin mit 32 erst Mutter geworden und 10 Jahre früher hätte ich mir sicherlich ein 2. Kind auch noch „angetan“. Aber heute nicht mehr. Das wäre so gar nichts für mich.