Mama-Momente

Ein Teelöffel zum Sattwerden


Der Vergleich kam mir einfach durch den Kopf. Ich war müde, erschöpft und am Limit meiner Belastungsgrenze. Fünf freie Tage, an denen der Kindergarten geschlossen hatte. Teamtag, Wochenende, Brückentag, Feiertag. Fünf Tage, an denen ich mich um die Kinderbetreuung, bzw. die Organisation eines Babysitters kümmern musste. Zeit für mich? Rar gesät.

Oh, natürlich, ich hatte immer wieder kleine Momente der Erholung: Als der Mann ein halbes Stündchen im Kaufladen versuchte, den Kindern ein paar Legosteine oder ein angebissenes Bilderbuch abzukaufen. Oder der Nachmittag, als meine Söhne zwei Stockwerke tiefer auf dem Kindergeburtstag des Nachbarsjungen verbrachten. Oder als ich vor der Familienfeier ausgiebig Zeit zum Duschen hatte und mich kein kleiner Junge daran hindern konnte, mich vom warmen Wasser berieseln zu lassen.

Fünf Tage, die ich also nicht vierundzwanzig Stunden alleine wuppen musste. Und dennoch reichten die kurzen Momente der freien Zeit nicht, um wieder vollständig zu regenerieren. Zu viel Trubel, zu viel Gewusel schwirrte in Form von zwei kleinen Energiebündeln und der minütlichen Frage nach dem nächsten Programmpunkt um mich herum.

Hier bitte schön, ein Teelöffel voll hochwertiger Nahrung.
Jetzt iss’ dich mal richtig satt!

So ging es mir durch den Kopf. Als ich wieder „nur“ eine halbe Stunde für mich hatte. Als die Kinder „nur“ drei Stunden auf der Geburtstagsparty waren. Als ich „nur mal eben“ duschen konnte. Zeitlich gesehen für mich alles Teelöffel voll Seelennahrung. Köstlich, aber eben nicht ausreichend, um den Hunger zu stillen, die Akkus wieder voll aufzuladen.

Egoistischer Anspruch oder überlebensnotwendiges Ermessen? Nur in meinem entspanntesten Zustand kann ich die beste Mutter für meine Kinder sein. Die zwanzig Minuten Lesen auf der Couch nach einem kinderreichen Tag reichen manchmal gerade mal aus, um Mini und Maxi anschließend gelassen ins Bett bringen zu können. Danach krieche ich erschöpft Richtung Feierabend.

Mein Mann ist auch ein ganz Sensibler, kann viele Dinge nachempfinden. Die Sehnsucht nach dermaßen viel freier Zeit, wie ich sie hege, versucht er noch zu verstehen. Ihm reicht ein halbes Stündchen unter seinen Kopfhörern. Mal einmal am Tag, mal einmal die Woche. Für mich völlig undenkbar.

Ein Teelöffel zum Sattwerden
Früher, als ich noch kinderlos und unwissend meines hohen Bedürfnisses nach Ruhe war, hätte ich wohl auch nicht verstanden, wenn eine Mutter sich beklagt, weil sie ihren Nachwuchs bereits nach drei Stunden wieder bei der Nachbarin einsammeln muss. Drei Stunden, was kann man da schließlich alles machen! Nervös auf die Uhr schielen und viertelstündlich die verbleibende Zeit ausrechnen, so wie ich es tue, zum Beispiel.

Klingt anstrengend? Ist es auch. Klingt unentspannt? Das ist es in der Tat. Und vor allem so unproduktiv zum Akkus-Aufladen. Dennoch sitzt die Zeit mir ständig als Gegenspieler im Nacken. Irgendwer muss schließlich immer irgendwann von Irgendwo abgeholt werden oder kommt gleich zur Tür herein. Wer da nicht vorbereitet ist, den überkommt der Druck ganz plötzlich. Jetzt aber schnell – Ein Motto, das mir so gar nicht schmeckt.

Selbstbestimmtheit.
Das ist es, was mir als Mutter so oft fehlt.

Aber tut es das wirklich so oft, wie es sich für mich anfühlt? Was würde sich für mich ändern, wenn ich in kurzen freien Zeiten meinen Blickwinkel verschöbe? Statt die kurze Zeit, die mir noch alleine bleibt, zu bedauern, lieber dankbar zu sein für die Minuten oder Stunden, die ich noch für mich habe? Tatsächlich fällt es mir leichter, auch mit wenig Zeit zum Auftanken auszukommen, wenn ich sie bewusst wahrnehme und sie dankbar genießen kann. Dann brauche ich auch nicht unbedingt drei Stunden, um „erst mal runterzukommen“.

Montags beispielsweise bringe ich die Kinder zwei Stunden zu meiner Mutter. In der Zeit bummle ich durch die Stadt oder setze mich in die Bücherei, ein gutes Buch in der einen und einen heißen Kakao in der anderen Hand. An solchen Tagen fühle ich mich trotzdem entspannt. Weil ich die kurze Zeit selbstbestimmt und achtsam genutzt habe und nicht das Grübeln oder Auf-die-Uhr-Schauen im Vordergrund standen?

Es sind diese kleinen Momente im Alltag, die mir immer wieder Gedankenpausen schenken und mich für eine kurze Zeit von der Fremdbestimmtheit entbinden. Nicht, um leere Akkus wieder voll aufzufüllen, sondern als Anker, mich immer wieder daran zu erinnern, dass es wichtig ist, meine Batterie gar nicht immer erst leer werden zu lassen.

Dann reicht vielleicht öfter auch mal ein Teelöffel voll Zeit zum Sattwerden. Zumindest bist zur nächstgrößeren Mama-Auszeit.

4 Gedanken zu „Ein Teelöffel zum Sattwerden“

  1. Fee sagt:

    Hallo Christine,
    ich bin heute auf Deiner Seite gelandet beim googlen nach hochsensiblen Müttern, wie ich selbst eine bin :-)
    Habe einige Deiner Beiträge gelesen und finde Deine Seite erfrischend ehrlich und mutmachend. Auch die Auswahl des Blogtitels ist einfach klasse und so zutreffend für hochsensible Mamas.
    Es gehört eine Menge Mut dazu die Dinge so offen anzusprechen wie Du es tust. Leider fühlt man sich als hochsensibler Mensch in der Gesellschaft so oft unverstanden und traut sich nicht seine Gefühle und Gedanken mit anderen Menschen zu teilen aus Angst vor Vorurteilen und Ablehnung. Großen Respekt für Deinen Mut und viel Erfolg weiterhin. Vor allem wünsche ich Dir viele schöne und glückliche Familienmomente.

    Liebe Grüße,
    Fee

    1. Christine sagt:

      Vielen, vielen Dank für all deine lieben Wünsche und Worte (auch zu meinem Blogtitel!) :)
      Es freut mich, dass es dir auf meinem Mama-Blog so gut gefällt! Nimm‘ dir bei Gelegenheit gerne einen Schokopudding aus meinem Kühlschrank, aber lass‘ dich von meinen Jungs nicht erwischen ;-)

      Liebe Grüße
      Christine

  2. Bröckchen sagt:

    Liebe Christine,

    Danke (!) für Deinen Blog und das Aufmerksam-Machen auf das Thema hochsensible Mütter. So oft habe ich mich gefragt, warum es einfach nicht reicht wenn meine Mama den Kleinen am Tag nimmt oder der Papa sich am Wochenende so intensiv um ihn kümmert.

    Warum ist es trotzdem so, dass ich beim Kreischen meines Sohnes zusammenzucke und sein Geschrei meinen Puls auf 180 bringt. Warum bekomme ich Schweissausbrüche wenn das Kind weint und ich es nicht beruhigt bekomme? Darauf hat Dich bei aller Vorfreude auf das gewünschteste Wunschkind niemand vorbereitet. Und am Härtesten: Niemand hilft Dir – Du gilst als überspannt, zickig und harte Mutter, weil Du immer am Limit Deines Nervenkostüms agierst.

    Bisher war mir nicht klar warum und jetzt ist soviel eindeutig. Danke.

    1. Christine sagt:

      Hallo Bröckchen,

      ich danke dir ganz herzlich für deine lieben Worte zu meinem Blog! Es freut mich wirklich sehr, wenn meine Gedanken und Erfahrungen auch anderen hochsensiblen Müttern weiterhelfen.
      Vielleicht hilft dir auch einer meiner aktuellen Beiträge weiter über das Innere Kind – ich habe mit der Zeit nämlich festgestellt, dass manche Reize mich wesentlich stärker belasten (triggern) und ihre Ursache in meiner eigenen Kindheit haben. Aber das muss bei dir ja nicht zwangsläufig auch noch dazukommen – es reicht ja oft schon, „nur“ hochsensibel zu sein ;-)

      Alles Liebe dir weiterhin! Wenn du mal jemanden brauchst, bei dem du dir etwas von der Seele schreiben willst, schreib mir sehr gerne an mail@pusteblumen-fuer-mama.de!

      Herzlichst,
      Christine

Was sagst du dazu? Schreibe einen Kommentar!

Dein Kommentar wurde nicht (oder nur unvollständig) freigeschaltet? Lies hier, warum!