„So nervig die Kinder manchmal auch sind; ein Leben ohne sie kann man sich ja doch nicht mehr vorstellen, oder?“ Meine Freundin Daniela und ich frühstückten in diesem netten Café bei ihr um die Ecke, und ich nahm gerade einen großen Schluck von meinem Cappuccino, als sie mir diese Frage stellte. Eigentlich war es nicht mal eine ernst gemeinte Frage, mehr eine rhetorische Floskel, die ich schon von zig anderen Müttern zuvor gehört hatte, immer begleitet von diesem verträumten Gesichtsausdruck, der ihren Töchtern oder Söhnen galt.
Daniela kenne ich aus meinem Geburtsvorbereitungskurs, ihr Sohn Levin und unser Maxi sind in einem Alter und wir Mütter teilen dementsprechend in etwa die gleichen Erfahrungen, was Lust und Frust mit einem Zweieinhalbjährigen angeht. Ich antwortete mit einem „Ja sehe ich auch so“, aber irgendwie machte sich schon in diesem Moment ein Gefühl in mir breit, dass ich nicht ganz die Wahrheit gesagt hatte.
Dem deutschen Schauspieler Moritz Bleibtreu platzte in einem Interview einmal heraus, dass ihn sein (damals fünfjähriger) Sohn manchmal gehörig zur Weißglut treiben würde. Er sprach offen über so einiges, das bei Promi-Mamis wie nichtberühmten Müttern gleichermaßen für viel Furore sorgte. Wer so über sein Kind reden würde, liebte es womöglich gar nicht! Ich muss zugeben, dass ich Herrn Bleibtreu stattdessen für so viel Offenheit bewunderte, gerade, weil er in der Öffentlichkeit steht.
Ich kenne solche Momente auch. Wo einem das eigene Kind dermaßen auf die Nerven geht, dass man es am Liebsten aus dem Fenster werfen oder enterben möchte. Und trotzdem tut man nichts von Allem. Ich vermute, solche wütenden Gefühle seinem Sohn oder seiner Tochter gegenüber kennen viele Eltern, auch, wenn sich das nicht schön anfühlt, das ist doch ganz klar! Wenn ich mein Kind liebe, wie könnte ich da wütend auf es sein? Na, weil Kinder auch nur Menschen sind. Und die lernen ganz schnell, womit sie Mama und Papa den letzten Nerv rauben können.
Und meine beiden Söhne können das außerordentlich gut. Wenn sie im Minutentakt Wutanfälle kriegen, weil a) die Farbe des T-Shirts verkehrt, b) die Zubereitungszeit des Mittagessens zu lang oder c) sowieso grad alles doof ist und bemeckert werden muss. Die Leidtragenden sind Mama und Papa. Denn hier wird in einer Tour geschrien, genörgelt, gejammert und gebrüllt. Als ob wir unsere Aus-dem-Fenster-Werf- oder Enterbungs-Theorien bereits durchgeführt hätten. Oder beide zusammen.
„Kinder geben dir ja so viel zurück, das wiegt alles wieder auf!“ Ein Satz, den ich nicht nur während des Frühstücks mit Daniela gehört habe. Klar, es gibt sie, die schönen Momente des Mama-Daseins, über die selbst ich, als ständig nörgelnde Mutti, berichten kann. Aber machen diese Momente alles wieder wett? All die schlaflosen Nächte, weggeschmissenen Essensreste, vollgekotzten Betten? Wenn es nur das wäre!
Für mich persönlich ist es besonders schlimm, noch keine Dankbarkeit von meinen Kindern zu erfahren. „Danke Mama, dass du dir die Mühe gemacht hast, mir heute dreimal neue Kleidung anzuziehen. Dass du mir Nudeln gekocht hast, weil ich Gulasch nicht mag. Dass du bei Regen mit mir rausgehst, während du deine Lieblingsserie verpasst.“
Natürlich kann ich so was nicht von einem Zweijährigen erwarten. Aber es kostet mich wahnsinnige Energie, immer alles hinzunehmen, alles so gut wie möglich machen zu wollen und viel von meiner Freizeit opfere für zwei Kinder, die das Ganze noch nicht zu schätzen wissen, sondern, im Gegenteil, mit Geschrei kommentieren, wenn etwas nicht läuft, wie es ihnen passt.
„Tja, hättest du dir wohl vorher überlegen müssen, ob du Kinder willst“ könntest du jetzt denken. In dem Ausmaß konnte ich es mir nicht ausmalen. Und vielleicht ist das auch gut so, dass man das als kinderlose Frau nicht kann. Vielleicht gäbe es sonst ein paar Kinder weniger auf der Welt.
Die Zeiten meiner postpartalen Depression sind Gott sei Dank vorbei. Und dennoch gebe ich offen zu, dass ich mir sehr wohl ein Leben ohne Kinder wieder vorstellen könnte. Es ist eine neutrale, nüchternde Feststellung. Natürlich wäre es erst einmal wieder eine Umstellung, mein Leben ohne Kinder zu organisieren und zu leben. Und klar, würde auch eine ganze Menge fehlen.
Aber vielleicht wäre da auch eine Spur mehr Leichtigkeit. Mehr Raum für meine Ehe. Mehr Platz für Spontaneitäten. Gut möglich, dass ich in ein paar Monaten oder Jahren genauso reden werde wie meine Freundin Daniela und all die Mütter, die sich schon eine Minute nach dem Blick auf den positiven Schwangerschaftstest ihre Zukunft nicht mehr ohne Nachwuchs vorstellen konnten.
Aber noch sind mir zwei Jahre und acht Monate nicht lang genug, um mit verträumten Gesichtsausdruck all die anstrengenden Kleinkindphasen wegzulächeln.
Foto mit freundlicher Unterstützung von © Seemi Samuel
Rosalie sagt:
Keine Sorge, niemand denkt, dass du deine Kinder nicht liebst. Das beweist ja schon dieser Blog zu Genüge.
Ich kann mir tatsächlich nicht mehr vorstellen, wie es wäre ohne Kinder. Einfach, weil ich mich tatsächlich kaum daran erinnere, was ich vorher getan hab. Arbeit und Mann blieben mit Kindern die gleichen bisher. Und ich hab schlicht seither keine Zeit mehr mich daran zu erinnern, was man den ganzen Tag so macht, wenn man gar keine Kinder hat. Dabei hab ich viel Zeit am Tag und generell ohne Kinder. Zeit für mich, Zeit zum Arbeiten etc. Aber so die Vorstellung ganz ohne Kinder haben diese unsäglichen Hormone weggefressen.
Noch etwas anderes. Das Schreien und Toben und Streiten und Trotzen – das wird immer als etwas beschrieben, was eine vermeintliche Distanz zwischen Kind und Eltern darstellt. Klar, deine Kinder können dir nicht für das Mittagessen danken. Aber die Tatsache, dass sie so anstrengend sind ist vielleicht auch kein Zeichen von Undankbarkeit oder Gleichgültigkeit. Man kann es auch anders herum sehen. Dass deine Kinder sich so anstrengend verhalten ist ein Zeichen von Vertrauen, von gnadenloser Liebe. Das meine ich wörtlich, denn gnadenlos ist es bisweilen schon.
Aber Kinder würden sich ja glatt die Hand abhacken, wenn Mama oder Papa das verlangen würde, um sie zu lieben. Kinder würden für die Lieben der Eltern einfach alles tun. Und sie sind vollkommen abhängig von den Eltern – physisch und emotional.
Wenn du so total abhängig wärst von jemanden, was würdest du tun? Wahrscheinlich wärst du vorsichtig, besonders zuvorkommend und ängstlich. Du würdest nicht wüten, schreien, beißen etc. Oder?
Sie es also mal so: Deine Kinder haben keine Angst, dass sie dich vergraulen und deine Liebe verlieren – egal wie schlimm sie sich aufführen und wie genervt du bist. Das ist ein verdammt gutes Zeichen. Denn glaub mir, es gibt Kinder, die wirklich Angst kennen, die daran verzweifeln alles richtig zu machen, damit sie nur der Mama/dem Papa gefallen. Aus diesem Grund ertragen viele Kinder Gewalt und Missbrauch und nehmen die Eltern dann sogar noch in Schutz. Das gibt es leider häufig genug.
Natürlich hilft einem diese Sichtweise nicht unbedingt weiter, wenn das Kind wütend um sich schlägt. Aber vielleicht hilft es in den kurzen Momenten danach. Vielleicht hilft es sich zu beruhigen und dem Kind in diesen Momenten den Trost zu spenden, nach dem es eigentlich verlangt und ihm zu sagen, dass man es lieb hat. Deine beiden sind groß genug, um dir dann auch wieder die Dankbarkeit zu zeigen, dass genau du ihre Mama bist. Und der Große wird dir das auch sehr bald sagen können.
Ein Leben ohne Kinder? Es ist müßig, sich das auszumalen. Der Zug ist bereits abgefahren…