Trüb sind die Tage, seit das Kind da ist. Erdrückend die Stille, die im Haus herrscht. Wo früher Lachen und Leben die Hauptrolle gespielt haben, kriecht jetzt die Depression in alle Ecken. Nicht nur für die betroffenen Mütter ist die Welt nicht mehr in Ordnung, auch die Partner und Angehörigen wissen so langsam nicht mehr weiter, fühlen sich hilflos und erschöpft. Vielleicht sagen sie Sätze, die helfen sollen. Vielleicht machen sie es mit manchen aber auch noch schlimmer. Ich litt nach der ersten Geburt monatelang unter postpartalen Depressionen und werde hier auf die fünf beeinflussendsten Sätze eingehen, die man einer Betroffenen nur sagen kann.
1. „Das geht schon wieder weg“
Ein schwieriger Satz. Solange es sich nicht um eine echte Wochenbettdepression, sondern lediglich um den Baby Blues, den typischen „Heultag“ nach der Geburt handelt, schadet so ein Satz sicher nicht. Im Gegenteil, dann kann er sehr aufbauend auf die Neumutter wirken, gerade, wenn er von anderen Müttern stammt, die alle schon mal das gleiche Hormon- und Gefühlschaos nach der Geburt mitgemacht und ebenso schnell und unbeschadet überstanden haben. Leider kann man eine depressive Verstimmung jedoch nicht immer auf den ersten Blick genau zuordnen.
Steckt die Mutter bereits in einer beginnenden, echten postnatalen Depression, kann der Schuss mit diesem nett gemeinten Satz auch arg nach hinten losgehen. Als ich mich etwa zwei Wochen nach der Geburt schweren Herzens meiner Hebamme anvertraute, weil ich merkte, dass da mehr war als bloß eine hormonelle Umstellung in meinem Körper, fiel von ihr genau dieser Satz: „Das wird schon wieder.“ Schulterklopfen und weg war sie.
Leider bewirkte das bei mir genau das Gegenteil einer Aufmunterung. Ich fühlte mich nicht ernst genommen und vertraute mich auch lange Zeit danach erst einmal Niemandem mehr an. Ein gut gemeintes „Das geht schon wieder weg“ kann dann Gift für die depressive Mutter sein, vor allem, wenn es nämlich (logischerweise) nicht „einfach schon wieder wird“ und von selbst verschwindet. Im schlimmsten Fall fühlt sich die Mutter dann auch noch schuldig, weil sie denkt, dass sie ja anscheinend irgendetwas falsch macht oder sich doof anstellt. Sehr kontraproduktiv!
2. „Ich bin für dich da!“
Balsam für die Mutterseele, wenn er wirklich ernst gemeint ist. Eine Freundin, die Hilfe anbietet, aber ihr Versprechen dann nicht in die Tat umsetzt, kann mit solch einem Satz mehr Schaden anrichten. So eine Art von Enttäuschung kennen wir ja alle ja eh schon aus dem „normalen Leben“ – für hochsensible und dazu noch depressive Mütter wiegt so eine nicht eingehaltene Aussage noch schwerer.
Im positiven Fall kann so ein Satz eine wahre Stütze für die betroffene Mutter sein. Welche Art von Hilfe dann die Beste ist, kann nur die Betroffene selbst formulieren. Vielleicht ist sie dankbar für die Freundin, die sie auch nachts in ihrer Verzweiflung ohne Bedenken anrufen kann. Oder sie freut sich über Hilfe im Haushalt oder wenn die Familie ihr so oft es geht das Kind abnimmt.
Aber auch hier ist einfühlsames Zuhören und Wirken das oberste Gebot: Gerade hochsensible Mütter genieren sich oft, angebotene Hilfe auch anzunehmen. „Ach nein, es geht auch schon so“ kommt ihnen dann über die Lippen, auch wenn sie sich eigentlich Unterstützung wünschen. Freunde und Angehörige sollten deswegen ruhig immer mal wieder von sich aus nachhören, wie und wo sie der Betroffenen konkret helfen können, ohne sie penetrant zu belästigen. Ich weiß, wir (hochsensible) Frauen sind nicht immer einfach…
3. „Du brauchst therapeutische Hilfe.“
Meistens kommt er aus dem nahen Umfeld, vom Mann oder der Familie. Man hört aus diesem Satz schon heraus, dass Andere bereits eine deutliche Stimmungs- und Verhaltensänderung wahrgenommen haben, die Betroffene sich aber noch nicht eingestehen kann, dass sie alleine nicht mehr zurecht kommt und besser Hilfe von Außen annehmen sollte.
Meist fällt dieser Satz deswegen auch nicht auf fruchtbaren Boden. „Ich komm’ schon klar, das wird schon wieder“ ist eine gängige Antwort von Betroffenen. Für mich eine verständliche Reaktion, immerhin nehmen Frauen per se schon mal nicht gerne Hilfe an. Zudem war die depressive Mutter wahrscheinlich vorher noch nie in ihrem Leben beim Therapeuten oder Psychiater gewesen, sie weiß überhaupt nicht, was sie dort erwartet und überhaupt schwirren ihr wahrscheinlich nur Horrorszenarien von Couch-Sitzungen beim „Seelenklempner“ durch den Kopf, in der Annahme, dass die ganzen Psychodoktoren ja auch nur einen an der Klatsche haben. Außerdem wissen danach dann „Alle“, dass sie total gestört ist und nicht mal ihr Leben mit ihrem eigenen Kind auf die Reihe kriegt.
Wer kann es ihr schon verübeln? Das Bild, das einer werdenden Mutti vermittelt wird, ist eben das der glücklichen Mama, die vor Glück nur so strotzt und von Anfang an routiniert ihr neues Leben stemmt, nebenbei noch die perfekte Ehefrau mimt und als top gestylte Einkäuferin ihr Baby durch den Supermarkt schiebt. Wer gibt da schon freiwillig zu, dass man diesem Ideal nicht entspricht und stattdessen mit Kotzflecken auf der Bluse, ungeschminkt und unglücklich zur Therapiestunde tingelt?
Trotzdem muss ich an dieser Stelle auch eine Lanze für die Angehörigen brechen. Wenn sie der depressiv anmutenden Mutter schon den Vorschlag einer Therapie unterbreiten, sind sie meist selbst schon mit ihrem Latein am Ende. Sie haben bisher alles versucht, was in ihrer Macht stand, um zu helfen, haben geduldig abgewartet und zugesehen, wie die überforderte Frau immer tiefer in die Depression rutscht.
Ich persönlich habe damals die Therapie meinem Mann zuliebe begonnen. Und während der vielen Sitzungen habe ich irgendwann verstanden, dass ich es vor allem mir zuliebe mache. Denn ohne Einsicht, ohne Eingeständnis, dass man selbst dazu bereit sein muss, Hilfe zuzulassen, funktioniert am Ende auch keine noch so gute Therapie.
Deswegen möchte ich alle Angehörigen gerne dazu ermutigen, diesen Satz „Du brauchst therapeutische Hilfe“ auszusprechen, aber vorsichtig und einfühlsam. Und vor allem der Betroffenen Zeit zu geben, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen. Das ist oft schwer, aber manche Ideen müssen im Kopf erst wachsen. Manche Frauen schätzen es auch sehr, wenn sie bei ihren ersten Schritten (Psychologensuche, Anruf bei der Krankenkasse,…) begleitet und unterstützt werden.
Und an dich als Betroffene: Fühl dich bitte nicht angegriffen oder ausgegrenzt. Dein Mann, deine Familie, dein Umfeld, wer auch immer dir zu professioneller Hilfe geraten hat: Sie wollen wirklich nur helfen und das Beste für dich und dein Kind! Wo ein Allgemeinarzt auf den sichtbaren Aspekt deines Wesens (eben der Körper) spezialisiert ist, hilft der Psychotherapeut deiner unsichtbaren Seite (Seele).
4. „Du machst alles kaputt!“
Wenn der Satz fällt (meistens im Streit und vom Partner, der ganz nah dran ist an der Depression seiner Frau), ist das Ende der Fahnenstange endgültig erreicht. Der Mann ist völlig am Ende und weiß nicht mehr ein und aus. Er fühlt sich selbst hilflos und muss immer wieder mit ansehen, wie die Depression Frau, Kind und Familie zerstört.
Aber hier muss ich ganz eindeutig die Betroffene in Schutz nehmen: Was auch immer in ihr vorgehen mag, wie viel seit der Geburt des Kindes tatsächlich „kaputtgegangen“ ist: Wenn sich hier Jemand vom Leben betrogen und im wahrsten Sinne des Wortes „kaputt“ fühlt, dann die depressive Mutter. Sie hat sich ihr Leben mit Baby auch ganz anders vorgestellt. Sie kennt sich plötzlich selbst nicht mehr, fühlt lauter negative Gefühle oder im schlimmsten Falle gar nichts mehr und jeder Tag scheint ein einziger Albtraum zu sein.
Bitte, liebe Männer, liebe Mütter der Mutter oder andere Angehörigen der Betroffenen: Sprecht diesen Satz niemals aus, auch nicht im Streit (und falls er euch rausrutscht, entschuldigt euch bitte ehrlich hinterher). Davon wird die Situation nämlich nicht besser. Im Gegenteil. Die Betroffene kann nämlich gar nichts für ihre postnatalen Depressionen, ergo handelt sie nicht aus böser Absicht heraus.
Mit solch einem Satz schürt man nur Schuldgefühle und die lösen vielleicht eine noch tiefer gehende Krise aus, im schlimmsten Fall führen sie zur kompletten Resignation und Verlust des Lebenssinns („Wenn ich eh alles falsch mache und zu nichts mehr zu gebrauchen bin, was soll ich dann noch hier?“). Sagt lieber andere Sätze. Zum Beispiel den unter Punkt Fünf.
5. „Ich liebe dich!“
Ja! Ja! Ja! Diesen Satz können wir Frauen eh nicht oft genug hören, aber eine Frau mit Wochenbettdepression erst recht nicht oft genug. Auch, wenn es nicht bedeutet, dass der eine Satz die Depression in Luft auflöst. Vielleicht springt die Betroffene ihrem Mann nach den Worten auch nicht gleich um den Hals vor Freude. Möglicherweise steckt sie zu tief im Gedankensumpf fest und kann derzeit kein Glück empfinden.
Aber: So ein Satz fällt tief. Sehr tief. Und wirkt von innen heraus. Ein „Ich liebe dich“ sagt so viel aus: Ich bin bei dir. Ich akzeptiere deinen derzeitigen Zustand. Ich akzeptiere dich so wie du bist. Ich stärke dir den Rücken. Wir überstehen diese Krise gemeinsam. Du bist nicht alleine.
Und manchmal ist so ein Satz tatsächlich der Anfang, um Hilfe annehmen zu können.
Fotos mit freundlicher Unterstützung von © Sasha Freemind, © Priscilla Du Preez, © Igor Erico, unsplash.com
Miii sagt:
ich hätte noch einen Vorschlag :)
ein Satz, der mir wahnsinnig gut getan hat (zwar ohne Depression, aber zumindest gefühlsmäßig kurz vorm durchdrehen):
Schatz, Du machst das echt toll!
wenn der richtig ernst gemeint ist und die Bewunderung für die Leistung mitschwingt (und hey, ein Kind zu versorgen ist IMMER eine Wahnsinnsleistung) – echter Balsam für die Seele :)
Christine sagt:
Liebe Miii,
sei herzlich willkommen auf meinem Mama-Blog, schön, dass du da bist!
Dein Satz gefällt mir auch sehr gut, Komplimente dieser Art können einen echt aufbauen, wenn man mal wieder an sich selbst und überhaupt an allem zweifelt.
Danke dafür!
Liebe Grüße
Birgit sagt:
Ich hatte nach jedem Kind postnatale Depressionen und die Zeit der Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett sind mir nur als traumatisch in Erinnerung. Jetzt sind meine beiden Kinder 9 und 5 Jahre alt und ich mag keine Säuglinge mehr in den Arm nehmen. Ich habe einen Widerwillen gegen Säuglinge und Kleinkinder entwickelt. Dieses Geschreie und Rumgehampele, Gefuchtele dieser kleinen Wesen geht mir ziemlich auf die Nerven. Wenn fremde Kleinkinder mich anstrahlen, blicke ich weg und blockiere das; möchte keinen Kontakt. Wenn ich alte Videos von meinen Kindern sehe, in denen sie herumkrabbeln oder am Tisch im Essen mantschen oder lautstark mit Dingen herumhantieren, dann bin ich immer gottfroh: „Das habe ich hinter mir! Und ich muss es NIE wieder machen“. Und ich muss auch nie mehr schwanger sein und nie mehr aufgeschnitten werden und muss nie mehr stillen – Danke Gott!. Das zweite Kind haben wir nur bekommen, damit das erste nicht als Einzelkind aufwächst. Aber für mich war es ein Riesenopfer. Ich hätte ein zweites Kind nicht zu meinem Glück gebraucht.
Christine sagt:
Liebe Birgit,
es tut mir sehr leid, dass du bei beiden Schwangerschaften, Geburten und Wochenbetten so traumatische Erfahrungen gemacht hast. Es muss unglaublich schmerzhaft sein, das Erlebnis, das im Allgemeinen als „das Natürlichste der Frau“ dargestellt wird, von vorne bis hinten so dramatisch zu empfinden. Kein Wunder also, dass du heute mit kleinen Kindern nichts mehr zu tun haben möchtest, schließlich wirst du dadurch wieder an deine schlimmste Zeit erinnert.
Manchmal passieren Dinge im Leben, die man sich vorher ganz anders vorgestellt hatte. Keine Frau wird Mutter, um danach ihre Mutterrolle zu bereuen. Daran, dass du deinem ersten Kind gerne ein Geschwisterchen schenken wolltest, erkennt man deine tiefe Mutterliebe. Du hast deinem ersten Kind zuliebe dieses Opfer gebracht, obwohl du als Frau kein weiteres Kind zum Glück benötigt hast.
Du bist eine starke Frau, du hast all das überlebt. Und der Himmel hat dir diese zwei wunderbaren Kinder geschenkt, weil er sie dir nicht nur anvertraut, sondern auch zugetraut hat.
Alles Liebe dir ♡
Anna sagt:
Liebe Mütter,
ich bin nach 27 Jahre (Muttersein) berührt, was alle mitgemacht haben (nicht nur ich). So wundervolle Mütter. Letztes Jahr fing ich die Ausbildung zur Geburtshelferin Doula. Da musste man ihre eigene Geburt erzählen. Das war nicht einfach, mich nur bei den schönen Dinge zu konzentrieren. Denn von A bis Z war es als junge Mutter, die gerade noch dazu, ihren zukünftigen (vor 2 Tage vor der Geburt) verlassen musste weil er Fremdging.
Keine Familie hier, und noch nichts ahnend was auf eine Schwangere und Wöchnerin zukommt. Gott sei gedankt, habe ich diese Ausbildung machen dürfen, alles aufarbeiten und kann so andere meinen Beistand anbieten, die es nicht anders haben. Ich wünsch Dir, die das liesst, viele, viel Kranft für Deinen Weg. Anna Ziltener, Zürich