„Mama, hast du eine neue Tasche?“ Der Tag war lang gewesen, vor allem für die Kinder. Es war ein Samstag und Samstag bedeutet Großelterntag. Zumindest für unseren Nachwuchs. Für meinen Mann und mich nennt sich der sechste Tag der Woche „Pärchentag“ und den verbrachten wir dieses Mal im Einkaufscenter. Mit Bummeln, sich an Massen von Leuten vorbeiquetschen und kreischenden Kindern an den Händen (Gott sei Dank an denen der anderen Eltern). Herrlich! Vor allem, wenn man wieder Draußen ist aus dem Trubel und sich Zuhause an seinen Beutestücken erfreuen kann.
Das tat ich auch; ist eine neue Handtasche für Frauen schließlich immer ein Grund zum Jubeln. Männer machen sich da weniger draus. „Schon wieder eine Tasche?“ kommt dann. Oder „Die Alte war doch noch gar nicht kaputt!“. Nun, meine war es definitiv und so kam ich glücklicherweise um sämtliche Neckereien drum herum. Dass ich die Tasche abends zum Abholen der Kinder mitnahm, stand außer Frage. Gerade trugen wir die schlafenden Kinder die vier Stockwerke zu unserer Wohnung hinauf, als sich ein schlafendes Auge öffnete und es von Papas Arm müde in meine Richtung piepste: „Mama, hast du eine neue Tasche? Die sieht aber schön aus!“ Und schon war das Auge auch wieder zu und Maxi wieder eingeschlafen. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, aber es war nur der Auftakt zu einer Serie, von der ich als reiner Jungsmama nur zu Träumen wagte.
Denn egal, um welche typischen „Mädchenthemen“ es sich dreht, Maxi ist immer ganz Vorne mit dabei. „Mama, kannst du mir heute nach dem Kindergarten Nagellack auf die Nägel machen? Den Pinken will ich!“ „Zu Weihnachten wünsche ich mir vom Christkind einen Hello-Kitty-Pullover!“ Und wenn mein Mann beim Friseur war, fällt es Maxi noch vor allen Anderen auf.
Natürlich, vierjährige Kinder interessieren sich grundsätzlich für alles was glitzert und bekommen Veränderungen in ihrer Umgebung mit. Aber es ist bei uns doch sehr auffällig, dass das vor allem Maxi betrifft. Natürlich will Mini dann auch roten Nagellack auf seinen winzigen Fingernägeln und kann mir mit seinen drei Jahren schon Komplimente zu meiner neuen Hose machen („Die sieht aber schön aus, Mama!“). Und trotzdem hat er ein größeres Interesse an Baggern, Autos und Bussen. Er würde sicher keine langfristige Beziehung mit der Hello-Kitty-Katze eingehen.
Peinlich sind mir Maxis Verhalten und seine Vorlieben für „Mädchen“-Kram dabei nicht. Ich erfülle ihm gerne seine Wünsche diesbezüglich. Aber nicht, weil ich unbedingt die Mädchen-Mama in mir ausleben muss. Nur, weil ich keine Tochter habe, der ich rosa Kleidchen und Glitzerschuhe kaufen kann, muss mein Sohn jetzt nicht für alles herhalten. Auch, wenn er im Kindergarten gerne mal herrenlose frauchenlose Haargummis sammelt und sich damit kleine Zöpfe bindet und grundsätzlich ein Faible für pinkes Zeug hat, heißt das für mich noch lange nicht, dass ich nun alles nur noch aus der Mädchenabteilung kaufe.
Maxi spielt auch gerne mal den wilden Wolf und beißt unschuldige Opfer (vor allem seinen nicht immer unschuldigen Bruder) oder trägt dunkle Shirts mit gefährlichen Dinosauriern drauf. Wenn das nicht „typisch männlich“ ist! Und trotzdem erfreue ich mich an seiner femininen Seite, wenn er sie auslebt. So habe ich in manchen Momenten doch weiblichen Nachwuchs hier sitzen, mit dem ich Mädelskram veranstalten kann. Wozu brauche ich eine Tochter, wenn ich zwei vielschichtige Kinder hier habe?
Zu Maxis viertem Geburtstag gab es dieses Jahr dann von der Verwandtschaft eine bunte Mischung aus allem an Geschenken. Einen blau-rot-gestreifter Rucksack, eine Trommel, einen Arztkoffer und eine Werkbank. Ein Stickeralbum mit Glitzerstickern war auch dabei. Ich habe mich sehr für ihn gefreut, dass es alles Geschenke waren, die ihn angesprochen haben. Und ja, die „Hello-Kitty“-Karte, die Sie auf dem Foto erkennen können, haben mein Mann und ich ihm geschenkt. Und nein, das pinke Geschenkpapier mit den niedlichen Einhörnern drauf habe ich nach kurzem Überlegen im Laden stehen gelassen.
Ja, es ist offensichtlich, dass mein ältester Sohn Interesse an Mädchensachen hat, aber deswegen stecke ich ihn nicht in eine rosane Schublade und meinen Mini in eine Blaue. Es gibt nämlich noch ganz viele Farben dazwischen und die werden hier genauso ausgelebt. Ich glaube, Kinder in dem Alter sind von sich aus selten „nur“ Mädchen oder „nur“ Jungen. Vielleicht ist es eher unsere innere (bzw. die gesellschaftliche) Haltung, zu wem wir sie in dieser Phase ihres Lebens machen. „So ein Christkind hätte ich damals auch gerne gehabt“ kommentierte Maxis Erzieherin bewundernd seinen neuen Pullover mit der Comic-Katze. Und sagte mir, dass sich andere Mütter „sowas“ leider noch nie getraut hätten während ihrer langjährigen Zeit im Kindergarten.
Natürlich macht mich das stolz. Aber irgendwie auch traurig, dass dieses ganze Mädchen-/Jungsklamotten-Getue so einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft hat, dass Eltern sich schwer damit tun, Grenzen zu sprengen und sich über Konventionen hinwegzusetzen. Versuchen wir doch öfter mal wieder, die Bedürfnisse unserer Kinder in den Vordergrund zu stellen und nicht unsere Ängste! Und wenn der Sohn doch eher zu pinken Socken tendiert oder die Tochter am Liebsten zum Werkzeug greift, dann sollten wir Eltern lieber über die Vielfalt in unseren Kindern staunen, als beschämt wegzuschauen oder verärgert zu sein. Wer weiß, was für kreative und selbstbewusste Menschen (gerade deswegen?) in ihnen stecken?
Ssrah sagt:
Dein Sohn könnte meiner sein! Er wird bald 4. liebt pink, Lippenstift, Glitzer, sein pinkes Pony und Nägel malen. Spielt am liebsten mit seinen Autos und neuerdings Dinos. An der Fasnacht war er eine Prinzessin, nein kein Prinz, mit rosa Kleidchen. Zum Geburtstag gibts ein grünes Velo (da es sein kleiner Bruder mal noch beerben soll) mit pinker Klingel. Ich brauche auch kein Mädel ;-)
Christine sagt:
Hallo :)
Vielleicht sollten wir unsere Söhne mal miteinander Prinzessin spielen lassen ;-)
Schön, dass du deinen Sohn seine Vorliebe zu Mädchenkram ausleben lässt (zumindest lese ich das aus deinem Text heraus).
Lieben Dank für deinen Kommentar!
MärzenMama sagt:
Hallo zusammen! Mein Sohn ist neulich fünf geworden. Er ist die Mama (!) seiner Stoffkatze Flocki und entsprechend die Oma (!) von deren Kind, dem Leoparden-Baby mit Namen Leonie… Und gestern abend durfte ich mal wieder liegend auf dem Sofa chillen, mit dem Kopf am Fußende… Während Sohnemann mit meinen Haaren Friseur spielte… Als ich wieder aufstehen durfte, war mein Kopf voller Spangen und Klämmerchen! :-o Heiraten will der kleine Mann später aber auf jeden Fall eine Frau. Nichts gegen Homos, doch da er nun leider Einzelkind bleiben muss, freue ich mich, auf diese Weise irgendwann doch noch eine Chance auf ein, zwei Enkelchen zu haben… Aber über die feminine Seite meines Sohnes freue ich mich genauso! Nee, ich vermisse keine Tochter… Mein viertes und letztes Baby war auch ein Junge, und wäre mir und meinem Mann absolut willkommen gewesen. Hauptsache gesund!! Aber genau das war uns leider nicht vergönnt. Der Kleine war schwer behindert, und wir haben uns schweren Herzens gegen sein Leben entschieden. Weil ich als Mama leider auch nicht wirklich gesund bin. Und ich die vielen Extras einfach nicht gepackt hätte.
Christine sagt:
Liebe MärzenMama,
ich finde es schön, dass du deinen Sohn nicht beeinflusst und ihn in seinem „Mädchenwahn“ (bzw. Mama- und Omawahn ;-)) machen lässt! Und die Chancen auf Enkelkinder scheinen ja doch noch vorhanden zu sein…
Tut mir leid für deinen vierten Jungen. Ich wünsche dir (und deinem Mann), dass du dich bzgl. eurer Entscheidung nicht quälst. Ihr habt aus tiefstem Herzen heraus gehandelt – auch, wenn das manchmal bedeutet, ein Leben wieder gehen lassen zu müssen. Ich bin mir sicher, dass dein Sohn jetzt im Himmel seinen Frieden hat und als Schutzengel über euch wacht.
Alles Liebe dir! Ich bin berührt. Danke, dass du deine Geschichte mit mir und meinen Leserinnen geteilt hast ♡
MärzenMama sagt:
Gerne, Christine. Und danke gleichfalls!