Der Regen schimmerte wie viele kleine Glitzerpunkte an der Fensterscheibe. Draußen war es schon dunkel geworden und das Licht der Kerzen leuchtete warm und golden. Ich ließ mich mit Kopfhörern auf den Ohren in meinen Lesesessel fallen und nahm einen großen Schluck aus meiner heißen Lieblingstasse. Ein Lächeln umspielte meine Lippen, aber irgendwie war es mehr als das: Es lächelte mein ganzes Ich, allen voran mein Mutterherz. Ich hatte das Abenteuer namens alleinige Kinderbetreuung nicht überlebt, nein, ich hatte es gemeistert.
Von „Jammern auf hohem Niveau“ war die Rede. Von „Problemchen lifestyliger „Generation-Y“-Mütter“. Mit diesen Worten teilte ein Frauenmagazin auf Facebook meinen Beitrag, in dem ich offen von meiner Panik bezüglich der sechsunddreißig Stunden allein mit meinem Fünfjährigen zuhause sprach. Denn Panik war nicht untertrieben. Schon Tage bevor mein Mann diesen Geschäftstermin am östlichsten Ende Deutschlands hatte, schmerzte mein Magen, war mein Brustraum eingeengt, dass mir die Luft wegblieb.
Für Mütter, die diese absurd anmutende Angst noch nie durchgemacht haben, mag es tatsächlich ungläubig und ausgesprochen therapiebedürftig klingen. Eine Mutter, die Furcht vor der Begegnung mit ihrem eigenen Kind hat! Und jetzt sitze ich hier, einen Abend später, lasse mich von sanfter Musik und gedämmten Licht einhüllen und trage immer noch keine Zwangsjacke. Erschreckend.
Stattdessen trage ich etwas anderes. Ich trage Verantwortung mir und meinem Sohn gegenüber. Nichts anderes tat ich, als mein Mann mich am Abend vor seiner Abreise behutsam an sich drückte und mich nach meiner größten Angst in dieser Zeit fragte.
Dieser Fokus allein auf mir, immer präsent, immer Ansprechpartner und Spielkamerad, Lückenfüller und Bespaßer sein zu müssen. Das war es, was ich ihm gegenüber hervorbrachte. Die Fremdbestimmtheit (mal wieder), die Verantwortung Tag und Nacht alleine zu haben. Das war meine größte Angst. Nicht, dass ein größeres Unglück passieren könnte. Es waren die scheinbar kleinen Dinge, die mich in Panik versetzten und andere als Jammern auf hohem Niveau betrachten.
Gerate ich durch zuviel Input, Genörgel der Kinder und hektisches Gewippel auf den Stühlen in Stress, steigt mein Blutdruck und ich würde am liebsten schreiend wegrennen, irgendwohin, wo ich meine überreizten Sinne wieder zur Ruhe bringen kann. Da das oft nicht geht, werde ich im schlimmsten Fall lauter, knalle Türen oder schreie auch mal rum.
Und jetzt standen anderthalb Tage auf hohem Stressniveau mit meinem Maxi an, Mini war ja noch im Heimaturlaub bei seiner Omi. „Mama, was machen wir jetzt?“ „Mama, mir ist langweilig!“ „Mama, ich will jetzt sofort mit dir basteln!“ Das waren die Horrorsätze, die mir schon am Vorabend wie unheilvolle Vorahnungen an den nächsten Tag durch den Kopf schwirrten, während ich meinem Mann auf dem Sofa mein Leid klagte.
„Möchtest du einen Tipp von mir hören?“ Die Frage kam vorsichtig, mein Mann weiß meine Stimmungen schon gut einzuschätzen. An diesem Abend kam mir aber jeder gutgemeinte Ratschlag nur Recht. „Versuche doch einmal, den Takt des Nachmittagprogramms vorzugeben, dir Zeit zu verschaffen zwischen einzelnen Aktivitäten mit Maxi. Du wirkst oft so gehetzt und getrieben. Unser Sohn hat gelernt, dass er nur „Hier!“ schreien muss und du kommst.“
Bumm! Das saß. Merkwürdigerweise fühlte ich mich zwar ertappt, aber nicht unangenehm, sondern eher erleichtert, dass hier Jemand mein Problem erkannt hatte, also brauchte ich nicht mal beleidigt zu reagieren.
Ja, er hatte voll ins Schwarze getroffen. Die Angst vor einer entstehenden Leere zwischen zwei Programmpunkten hatte mich all die Jahre dazu getrieben, sofort die nächste Aktivität dranzuschieben, um bloß keine gelangweilten und daraus resultierend schlecht gelaunten Kinder ertragen zu müssen. Basteln fertig? Okay, wir lesen was. Buch zuende? Dann lass uns jetzt was spielen. Du möchtest nicht mehr spielen sondern kneten? Ja, ich hole die Knete ja schon, mein Kaffee kann warten…
Kein Wunder, dass ich mich im Alltag mit meinem Sohn so oft fremdbestimmt fühle, wenn ich mir nicht mal eine Pause gönne. Aber vielleicht war genau das der richtige, wenn auch anstrengende Weg, um die Zügel wieder in die Hand zu nehmen, mich nicht wie in einem rollenden Holzfass zu fühlen, das, einmal über den Rand des Hügels geschoben, immer weiter an Fahrt aufnimmt und nicht mehr zu bremsen ist.
„Was machen wir jetzt?“ Die Standardfrage meines Ältesten hat ein „Hallo Mama“ beim Nachhausekommen schon lange abgelöst. Täglich fängt für mich um kurz vor drei mit dieser Frage mein Nachmittag und damit auch mein Stress an. Mein Sohn erwartet Beschäftigung, die ich mir für ihn ausgesucht habe und zwar direkt nach dem obligatorischen Gang zum Waschbecken.
„Ich möchte jetzt erst noch meinen Kaffee in Ruhe austrinken, such dir doch bis dahin schon mal alleine eine Beschäftigung.“ Mit dieser Aussage hatte mein Sohn wahrlich nicht gerechnet. Wahrscheinlich genauso wenig wie mit der Tatsache, dass ich den Knopf der Senseo erst just in dem Moment gedrückt hatte, als ich den Kindergartenbus vor unserem Haus vernahm. Aber das musste er ja nicht wissen.
Ich fühlte mich wie bei einem Referat, in dem der Lehrer auf die Uhr schaut und darauf achtet, dass wir uns auch ja an die Mindestzeit für unseren Vortrag halten. Fünf Minuten, die hatte ich mir verordnet. Schluck für Schluck trank ich meinen Kaffee und bei jedem Mal wurde ich innerlich ruhiger. Verrückt. Sollte dieser simple Trick wirklich etwas in mir verändern? Was wäre, wenn es auch etwas bei meinem Sohn veränderte? Würde er auf Dauer dadurch auch entspannter werden? Kam er möglicherweise schon angespannt zuhause an, in Erwartung eines ungebremsten Nachmittagsprogramms?
Maxi suchte sich derweil schon ein Buch aus, das er nach meinem Kaffee vorgelesen bekommen wollte und blätterte leise neben mir auf dem Sofa darin, während seine Mutter immer entspannter atmete und sich vorkam wie Dorothy in der Geschichte „Der Zauberer von Oz“, die am Ende feststellt, dass die silbernen Schuhe, die sie die ganze Zeit trug, magische Macht besitzen, sie nach Hause zu bringen.
Und so handhabte ich es denn die nächsten zwei Tage. Bewusst schob ich zwischen jeden Wechsel der Spielaktivitäten eine kleine Pause. „Mama, können wir jetzt was lesen?“ „Gerne Maxi! Gib mir aber noch fünf Minuten. Ich brauche noch kurz Zeit für mich.“ Sicherlich ist das ein krasser Gegensatz zu früher, wo ich in solchen Momenten nur Zeit zum einmal Ein- und Ausatmen hatte, bevor mein Atem für fünfundzwanzig Minuten „Pettersson und Findus“-Vorlesen verplant war.
Auf Dauer wünsche ich mir auch eine flexible Handhabung. Weder das eine Extrem -von einer Aktion zur nächsten hetzen- noch das andere -alle zehn bis fünfzehn Minuten eine Mama-Pause einlegen. Aber im Moment halte ich es sinnvoll für uns beide. Für Maxi, dass er lernt, sich auch mal zu langweilen, sich seine Beschäftigung alleine zu suchen und vor allem, dass das Leben nicht eine einzige Aneinanderreihung von Action-Szenen ist, wo immer was los sein muss.
Und für mich ist es sinnvoll, dass ich lerne, sowohl das gelangweilte Genörgel meines Sohnes auszuhalten, als auch achtsamer auf mich zu schauen. Wie sehr bin ich gestresst? Brauche ich eine kurze oder eine längere Pause? Möchte ich gleich wirklich mit Maxi in seinem Zimmer „Hund, Katze, Maus“ spielen oder schlage ich ihm lieber eine Alternative vor? Und dann zu spüren, wann ich wieder so gut wie möglich in meiner Mitte bin, um dann aus einer inneren Ruhe weitermachen zu können und nicht aus einer Getriebenheit. Es ist ein Weg zu mehr Selbstbestimmung in einem doch sehr von Kindern gelenkten Leben.
Zu gerne würde ich jetzt schreiben, dass diese Einführung von kleinen Pausen der goldene Weg zur Lösung meiner Probleme sei. Das wäre der perfekte Abschluss dieses Beitrags und mein Ticket zu einem neuen Lebensgefühl in meiner Mutterrolle. Aber so ist es nicht. Nicht nur, dass mir die Umsetzung und konsequente Einhaltung der Pausen immer noch schwerfällt (das schlechte Gewissen lässt grüßen), es entstresst leider nicht meinen gesamten Mutteralltag.
Es ist möglicherweise nur ein einzelner, kleiner Backstein in dem Gebäude namens Mutter-Kind-Beziehung, aber es ist eben ein Backstein, der sich bemerkbar machte, würde er fehlen.
Und so erfolgreich wie die beiden Nachmittage mit meinem Sohn waren, so kurz und unentspannt war meine Nacht. Nicht, weil etwas mit Maxi war (den musste ich am nächsten Morgen sogar wecken), sondern weil mich meine innere Unruhe, er könne jeden Moment wach werden, nur phasenweise schlafen ließ.
Das Einzige, was mir nachts um drei dabei half, nicht wütend deswegen zu werden, war meine Bereitschaft, die Tatsache zu akzeptieren. Jetzt half nur langsam und bewusst weiteratmen und die Dinge geschehen lassen, egal, ob ich wieder einschlief oder nicht.
Ich schaute in die Kerzenflamme, die langsam und unablässig vor sich hin tanzte. Ich lauschte der Musik, die sich nicht nur ihren Weg zu meinen Ohren, sondern auch zu meinem Herz bahnte. Und dann blickte ich nach links zum Sofa und mein Lächeln wurde noch eine Spur breiter. „Schön, dass du wieder da bist“ formulierte ich in Gedanken, aber ich glaube, mein Mann konnte Gedanken lesen. Er lächelte nämlich auch.
Lea sagt:
Liebe Christine,
kommt mal wieder genau richtig, wie immer! Nächste Woche steht uns eine tagesmutterfreie Zeit ins Haus, also fünf Tage ausgiebige Mamazeit. Nun ja, also – du kannst es vermutlich erahnen. Ich habe schon Listen gemacht mit Dingen, die wir machen können, aber deine fünf Minuten, die schreibe ich mir dick auf die Hand. Das werde ich kopieren!
DANKE
Lea
Christine sagt:
Liebe Lea,
was für ein wunderbarer Zufall :)
Aber es scheint mir, als wärst du in letzter Zeit häufig auf dich allein gestellt in der Kinderbetreuung, kann das sein?
Ich wünsche dir ganz viel Kraft für die anstehenden Tage und freue mich sehr, wenn du „meine fünf Minuten“ kopierst!!
Erzähl‘ dann mal, wie es bei dir funktioniert hat, würde mich freuen!
Herzliche Grüße
Christine
Lea sagt:
Hej ho,
nein, es geht wirklich normalerweise, aber wie so häufig kommt alles zusammen. Die zwei Tage alleine stehen Anfang Dezember an, die nächste Woche ist er ja zum Glück da, aber eben nur morgens bis er zur Arbeit fährt und ab abends dann. Den Tag managen der Lütte und ich :D
Ilka sagt:
Liebe Christine, ich kann es so gut nachempfinden, welche Panik in Dir aufkommt, wenn Dein Mann weg ist. Bei mir ist es nicht anders. Schlimm, finde ich auch, dass immer so schnell geurteilt wird. Lass die Leute reden, sie haben wohl sonst nichts…! Mein Mann ist zum Glück ganz selten über Nacht weg, aber mir reicht manchmal schon ein ganzer Tag, die alleinige Verantwortung zu tragen. Du hast es toll gemeistert und sei stolz auf Dich! Das mit den 5 Minuten werde ich auch ausprobieren. Bin gespannt, denn mein Sohn kann null und ich meine wirklich null warten. Meistens endet das in einem Wutanfall. Ich muss wahrscheinlich lernen den dann auszuhalten.
Ich würde Dir gerne mal wieder eine ausführliche Email schreiben, bin nur gerade so ko!
Herzliche Grüße von Ilka
Christine sagt:
Ja, schnelle Urteile werden oft genug gefällt, wie in vielen Bereichen des Lebens. Manchmal vergessen wir dabei, dass Jeder sein eigenes Päckchen zu tragen hat, von dem wir zu wenig die genauen Umstände kennen.
Ich freue mich auf deine Mail und bin gespannt, wie dein Sohn mit den 5-Minuten-Pausen zurecht kommt!
♥-lichst Christine
Lisa sagt:
Liebe Christine,
ich wollte dir einfach mal sagen, wie toll ich deinen Blog finde. Ja,auch ich als selbst Hochsensible muss manchmal schlucken oder über einen Artikel eine Weile nachdenken. Aber meiner Meinung nach liegt genau darin deine Stärke: Dass du absolut offen und ehrlich schreibst. Damit polarisierst du bei manchen Artikeln, gibst gleichzeitig aber auch so vielen Müttern Kraft, weil man über so etwas eigentlich nie im Alltag mit anderen Müttern redet und jeder das Gefühl hat, damit allein zu sein.
Danke für diesen Mut (und das Aushalten von Gegenwind).
Lisa
Christine sagt:
Liebe Lisa,
ich möchte dir ganz herzlich danken für deine Worte und für deine Ehrlichkeit in dieser Sache ;-)
Aushalten von Gegenwind, da sagst du was! Ich gebe zu, es fällt mir nicht immer leicht, auch wenn ich weiß, dass das zum Bloggen dazugehört, wenn man öffentlich seine Meinung bekundet. Ich weiß auch nicht, ob ich so manchen Gegenwind als „hochsensible Christine“ aushalten würde. Aber als „bloggende, hochsensible Christine“ geht es leichter, weil ich genau weiß, dass ich nur somit die Chance habe, anderen Müttern in ähnlichen Situationen Mut zuzusprechen. Und wenn bisher auch nur eine Mutter geschrieben hätte, dass ihr meine Texte gut tun, wäre mein Plan aufgegangen. Dass es aber mal so viele sein würden, ist wirklich mehr, als ich mir erhofft habe und Motivation genug.
Ganz liebe Grüße
Christine
Elle sagt:
Liebe Christine,
du wirst es nicht glauben, aber ich beneide dich um dieses Problem. Meine Tochter ist noch meilenweit davon entfernt zu verstehen, dass Mama eine Pause benötigt. Noch für lange, lange Zeit muss ich 24h parat stehen. Es erdrückt mich, es macht mir Angst und es treibt mir die Tränen in die Augen. Wenn ich nicht umgehend ihre Bedürfnisse erfülle, weint oder schreit sie. Ungeachtet dessen, ob ich müde, hungrig oder traurig bin. Ich kann ihr keinen Vorwurf machen, sie ist erst drei Monate alt. Aber ich zerbreche fast daran, vor Müdigkeit und Traurigkeit, dass mein altes Ich immer kleiner wird am Horizont. Es ist ein täglicher Kampf gegen die Zeit, die ich zu verstreichen herbeisehne. Und damit auch gegen mein Gewissen. Es wird immer dieser Schatten über ihren ersten Monaten liegen.
Aber das hilft dir nicht. Du stehst jetzt im Regen und bist jetzt nass. Da hilft es nicht zu wissen, dass die Sonne irgendwann wieder scheint.
Viele Grüße,
Elle
Sabrina sagt:
Liebe Elle,
das hast du sehr schön ausgedrückt, so traurig es auch ist…:-(
Mir geht es ähnlich, wobei ich sagen muss, dass meine Tochter mit 15 Monaten wenigstens in der Lage ist, sich hin und wieder alleine zu beschäftigen, wenn ich daneben sitze.
Ich wünsche dir und allen anderen Mamas hier ganz viel Kraft!
Sabrina
Christine sagt:
Liebe Elle,
ich fühle so sehr mit dir, weil ich mich noch genau an diese anstrengende Babyzeit erinnere! Und ich würde sie nicht noch einmal durchmachen wollen. Ich weiß, es hilft dir jetzt nicht, dass es irgendwann besser wird. Und auch nicht der Spruch, dass die Zeit rückblickend schnell vergehen wird. Deine Zeit ist jetzt und du musst da durch :( Ich wünsche dir sehr, dass du liebe Menschen an deiner Seite hast (und noch bekommen wirst), die dir viel abnehmen können und dir alleinige Momente für dich schenken. Versuche täglich, wenn auch nur für fünf Minuten, dein altes Ich zu treffen. Mir hat es über viele Monate geholfen, abends vorm Schlafengehen drei tiefe Atemzüge am Fenster zu nehmen. Nein, das ist nicht viel, aber jeden Abend dachte ich „Siehst du, schon wieder einen Tag geschafft!“
Versuche, den Schatten der ersten Zeit (auch, wenn er noch länger bleiben würde) zu akzeptieren. Noch mehr Kämpfe solltest du jetzt nicht ausfechten. Schon gar nicht gegen dich selbst ♥
Liebe Grüße
Christine
Sabine Golkhatmi sagt:
Liebe Christine, du sprichst mir ungelogen in allem aus dem Herzen!!!!!! Unglaublich! Mir geht’s einfach ganz genau so!!!
Christine sagt:
Liebe Sabine,
ich weiß nicht, ob ich lächeln oder weinen soll, wenn ich deine Worte lese ♥
Ich wünsche dir ganz viel Kraft weiterhin!!
Alles Liebe
Christine
mARi sagt:
Liebe Christine!
Das klingt nach einem guten Schritt, auch wenn es nur ein kleiner Baustein ist. Ich freue mich für dich.
Bei meiner Tochter (20 Monate) habe ich in den letzten Wochen die Beobachtung gemacht, dass sie erst eine gewisse Schwelle der Frustration überwinden muss und sich danach ein Weg für sie öffnet, ganz vertieft alleine zu spielen. Das kam so, dass ich mich an manchen Stellen einfach geweigert habe, ihrem Wunsch nach gemeinsamem Spiel, Vorlesen o.ä. nachzugeben (ich gebe zu: nicht ohne schlechtes Gewissen; aber ich neige dazu, bei Reizüberflutung eine „lasst mich alle in Ruhe!“-Haltung einzunehmen.) Sie hat einige Minuten gemotzt, geweint, gequengelt oder geschimpft und ist dann abgezogen Richtung Kinderzimmer. Ein paar Mal habe ich ihr dann tatsächlich auch zugesehen und war total erstaunt, wie kreativ, vertieft und ausdauernd sie dann spielt. Wenn sie danach wieder zurückkommt, weiß ich, dass ihre Geduld dann aufgebraucht ist und sie wieder einen Impuls von mir braucht – oder einfach die Nähe. Dann bin ich aber auch wieder eher bereit, mich ihr zuzuwenden. Ich mache es seitdem immer so: Ich fordere sie zum Spielen auf – oft muss ich das schon gar nicht mehr – und danach nehme ich mir wieder bewusst Zeit für sie. Ich glaube, sie genießt beides: Das Unbeobachtet-Sein, das Vor-sich-hin-Spielen und Ideen-entwickeln; und dann wieder die Nähe und den Austausch. Bestimmt brauchen die Kinder beides! Denn im Zentrum unserer Aufmerksamkeit zu stehen, ist sicher auch für sie auf Dauer anstrengend.
Ein Hoch auf den Kaffee zwischendurch!!! :-)
Christine sagt:
Liebe mARi,
beim letzten Nachhausekommen von Maxi (und der Aufforderung, erst einmal alleine etwas zu spielen), habe ich an dich gedacht. Maxi zeigte nämlich genau die gleichen Verhaltensweisen wie bei deiner Tochter. Und ich stand daneben und versuchte, es einfach mal auszuhalten. Es hat tatsächlich nicht so lange gedauert wie befürchtet. Als er dann das nächste mal wieder zu mir kam, konnte ich auch besser auf ihn zugehen, vor allem, weil er durch das alleinige Spielen schon ein wenig „runtergekommen“ war.
Ich danke dir herzlich für deine Meinung und deine Tipps!
Liebe Grüße
Christine
mARi sagt:
Ach, das ist ja wunderbar! :-) Schön, dass es auch bei euch so klappt. Ist ja nicht selbstverständlich – schließlich ist jedes Kind anders… Es klappt bei uns auch nicht immer so – an manchen Tagen funktioniert das Alleine-beschäftigen von Anfang an nicht und dann weiß ich schon, dass sie irgendwas hat (krank, Zähne, Wachstumsschub…). Aber an den guten Tagen lohnt es sich für uns beide, den Frust auszuhalten. ;-)
Eli sagt:
Schöner Beitrag, gefällt mir sehr gut :-).
Mein erster Gedanke nach dem Lesen war, wie dankbar ich dafür bin, dass meine kleine Nudel so eine gemütliche und zufriedene Persönlichkeit ist und so gut zu mir „passt“. Sie kann sich prima alleine beschäftigen und das schon von Beginn an. Am Anfang hatte ich manchmal echt ein schlechtes Gewissen, dass ich das wenige Monate alte Würmchen auch im wachen Zustand ab und an kurz alleine im Raum gelassen habe (natürlich immer in Hörweite) bis ich gemerkt habe…sie WILL gar nicht, dass Mama permanent jede noch so kleinste Bewegung und Regung verfolgt und dann auch noch immer wieder ihren Senf dazu gibt. Für mich als leidenschaftliche Beobachterin eine schwere Lektion ;-). Das Tolle ist, es wird immer mehr Zeit frei tagsüber, die sie mir einfach schenkt, weil sie lieber alleine wurschteln will…und genau das mache ich dann auch^^.
Ich bin alleinerziehend von Anfang an und anders als mit den „Mama-Pausen“ ist der Alltag auch gar nicht zu meistern. Man kann gar nicht oft genug betonen, wie wichtig diese Pausen sind und dass jede Mutter (und natürlich auch jeder Vater) sich diese auch ohne schlechtes Gewissen nehmen darf ;-).
Christine sagt:
Liebe Eli,
vielen Dank für deine Einschätzung! Freut mich sehr, dass du dir selbst auch diese Freiräume schaffst, vor allem, weil du alleinerziehend bist! Schön, dass du es auch als Geschenk empfinden kannst, dass deine Tochter immer mehr Zeit für sich in Anspruch nimmt, obwohl du sie so gerne beobachtest ;-) Sicherlich profitiert ihr beide davon!
Alles Liebe dir
Christine