Mama-Momente

„Sie haben aber ein liebes Kind!“


Jetzt in der heißen Sommerzeit fängt das Spektakel meist bereits um kurz vor Sechs an. Dann nämlich fällt unserem zweijährigen Mini im Nebenzimmer ein, dass es schon viel zu hell ist, um noch länger im Träumeland verweilen zu müssen. Und aufgrund irgendeiner unheimlichen, telepathischen Verbindung zu seinem größeren Bruder zwei Zimmer weiter, ist er schnell nicht mehr der Einzige im Haus, dem es so geht. Leider beginnt damit, unmittelbar daran gekoppelt, die erste Knatschzeit des Tages.

Es wird gebrüllt, geheult und getrotzt. Mal ist der Bruder schuld, mal das blöde T-Shirt und mal die nichtvorhandene Fleischwurst auf dem Frühstückstisch. Bis es losgeht zum Kindergarten liegen also alle Nerven schon blank. Was nicht heißt, dass weiterhin mit schlechter Laune gegeizt wird. Jetzt wird sich noch geweigert, die Schuhe selber anzuziehen und anschließend durchs Treppenhaus gepoltert. Der Spuk findet kein Ende. Es sei denn…Ja, es sei denn, Frau Nachbarin steckt den Kopf aus der Tür.

Dann ist ganz schnell Schluss mit grimmig Gucken oder Trotzanfällen seitens der kleinen Wutzwerge. Im Gegenteil. Schnell das Pokerface und ein schüchternes Lächeln aufgesetzt, verwandeln sich unsere Kinder binnen Sekunden in scheinheilige Engelchen, die kein Wässerchen trüben könnte. „Sie haben aber liebe Kinder!“ entfährt es dann Frau Nachbarin jedes Mal enthusiastisch, während es in uns Eltern noch brodelt. Fehlt nur noch, dass sie fragt, warum mein Mann und ich denn gerade so genervt an ihrer Tür vorbeimarschieren, so gut gelaunt, wie die Kinder doch sind.

Auch die Kindergartenleitung hatte bei unserem letzten Elterngespräch nur warme Worte für Maxi übrig. „Also das ist ja so ein Süßer! So lieb und schüchtern, spielt er immer friedlich vor sich hin. Ganz umgänglich der Junge!“ Während sie sprach, überlegte ich fieberhaft, ob es vielleicht einen Doppelgänger im Kindergarten gibt, den sie da gerade in höchsten Tönen lobt. Meinen Maxi jedenfalls erlebe ich eher laut, wild und anstregend zuhause.

"Sie haben aber ein liebes Kind!"
Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Es ist völlig egal, ob Frau Nachbarin oder die Kindergartenleitung meinem Sohn begegnen. Es kann auch Herr Unbekannt an der Wursttheke oder meine Schwägerin sein, die Maxi alle paar Tage mal sieht. Sind die Kinder nicht bei mir oder meinem Mann, benehmen sie sich anders als Zuhause. Meistens zu ihrem Vorteil. Nur habe ich davon leider nichts.

„Jaja, der kann auch anders“ entgegne ich in solchen Momenten dann. Sicherlich wie jede andere Mutter, die das Süßholzgeraspel von ihren Mitmenschen über ihre Kinder manchmal nicht mehr hören kann. Ein lächelndes Nicken ist dann die Folge, das mehr Ungläubigkeit über meine Worte verrät, als überzeugte Zustimmung. Früher habe ich das Abwinken von Eltern, zuhause könnte der Nachwuchs sich tatsächlich wie die Axt im Walde benehmen, für maßlos übertrieben gehalten. Damals hatte ich auch noch keine Kinder und wusste alles.

"Sie haben aber ein liebes Kind!"
„Freu dich doch, dass deine Kinder dir so nahe stehen, dass sie sich trauen, sich bei dir in allen Facetten zu zeigen. Das zeugt doch von Vertrauen!“ So manches Mal hörte ich schon diesen Satz. Und ich kann dem nicht einmal widersprechen. Natürlich freue ich mich, dass sich Mini und Maxi bei mir gehen lassen, dass sie sich auch trauen, ihre Wut und ihren Frust zu äußern. Dass sie Grenzen austesten wollen.

Und es ist auch nicht so, dass ich Frau Nachbarin und Frau Kindergartenleitung nicht zustimmen würde. Meine Kinder sind lieb. Definitiv. Nur manchmal wünsche ich mir eben, dass ich noch ein bisschen öfter ihre Engelsseiten erleben darf. Dass ich mitbekomme, wie mein Sohn lieb und ruhig wie im Kindergarten vor sich hinspielt. Dass er sich ohne Geheule an Regeln hält. Und manches heimliche Mal wünsche ich mir auch, dass meine Nachbarn, Bekannten und die größere Familie mal die kleinen Wutzwerge kennenlernen, die da in den beiden Jungs stecken. Ich glaube das wäre für alle Parteien durchaus erfrischend.

6 Gedanken zu „„Sie haben aber ein liebes Kind!““

  1. Julia sagt:

    Quatsch :) ! Sei froh, dass sie sich nur zuhause austoben, denn jeder andere Ort bedeutet mehr Stress und Handlungsbedarf. Irgendwo toben sich fast alle Kinder aus und es zeugt von Intellekt und guter Erziehung, wenn sie wissen, wo das am besten geschieht.

    1. Christine sagt:

      Hallo Julia,

      sei willkommen auf meinem Mama Blog!
      Man glaubt es kaum, aber: Gestern Abend, als der Mann mit den Kindern von den Großeltern nach Hause kam, erzählte er mir doch tatsächlich, dass Maxi in Richtung Oma gespuckt und gehauen hatte. Also durfte sie auch mal schimpfen, auch, wenn unser Großer das anscheinend ziemlich lustig fand und weiter Quatsch machte. Da dachte ich auch: Passend zu meinem Blogbeitrag!
      Vielen Dank für deinen Kommentar!
      Christine

  2. Rosalie sagt:

    Um 6 Uhr? OMG! Nix für ungut, aber da behalt ich doch lieber meine, die ich um acht zum Kiga wecken muss… Aber sind eben die Gene bei uns. Gibt in der ganzen Familie nur Langschläfer.

    Neulich an der Wursttheke: Wollen die Mädchen ein Stück Wurst? Die sind ja süß! Richtige Engelchen und so lieb miteinander!
    Ich bekomme das Paket über die Theke und die Wurst dazu. Jedes Kind bekommt ein Stück und wir fahren Richtung Saftregal. Gerade außerhalb der Sichtweite der Wurstverkäuferin: Große will der Kleinen die Wurst wegnehmen. Kleine beißt Große. Große schreit wie am Spieß. Große haut Kleine. Kleine schreit und kneift Große. Wurst landet auf dem Boden. Beide schreien.
    Zuckersüß und so lieb – Sie kennen das…

    1. Christine sagt:

      Tja, ich frag mich auch, von wem die Kinder das frühe Aufstehen haben. Von uns Eltern garantiert nicht! Aber das wird hoffentlich noch…
      Super, beim nächsten Mal drehst du direkt wieder um und fährst mit dem Einkaufswagen nochmal demonstrativ an der Wurstverkäuferin vorbei, während deine süßen Engelchen sich die Haare wegen dem Stück Wurst ausreißen!
      Liebe Grüße
      Christine

  3. Si Ri sagt:

    Hallo,
    so ist’s bei uns auch! Kaum hole ich sie vom Kiga/der Oma oder sonstwo ab – geht schon im Fahrradanhänger das Gestreite los und spätestens daheim heult mindestens eins von zwei Kindern ????????
    Lg Silke
    Ach – und früh wach sind wir auch immer! ????????????

    1. Christine sagt:

      Immerhin sitzt du nicht auch noch im Fahrradanhänger mit drin und hast so (zumindest körperlich) ein bisschen Abstand zu dem Geschehen hinter dir ;-)

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