Lebensfragen

Hotel Mama – immer geöffnet?

Das immerwährend geöffnete Hotel Mama – ein Ausdruck, der im Allgemeinen als Anerkennung für Mütter gedacht ist, die sich Tag und Nacht um ihre Kinder kümmern, ihnen auf Wunsch täglich Fischstäbchen zum Mittag braten, dreimal die Woche zum Ballett fahren und die Anlaufstelle für alle kleinen und größeren Kindersorgen sind. Im negativen Fall wird das Hotel Mama zu einem jahrelangen Dauerzustand, in dem Mütter ihren Kindern auch dann noch die Wäsche waschen, wenn diese bereits ausgezogen und längst Besitzer einer eigenen Waschmaschine sind. Solch eine Mutter werde ich allein aus Protest heraus hoffentlich nicht werden.

Hotel Mama – immer geöffnet. Klingt erstmal toll. Nach bedingungsloser Fürsorge, 24-Stunden-Notdienst, einer Mutter, die immer und ständig voller Hingabe für ihr Kind da ist und das alles mühelos und freiwillig zu tun scheint. Aber ist das wirklich nötig? Was, wenn eine Frau Mama über kurz oder lang feststellt, dass Schlaf, der mehr als zwei Stunden am Stück dauert, auch seinen Reiz hat? Dass sie liebend gerne mal wieder freitagabends auf die Rolle gehen möchte? Darf man diese Wünsche überhaupt aussprechen, wenn man sich, dem Nachwuchs und sowieso der ganzen Welt doch geschworen hat, immer für das eigene Kind da zu sein?

Nun sind bei mir schon drei Jahre meines Mutterseins um und meine Vorstellungen, die ich zu kinderlosen Zeiten noch von meinem Leben als Mama hegte, decken sich nicht im Geringsten mit dem Bild, das ich unter einem immerwährend geöffnetem „Hotel Mama“ vermuten würde. Wie du ja vielleicht schon weißt, habe ich mir vor und während der ersten Schwangerschaft das Leben als Mutter ganz anders vorgestellt:

Leichter, unkomplizierter, aber vor allem mit einer Leidenschaft, von der mein Mutterherz in jeder Sekunde meines Daseins nur so strotzen würde. Ich sah mich im Geiste 24 Stunden am Tag meine Kinder trösten, in den Schlaf wiegen, knuddeln, wickeln und bespaßen. Der Mann würde morgens zur Arbeit gehen, während ihm eine gut gelaunte Mutter mit dem Kochlöffel in der einen und dem Kleinkind an der anderen Hand hinterherwinkte. Fieberkrämpfe, vollgekotzte Bettchen, Schreibaby? Kleinigkeiten, die man als Mutter nebenher wuppen könne. So meine Vorstellungen.

Dass diese mehr als naiven Zukunftsvisionen zerplatzen würden wie eine Seifenblase, stellte sich schneller heraus, als mir lieb war. Nicht nur, dass ich nach Maxis Geburt postpartale Depressionen bekam und mich allein aus dem Grund schon nicht mit meinem ältesten Sohn beschäftigen wollte: ich merkte auch nach kürzester Zeit, dass ich schnell an meine Grenzen kam, was mein Vorhaben als perfekt agierende Mutter anging.

Hotel Mama immer geöffnet?Ein Beitrag von Katharina vom Mama Blog „Stadt Land Mama“ sorgte in der Bloggerszene letztens für viel Wirbel unter den Müttern, weil die Autorin in ihrem Artikel schrieb, dass ihre Kinder nicht, wie bei vielen Eltern üblich, im Elternbett schlafen dürften. Bis auf wenige Ausnahmen wie Krankheit oder Stillzeit möchte sie ihr Bett für sich behalten, weil sie nachts einen Raum für sich, ohne Kinder, zum Erholen brauche. Hätte ich diesen Artikel vor meinem Muttersein gelesen, ich hätte sicherlich kritisch eine Augenbraue hochgezogen (zumindest im Geiste, physisch sind meine Gesichtsmuskeln dazu nicht in der Lage).

Familienbett, das war früher für mich so klar, wie Eis im Sommer und Matsch-Schnee im Winter. Aber dann kamen meine Kinder auf die Welt, der eine früher, der andere ein Jahr später, und bei Beiden war mir eines sofort klar: Der Stubenwagen muss ganz schnell raus aus dem Schlafzimmer! Und zwar aus einem mir bis dahin ungewohnten Gefühl heraus: Ich brauchte Raum für mich. Einen Rückzugsort, an dem meine Kinder nichts zu suchen haben, wo ich ganz für mich alleine sein kann. Von den schmatzenden und leise quakenden Geräuschen eines Babys mal ganz abgesehen, die mich jedes Mal aufschrecken ließen und mir meinen Schlaf, und somit auch die Nerven raubten. Nerven, die ich tagsüber aber wieder gebraucht hätte. Zum Glück haben meine beiden Kinder die Entscheidung des Anti-Familienbetts problemlos akzeptiert, ansonsten hätten mein Mann und ich noch mal ganz umdisponieren müssen (ich nachts auf dem viel zu kleinen Sofa im Wohnzimmer oder so…).

Das Familienbett ist nur ein Beispiel von Vielen. Ich merke auch in anderen Bereichen, dass ich nicht überall Ansprechpartner Nummer Eins sein kann. Wenn unsere Kinder nachts wach werden, ist mein Mann derjenige, der bereitwillig trösten und auf Schnullersuche geht; für mich dagegen ist Schlafmangel Folter. Morgens zieht er Mini und Maxi an, damit Mama sich in Ruhe im Bad fertig machen kann und sonntags baut Papa mit den Jungs Tankstellen und Flughäfen aus Duplo nach, während ich Zeit für mich habe. Dafür übernehme ich liebend gerne Vorsingen und Bücher-Angucken, ein Tausch, den mein Mann wiederum dankbar annimmt.

Mit dieser heute so selbstverständlich scheinenden Aufgabenverteilung musste ich mich aber lange arrangieren. Auch, wenn ich schon früh das Bedürfnis hatte, Aufgaben abzugeben, gab es doch eine leise, aber sehr penetrante Stimme in meinem Kopf, die mir sagte, dass dies alles Aufgaben einer guten Mutter seien. Hotel Mama eben. Den ganzen Tag und abends mit Beleuchtung. Ich schämte mich monatelang sehr dafür, meinen Kindern nicht die perfekte 24-Stunden-Mutter sein zu können, weil mich mein eigenes Bedürfnis nach Ruhe und Erholung immer wieder auszubremsen schien. Es dauerte wirklich lange, Hilfe von Außen in Form von Partner oder Babysitting bei Oma und Opa, konsequent annehmen zu können.

Aber wie sieht das eigentlich in Hotels im „wahren Leben“ aus? Vielleicht lohnt sich mal ein realistischer Blick auf andere Pensionen, um die Frage beantworten zu können, ob die Vision vom eigenen Hotel Mama wirklich durchführbar oder doch etwas utopisch ist. Wenn du im Urlaub oder auf Geschäftsreise bist: Wodurch zeichnet sich ein Hotel dann aus? Welche Erwartungen hast du? Vielleicht buchst du All inclusive, oder du bleibst nur über Nacht zum Frühstück, aber sicherlich steht in jedem Fall der Service an erster Stelle.

Du willst ein sauberes Zimmer, gutes Essen und einen gepflegten Umgang vorfinden. Wenn du dich mal verlaufen oder eine Frage hast, erwartest du einen Ansprechpartner, der dir kompetent weiterhilft. Das ist mit dem Hotel Mama durchaus zu vergleichen. Auch hier sind Gäste (also die Kinder) vorhanden, die die Befriedigung ihrer Bedürfnisse in Form von Verpflegung, Nähe und Spieltrieb verlangen. Wahrscheinlich sogar noch intensiver als ein Urlauber im Wellnesshotel. Aber jetzt kommt der entscheidende Punkt: Niemand würde auch nur im Traum von einem Hotelbesitzer verlangen, dass er persönlich rund um die Uhr in allen Angelegenheiten für den Gast da ist.

Hotel Mama immer geöffnet?Dass er dich Tag und Nacht an der Rezeption begrüßt, den Koch mimt, dir das Essen serviert und anschließend mit dir die Bergtour macht, um danach noch schnell dein Bett aufzuschütteln. Dafür gibt es nämlich die Angestellten. Den Koch, den Kellner, das Zimmermädchen. Wenn du morgens eincheckst, begrüßt dich vielleicht Herr Müller, beim Verlassen des Hotels verabschiedet dich Frau Schulze. Fühlst du dich deshalb weniger gut betreut? Im besten Falle nicht. Denn obwohl der Hotelbesitzer nicht 24 Stunden um dich herumscharwenzelt, weißt du dich in guten Händen. Warum sollten wir zuhause in unserem Hotel Mama die eigenen Ansprüche so viel höher schrauben und von uns als eigenen „Hotelbesitzer“ so viel erwarten? Wer geht eigentlich davon aus, dass wir uns um Küche, Housekeeping, Animation und Krankenpflege gleichermaßen kümmern? Wer erwartet diese Aufopferung eigentlich von uns Müttern? Die Gesellschaft? Die Zu- und Umstände des Lebens? Oder vielleicht mal wieder nur wir selbst?

Es gibt unzählige Psychologen, die uns raten, dem Partner nicht noch die Rolle des eigenen Vaters, guten Kumpel und perfekten Liebhaber überzustülpen, sondern ihn einfach „nur“ als Ehemann zu sehen, der nicht alle unsere Erwartungen und Bedürfnisse erfüllen kann. Warum sollte es mit der Mutterrolle anders sein? Immerhin sind wir auch noch eine Frau mit eigenen Hobbies und Lebensplänen. Wer sagt, dass wir von der Geburt bis zum Auszug unserer Kinder nur noch 100%ig für die lieben Kleinen da sein müssen, wenn wir uns entschieden haben, zuhause zu bleiben? Wie viele Phasen der Schuldgefühle und des Rechtfertigens müssen erst Mütter durchleben, die nach dem Wochenbett wieder Vollzeit arbeiten? Egal, ob gewollt oder ungewollt?

Komme ich zurück zu meiner Ausgangsfrage, ob „Hotel Mama – immer geöffnet“ bei mir zuhause in Frage kommt. Mein Fazit: Ja, unbedingt! Aber nur, wenn es genügend „Angestellte“ in Form von Ehemann/Freund, Oma und Opa, Babysittern, Kindergärtnerinnen u.ä. gibt, die die Hotelbesitzerin namens Mama auch mal entlasten. Ich bin gerne Mutter, aber ich kenne auch meine Stärken, Schwächen und Grenzen. Solange meine Kinder sich geliebt fühlen und immer einen Ansprechpartner um sich herum wissen, zu dem sie gehen können, wenn’s brennt, kann dieses Konzept meiner Meinung nach doch gar nicht so verkehrt sein. Liebe Mit-Mütter, ich bin dafür, dass wir uns jetzt mal von dem großen Druck einer Über-Mutter verabschieden und uns im Gegenzug dafür mal wieder im Wellnessbereich unseres eigenen Hotels (sprich Badezimmer) von Kopf bis Fuß verwöhnen (lassen).

Fotos mit freundlicher Unterstützung von © Mara Conan Design, © Alev Takil, ©Tyler Nix, unsplash.com

3 Gedanken zu „Hotel Mama – immer geöffnet?“

  1. Daniela sagt:

    Liebe Christine,
    das hast du schön auf den Punkt gebracht. Auch bei mir hat es eine ganze Zeit und viele Tränen gedauert, bis ich mich von dem Gedanken, die perfekte Bilderbuch-Mutti aus dem Fernsehen oder der Werbung zu sein, verabschiedet habe.
    Ich habe mir selbst Vorwürfe gemacht, wenn ich nicht allen Anforderungen gerecht worden bin und habe den Gedanken gehabt, dass ich wohl die einzige Mutter auf der Welt bin, dies einfach nicht hinbekommt.
    Die Maus war ein Schreibaby und hat jede Nacht 7 Stunden gebrüllt. Das Schlimmste dabei war, dass ich zu der Zeit so von dem „Hör auf deinen Instinkt“-Gequatsche beeinflusst war und nicht deuten konnte, was die Maus will…
    Mittlerweile bin ich froh darüber nicht mehr allen Anforderungen alleine gerecht werden zu müssen. Und nachdem ich ziemlich an mir gearbeitet habe, habe ich es auch mal zugelassen, dass die Maus von den Großeltern oder einer Freundin betreut wurde. War gar nicht so leicht für mich…

    LG
    Daniela

  2. B sagt:

    Hotel Mama – immer geöffnet? Um Gottes Willen, Nein! Meine Kinder werden so erzogen, dass sie früh selbständig sind und sich bestens selbst versorgen können. Meine zukünftigen Schwiegertöchter werden mir dankbar die Hände küssen dafür. Ich hoffe, dass meine Kinder früh ausziehen und mich dann auch mal in Ruhe lassen. Auch jetzt, wenn sie noch hier wohnen, brauche ich immer mal wieder Auszeiten und Ruhe für mich. Familienbett kam für mich nie in Frage und ich kuschele nachts am liebsten mit meinem Partner und nicht mit meinen Kindern. Diese unerträgliche Nähe zwischen Eltern und KIndern die heutzutage gefordert wird, finde ich schrecklich. Es braucht auch einen gesunden Abstand zum Kind und auch eine nüchterne Art, wenn man seine Kinder ansieht und auch die Schattenseiten sieht und anerkennt. Dieses wirklich schlimme und allseits geforderte MITEINANDER und TOTAL NAH finde ich grässlich ungesund und kann dem nur wenig abgewinnen. Man kann trotzdem für seine Kinder da sein und sie unterstützen ohne ständig an ihnen zu kleben. Und man muss auch mal Vertrauen in die Kinder haben, dass sie es ohne Mutti auch schaffen.

    1. Christine sagt:

      Die richtige Balance zu finden zwischen Nähe und Distanz bzw. helfen/unterstützen und die Kinder auch mal alleine machen lassen finde ich auch sehr wichtig. Ich denke in unser heutigen Zeit sind viele Eltern auch total verunsichert, wo das richtige Maß ist, ohne die Kinder zu unter- bzw. überfordern und ohne sie im wahrsten Sinne des Wortes zu bemuttern, wo es vielleicht schon gar nicht mehr nötig ist.

      Ich finde es toll, dass du somit deinen Schwiegertöchtern in Spe schon viel Arbeit abnimmst – sicherlich werden unsere Söhne keine Kandidaten für „Schwiegertochter gesucht“ ;-)

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