So. Gestern war also unser erster Elternabend im Kindergarten. Ich muss sagen, meine Begeisterung hielt sich im Vorfeld erstmal in Grenzen. Es geisterten schließlich schon diverse Horrorszenarien durch meinem Kopf; zu groß war der Pool an Möglichkeiten, wie man so einen Abend auf Mini-Kinderstühlchen über sich ergehen lassen verbringen dürfte. Die „We survived Elternabend“-Kommentare bei Twitter reißen jedenfalls nicht ab. Von „sich-Klorollen-zuwerf-Spielen“ bis hin zu Eltern-Diskussionen über pädagogisch wertvolles Frühstück und dreistündiges Zusammensitzen – die Aussicht auf ein gruseliges Beisammensein wuchs mit jedem Klick im Web.
Lediglich ein paar wenige Mütter und Väter beschrieben ihre Elternabende als ein harmonisches Event, bei dem Kekse und Prosecco verteilt würden, bis die perfekt organisierte Powerpointpräsentation pünktlich nach einer Stunde beendet sei. Aufgrund diverser Beobachtungen in Punkto Organisationsqualitäten in Maxis Kindergarten, schwanden meine Hoffnungen sowohl auf den Beamer, als auch auf die Kekse, geschweige denn, Prosecco.
Da es unser erster Elternabend war, wollten mein Mann und ich selbstverständlich trotzdem hin. Wichtige Ankündigungen was das nächste halbe Jahr anging, mochten wir schließlich nicht verpassen. Und so machten wir uns auf den Weg in die Einrichtung, während wir uns gegenseitig Mut zusprachen und immer wieder beteuerten, dass wir das alles im Grunde für unseren Sohn taten. Das war immerhin ein Argument, falls wir uns gleich streitlustigen Eltern gegenüberstehen sahen oder Kennenlern-Spielchen ertragen müssten. Da der Elternabend unter dem Motto „Wie Kinder mit ihren Sinnen die Welt entdecken“ stand, bereiteten wir uns seelisch auch schon mal darauf vor, barfuß über verschiedene Bodenbeläge laufen, den Sitznachbarn mit geschlossenen Augen am Geruch erkennen oder das Tofu-Mittagessen vom Vortag probieren zu müssen.
Mit uns hatten sich noch etwa 15 andere Mütter und Väter zum Elternabend getraut. Die Leiterin zündete im ganzen Raum Teelichter an (für die besinnliche Stimmung), legte eine CD mit Vogelgezwitscher ein (für die unterdrückten Lachkrämpfe in uns) und verteilte Kekse und Kaffeetassen (für das beruhigende Gefühl in mir, dass der Abend doch nicht so verkehrt werden könnte). Und dann begann der Vortrag. Über Babyschalen, die im Auto sinnvoll sind, grundsätzlich dem Baby aber nicht viel Nähe signalisieren, über Activity-Center, die für Säuglinge motorisch eher unpraktisch sind, über den Instinkt eines Babys, sich auf die Seite drehen und die Umwelt wahrnehmen zu wollen.
Ähm, Moment mal. War das hier wirklich ein Elternabend für Kindergartenkinder? Oder befand ich mich noch im Geburtsvorbereitungskurs meiner Hebamme? Die nächsten zwanzig Minuten graute es mir vor dem abendfüllenden Programm, während die Leiterin uns immer wieder rhetorische Fragen stellte („Was sieht das Baby hier? Was fühlt das Kind hier? Was ist besser: In der Babyschale getragen zu werden oder auf Mamas Arm?“), die uns das Gefühl gaben, als wären wir im Kindergarten. Aber irgendwie waren wir das ja auch.
Anschließend begann der zweite (und gefürchtete) Teil des Elternabends. Wir sollten durch die ganze Einrichtung gehen und den Kindergarten mit Kinderaugen wahrnehmen. Dazu wurden in allen Räumen Aktionen für die Sinne bereitgestellt. Fühlkästen für die Hände mit verschiedenen Inhalten, Riechdosen mit diversen Gewürzen und ein Schmeckspiel, bei dem man kleingeschnibbeltes Obst und Gemüse mit geschlossenen Augen erraten durfte. Alles auf freiwilliger Basis. So kam es, dass eine zunächst noch skeptische Mutter (ich) plötzlich unheimlichen Spaß am Fühlen, Riechen und Schmecken aufbrachte. Mein persönlicher Höhepunkt des Abends war erreicht, als ich mich bauchlings auf einem riesigen Kissen liegend wieder fand, eine riesige tibetische Klangschale auf meinem Rücken, während der Dong nach dem Anschlagen selbiger durch meinen ganzen Körper vibrierte. Ich fühlte mich wie im Glockenturm vom Ulmer Münster und fragte mich gleichzeitig, was ich da eigentlich machte. Mein Mann stand hinter mir und dachte sicherlich ähnliches.
Danach tranken wir noch selbstgemachte Bowle und aßen Wackelpudding von Dr. Oetker. Der Abend neigte sich dem Ende zu, und als die Leiterin zur Erzählung von „unsinnigen“ Ereignissen aus unserer Kindheit aufrief, gab es nur eine Mutter, die ihre Geschichte vom Besten gab, bei der sie als junges Mädchen mit geschlossenen Augen auf dem Garagenhof Fahrrad gefahren war und sie erst mit Beule am Kopf wieder öffnete. Wahrscheinlich kannst du dir schon denken, welche Mutti diese Erinnerung erzählt hat. Zum Schluss wurde noch zur obligatorischen Altglas-, Klorollen- und Eierkarton-Mitbring-Aktion aufgerufen („Und leere Waschmaschinenkartons können wir auch gebrauchen. Was Sie zuhause halt so herumstehen haben.“). Tschüss und gute Nacht nach knapp zwei Stunden.
Mein Fazit nach dem ersten Elternabend: Eigentlich war es ganz lustig. Strukturierter als gedacht und kürzer als vermutet. Das Thema Sinne wurde gut umgesetzt. Nur die eigentlichen Infos haben mir gefehlt. Was plant der Kindergarten mit den Kindern in nächster Zeit? Wie sieht der Alltag in der Einrichtung aus? Was machen die Kinder überhaupt gerade? Bis auf ein paar wenige Beispiele wurde darüber nicht gesprochen. Aber immerhin weiß ich jetzt, dass Paul ein Faible für dreckige Klobürsten hat. Und dass mein Sohn liebend gern mit anderen Kindern das Badezimmer flutet, während die Erzieher in die Hände klatschen und noch Pinsel und Farbe daneben stellen, damit die in den Waschbecken hockenden Kinder sich hingebungsvoll gegenseitig den Rücken einschmieren können. Vielleicht reichen mir beim nächsten Elternabend doch Kaffee, Plätzchen und Vorträge über Säuglinge in Babyschalen.