Damals, als ich noch in der kleinen Internetfirma arbeitete, musste ich auf dem Weg dahin täglich durch eine ruhige 30er-Zone fahren. An einer Stelle waren erst vor kurzem neue Häuser gebaut worden. Eins davon hatte anscheinend Probleme mit dem Abwassersystem, jedenfalls verging keine Woche, in der nicht mindestens einmal die Typen von der Kanalreinigung vorbeischauen mussten. Und an jedem dieser Tage stand morgens um kurz nach Acht das berühmte orangefarbene Gefährt mit dem schwarzen Schlauch vor besagtem Haus, was im Klartext bedeutete, dass man auf dem Weg zur Arbeit quasi auf nüchternem Magen mit eindringlichem Fäkaliengestank benebelt wurde. Ja, man hatte selbst drei Kilometer weiter im Büro noch das Gefühl, dass der Geruch einem nicht nur in der Nase, sondern gar in der Kleidung steckte und gar nicht mehr heraus wollte. Damals dachte ich, dass Kanalarbeiter der schlimmste Job der Welt wäre. Heute weiß ich es besser. Denn heute habe ich Kinder.
„Mamaaaaaa! Der Maxi hat mir mein Buch weggenommen!“ „Mamaaaaa, der Mini hat mehr Buchstaben in seinem Namen als ich! Das ist total gemein!“ Mamaaaaa! Mir ist langweilig. Was machen wir jetzt?“ „Mamaaaaa, ich wollte aber auch [beende den Satz auf beliebige Art und Weise]!“
Mamasein ist kein leichter Job. Wirklich nicht. Du weißt es ja selbst. Da brauchst du echt starke Nerven. Vor allem bei zwei Kleinkindern im Alter von drei und vier Jahren. Wobei ich das gleiche auch schon vor mindestens zwei Jahren gesagt habe. Rund um die Uhr Genörgel, Geheule und Gestreite. Nicht nur, weil der blöde Bruder wieder irgendwas doofes, sondern auch, wenn Mama wieder etwas falsch gemacht hat. Den falschen Zoogarten für den Ausflug ausgewählt, den Apfel falsch klein geschnitten, dem Bruder den hübscheren Namen gegeben. Natürlich alles Anfängerfehler von mir. Beim nächsten Kind würde ich selbstredend alles ganz anders machen (was nicht vorkommen wird. Das dritte Kind meine ich, nicht die Fehler).
Am Wochenende darf Mama sich dann ein wenig zurücklehnen. Nicht vollständig, aber ein bisschen. Jetzt steht der Herr Papa in der Schusslinie. Die aus Legosteinen gebaute Werkstatt für den Bruder ist natürlich viel größer und schöner, als die Identische, die man selbst zuvor noch gebaut bekam und deswegen natürlich Grund genug, die Eigene vor Wut gleich wieder zu zerstören. Und wenn gerade Niemand heult, weil der andere ihm wehgetan hat, wird Baby gespielt und im Spiel geheult. Klingt wie in Echt und ist deswegen Balsam für Mamas und Papas Ohren. Alles gut, alles wie immer.
Ausschlafen am Wochenende ist auch nur was für Langweiler, weswegen bereits um kurz nach Acht alle gähnend den Frühstückstisch abräumen, um endlich genug Zeit zum Spielen zu haben. Blickt man nach einer gefühlten Ewigkeit des Spielens, Vorlesens und „Die Sendung mit der Maus“-guckend gerädert auf die Uhr, stellt man verzückt fest, dass der Zeiger gerade mal Neun zeigt und man es –Gott sei Dank- noch vor allen anderen Familien als Erstes auf den Spielplatz schaffen kann oder im Wald die frühaufstehenden Jogger, respektive letzten Penner vom gestrigen Abend grüßen darf.
Nein, Mamasein ist wirklich kein leichter Job. Vor allem nicht an Wochenenden und Feiertagen. Und trotzdem ist das nicht der schlimmste Job der Welt. Was kann denn jetzt noch kommen, fragst du dich vielleicht. Ich verrate es dir: Der schlimmste Job der Welt für mich würde hinter der Kindergartentür auf mich warten. Denn mit Erzieherinnen möchte ich nun wirklich nicht tauschen. Warum?
Nun, im Gegensatz zu Erzieherinnen muss ich zuhause nicht permanent pädagogisch und nach Einrichtungsabhängigen Regeln handeln. Natürlich versuche ich es trotzdem so perfekt gut wie möglich zu machen, aber wenn ich dann doch mal vor Wut Türen knalle oder hässliche Schimpfwörter zum Fluchen benutze, muss ich mich wenigstens nicht vor meinem Chef oder den Eltern des Kindes rechtfertigen. Denn das wäre dann im schlimmsten Fall auch wieder nur ich und das mit dem Rechtfertigen vor mir selbst kriege ich in den meisten Fällen problemlos hin.
Ein weiterer Grund ist der, dass ich „nur“ zwei Kinder um mich herum habe. Das sind zwar oft genug zwei zuviel, aber immer noch besser als Zwanzig, die in ohrenbetäubender Lautstärke herumkreischen, heulen oder sich vor Wut auf den Bauteppich werfen, während man versucht, zwölf andere um sich herum zu beruhigen.
Zu guter Letzt (und das ist der wichtigste Grund) entwickeln sich meine Kinder irgendwann –so Gott will- weiter und haben das schwierige Kleinkindalter in ein paar Jahren hinter sich. Dann bestimmen hoffentlich nicht mehr falsch gestapelte Bauklötze oder zerkaute Puzzleteile meinen Alltag. Bei der Erzieherin sieht das anders aus. Kaum kommen ihre Schützlinge in die Schule, fängt das Ganze wieder bei Null an (oder im günstigsten Fall bei Drei). Die Erzieherin darf dann also wieder alle Regeln neu erklären und sich über neue Trotzkinder freuen. Und das bis zur Rente!
Zudem darf sie sich noch mit mindestens fünfundzwanzig verschiedenen Elternmeinungen auseinandersetzen und dem frechen Willi nicht mal Fernsehverbot erteilen, wenn er sich mal wieder völlig danebenbenommen hat.
Klar, sie bekommt Geld für ihren Job und nach Feierabend und am Wochenende muss sie Willi & Co. auch nicht ertragen, aber vielleicht dann ihren eigenen Nachwuchs, der schon quengelnd zuhause auf sie wartet.
Um es kurz zu sagen: Müsste ich mich entscheiden, würde ich wohl oder übel in die Kanalisation steigen und knietief durch die stinkende Mocke waten, als jemals den Job der Erzieherin auszuüben. Aber ich bin jeder Kindergärtnerin dieser Welt dankbar, dass sie ihre Arbeit macht. Es soll ja (unglaublich!) tatsächlich welche geben, die ihren Job auch noch gerne machen (ich selbst habe zwei enthusiastische Exemplare in der Familie). Wirklich, an dieser Stelle ein großes Dankeschön an all die Frauen und Männer, die mir und so vielen anderen Müttern mehrere Stunden kinderlose Zeit ermöglichen und unseren Kindern in dieser Zeit lächelnd beim Trotzen, Treten und Toben zusehen. Danke dafür! Und danke an alle Kanalarbeiter.
Rosalie sagt:
Ja, also nach dem letzten Kindergeburtstag hab ich auch beschlossen, dass Kinderbetreuung keine Arbeit für mich wäre… Gott, war ich erledigt an dem Tag!
Aber etwas anderes finde ich doch lustig: Ich werd manchmal gefragt, wenn ich mit nur einem oder zwei Kindern unterwegs bin, wie ich das mache so tiefenentspannt zu bleiben, selbst wenn eines weint. Da lach ich dann manchmal, weil ich nur in diesen Situationen merke, dass ich nun echt auf drei Kinder gepolt bin und irgendwann einfach akzeptiert hab, dass 2+2 eben 5 und nicht 4 ergibt.
Man wächst also mit seinen Aufgaben. Wir Mütter alle.
Birgit sagt:
Ja, Muttersein ist der schlimmste, undankbarste und schlecht bezahlteste Job der Welt. Kein Wunder wird um diesen unkuendbaren Job auch ein irres aufwendiges gemacht. Denn wenn Jemand wirklich wusste wie der Job ist, wurde er ja nie schwanger werden. Also wird lautstark die Kinderwerbetrommel gespielt wie beglueckend und harmonisch das Kinderhaben doch ist. Im Grunde ist es eine einzige gesamtgesellschaftliche Verarsche zulasten von Muttern.