Früher als Kinderlose hatte ich die romantische Vorstellung von der Mutterrolle, das Leben mit Kindern sei eine einzige Aneinanderreihung von beglückenden Momenten. Damals konnte ich mir noch nicht vorstellen, dass tägliche Wutanfälle, laut herumalbernde Kinder und das permanente Gefühl der Fremdbestimmtheit, ein Leben nur noch für den fordernden Nachwuchs zu führen, mein hochsensibles Wesen so dermaßen an seine Grenzen bringen würden, dass es mir oft genug schwer fällt, mein Leben als Mama zu genießen. Aber es gibt sie tatsächlich auch: Die Dinge am Mamasein, die ich so liebe!
1. Bücher vorlesen
Ich gebe zu, ich bin eine leidenschaftliche Vorlese-Mama. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich schon immer gerne mit deutscher Sprache, Gedichten und Büchern aller Art beschäftigt habe. Sobald ich mit meinen Söhnen auf dem Sofa sitze und ein schönes Buch aufklappe, beginnt für uns drei eine Reise in eine faszinierende Welt. Manchmal ist es auch eine Welt, die ich als Kind schon kennenlernen durfte und nun meinen Kindern zeigen kann.
Wir reisen zu Madita und ihrer Schwester Elisabet nach Bullerbü, bangen gemeinsam mit dem kleinen Siebenschläfer Glisglis, ob er noch rechtzeitig zum Eintreffen von Sankt Nikolaus geweckt wird und tauchen ein in die verrückte Welt von Pettersson und Findus. Jedem Huhn, jeder Katze oder jedem Menschen dabei eine individuelle Stimme zu verleihen und die Geschichte damit noch lebendiger zu machen, macht mir unheimlich Spaß und zaubert auch meinen Jungs jedesmal ein Lächeln ins Gesicht.
Nebenbei ist das Vorlesen für mich auch eine wunderbare Gelegenheit, meinen Kindern sowohl geistig, als auch körperlich sehr nah sein zu dürfen. Gerade unser fünfjähriger Maxi ist sonst nämlich nur schwer zum Kuscheln zu bewegen. Außerdem ist Geschichten vorlesen auf dem Sofa unausgesprochen hampelfreie Zone, was meinen überstrapazierten Nerven nur zugute kommt.
2. Meinen Kindern eine Freude bereiten
Mit der Zeit als Mama habe ich festgestellt, dass ich meine Liebe lieber passiv als aktiv vergebe. Ich nenne es so, weil es mir unheimlich schwer fällt, z.B. aktiv mit meinen Kindern zu spielen. Lieber sorge ich passiv im Hintergrund dafür, dass es ihnen gut geht. Ich schnibble ihnen nachmittags Äpfel klein und richte ihnen einen leckeren Snackteller her, ich organisiere Maxi eine Reittherapie und scheue dabei keine Kosten und Mühen, weil ich überzeugt davon bin, dass es ihm guttut und ich fülle liebevoll die Nikolausstiefel mit Sachen, für die ich vielleicht einen extra Umweg gefahren bin, weil ich sie den Kindern unbedingt schenken wollte.
Wenn ich dann in die strahlenden Augen meines Ältesten schaue, während er lachend vor Freude auf dem Reitpony an mir vorbeitrabt oder mir am Nikolausmorgen ein euphorisches „Mama, ist das nicht der Waaaaahnsinn, was der Nikolaus mir gebracht hat?“ entgegenruft, schäumt mein Herz vor Glück fast über.
3. Leben und leben lassen
Dies ist ein Punkt, den ich mir schon vor der Kinderplanung vorgenommen habe: Ich wollte meine Kinder immer so sein lassen wie sie sind und sie in ihren individuellen Vorlieben, Wünschen und Charakterzügen bestärken und unterstützen. Als hochsensible Person weiß ich selbst nur zu gut, wie schädigend es sein kann, wenn man sich nicht so entfalten darf, wie man es möchte und bräuchte.
Deswegen erlaube ich meinem Maxi, seine Vorliebe für pinke Schuhe und Hello Kitty auszuleben und akzeptiere es, dass unser Mini vor Fremden seine Schüchternheit auspackt und während der Sprachuntersuchung beim Amtsarzt keinen einzigen Ton herausbringt oder der Uroma zur Begrüßung nicht Hallo sagt, sondern verschämt wegguckt. Ich gebe zu, gerade das verschüchterte Verhalten ist für mich an manchen Tagen schwer auszuhalten, vielleicht, weil man bei mir damals auch immer meine Schüchternheit kritisiert hat. Ich arbeite daran, für meine Kinder.
4. Mich selbst kennen lernen und Über mich hinauswachsen
Als Kinderlose dachte ich immer, ich kenne mich nach knapp dreißig Jahren meines Daseins inzwischen gut genug. Ehrlich gesagt kann das nur die Spitze vom Eisberg gewesen sein, denn erst seitdem ich Mutter bin, habe ich eine ungefähre Vorstellung davon, wer ich bin, was mich ausmacht und welche Wünsche und Sehnsüchte noch in mir schlummern.
Das ist auf der einen Seite sehr anstrengend, denn die Zeiten meiner damaligen postpartalen Depression und auch die Momente des Unwohlfühlens in der Mutterrolle sind sehr kräftezehrend und bringen mich letztendlich immer wieder zu dieser einen Gewissensfrage: Wie unbeschwert bzw. beschwert werden meine Kinder unter den Voraussetzungen überhaupt aufwachsen können? Werden sie ihre Kindheit rückblickend trotzdem als weitesgehend glücklich empfinden?
Und auf der anderen Seite bin ich so sehr dankbar für all diese Erfahrungen und Erkenntnisse über mich selbst, die mich immer wieder treffen können. Ohne meine Kinder hätte ich wohl niemals die Dringlichkeit meines Bedürfnisses nach tiefgehenden Gesprächen und einer sinngebenden Aufgabe in meinem Leben erkannt. Wäre ich nicht Mama, gäbe es diesen Blog nicht und ich hätte niemals diese vielen lieben Mütter kennengelernt, die unter ähnlichen Selbstzweifeln leiden und täglich mit ihrem Nachwuchs an ihre Grenzen kommen.
Ohne mein Mamasein verliefe mein Leben sicherlich geordneter, unaufgeregter und in mancher Hinsicht vielleicht vorzeigbar. Stattdessen lernen mich Fremde im Supermarkt oder Verwandte auf dem Familiengeburtstag als Frau kennen, die, wenn sie gestresst ist, ihren Nachwuchs auch mal unfair anherrscht und nicht immer die souveräne Person abgibt, die sie im kinderlosen Zustand vielleicht wäre.
Aber genau dafür liebe ich auch mein Mamasein: Dass ich täglich die Chance bekomme, es besser zu machen, nämlich nach meinem Maßstab, die Dinge und Menschen um mich herum in Liebe zu betrachten. Und manchmal gibt es diese Momente: Wenn der große Bruder dem Kleineren sein Spielzeug aufgrund seines eigenen Unmuts kaputt gemacht hat und ich es schaffe, statt herumzubrüllen und ihn zu bestrafen, den Unruhestifter in den Arm zu nehmen und zu seinem eigentlichen Bedürfnis hinzuspüren.
Wenn ich einen Kindergeburstag auf die Beine stelle, obwohl ich kein typischer Organisator bin und mich hinterher noch selbst übertreffe. Wenn ich aus Liebe zu meinem Sohn zu Nadel und Faden greife, obwohl ich dafür erst einen Crashkurs bei meiner Mutter in Sachen Nähen machen musste. Dann wachse ich über mich hinaus und lerne mich noch einmal von einer ganz anderen Seite kennen.
5. Kleine, überraschende Momente des Glücks
Ich gebe zu, sie sind rar gesät, aber es gibt sie. Diese winzigen Momente, vielleicht nur einen Wimpernschlag lang, die eine Welle von Glücksgefühlen in mir auslösen. Ein mit den Händen geformtes Herz meines Jüngsten („Mama, ich schenke dir ein Herz, weil ich dich so lieb habe!“), die spontane Umarmung meines Ältesten oder der perfekte Weihnachtsmarktbesuch, bei dem die ganze Familie ihre Freude hat und kein Streit die friedliche Stimmung trübt, kein Kind nölt, weil die Karussellfahrt schon zu Ende ist oder kalte Finger zum frühzeitigen Aufbruch drängen.
Diese Momente wiegen bei mir nicht all die schweren Momente auf, wie es andere Mütter oft betonen (und ich freue mich ehrlich für sie!). Sie kommen plötzlich und unerwartet und sind genauso schnell wieder vorbei. Aber ich versuche, sie mir im Herzen zu behalten, auch wenn mein Verstand sie schon längst wieder vergessen hat.
Und was liebst du am Mamasein?
Lili sagt:
Das mit dem Liebe eher passiv ausdrücken, finde ich schön gesagt. Ich sehe meine Mamarolle auch eher als stiller liebevoller Rahmen, innerhalb dessen meine Tochter frei und so selbstbestimmt wie möglich leben kann.
Mittlerweile ist sie fast neun und ich finde es sehr schön, mich ihr zeigen zu können, wie ich wirklich bin. Wir scherzen darüber, dass ich (gefühlt) vier Tage brauche, um mich von einem Besuch im Indoor-Spielplatz zu erholen :-)
Sie weiß, dass ich sie über alles liebe, und ich hoffe, dass ich ihr ein Vorbild darin bin, ehrlich zu sich selbst zu sein und die eigenen Grenzen wahrzunehmen.
Ach ja, und mein Selbstbild hat sich nach dem Mamawerden so wie bei dir auch deutlich erweitert :-)
Christine sagt:
Liebe Lili,
es freut mich sehr zu lesen, dass deine Tochter in einem Alter ist, in dem ihr über die Hochsensiblität auch reden könnt. Das hilft sicherlich euch beiden weiter!
Ich glaube auch fest daran, dass du ihr ein gutes Vorbild bist <3
Am Samstag fahren wir mit den Jungs auch zu einem Indoor-Spielplatz. Ich werde an dich denken (und wahrscheinlich anschließend die nächsten vier Tage noch) ;-)
Liebe Grüße
Christine
Christina sagt:
Ich liebe es mit meinem Sohn (4) zu malen. Da ist er wie auch beim vorlesen nicht so zappelig wie sonst :-)
Christine sagt:
Hallo liebe Christina,
ich beneide dich ein wenig, meine Söhne sind leider nicht so malfreudig, vor allem nicht der unruhigere Ältere. Zwei Sekunden und wir können die Buntstifte wieder wegpacken ;-) Schön, dass es bei euch klappt und ihr beide Spaß daran habt!
Liebe Grüße
Christine
MONI sagt:
Hallo Christine,
das liest sich wie eine Rechtfertigung dass du eine gute Mutter bist,aber das hast du denke ich nicht nötig. Das kann jeder erkennen der deine Texte kennt. Liebe hat viele Wege ihren Ausdruck zu finden und Ehrlichkeit ist immer der beste Weg um mit sich im Reinen zu bleiben. Ich liebe die Momente der heftigen Umarmungen meiner Kleinen (fast 4) und der leuchtenden Augen nur weil man verstecken im Dunkeln spielt oder das Lieblingsstofftier tröstest. Oder wenn nachts ins Bett gekrochen wird weil man irgendwie doch Angst hat und Mams ja einen am besten beschützen kann…Mach weiter so. Was soll ich sonst lesen?:)
Christine sagt:
Liebe Moni,
tatsächlich hatte ich fast befürchtet, dass dieser Artikel wie eine Rechtfertigung anmutet, insbesondere nach dem Gegenwind zu meinem letzten Blogbeitrag. Allerdings war „5 Dinge, die ich am Muttersein so liebe“ schon länger geplant. Nicht um meine Leserinnen oder Kritiker zu beruhigen, sondern vor allem, weil Pusteblumen für Mama ein Blog ist, in dem alle Facetten einer hochsensiblen Mutter zur Sprache kommen sollen, eben auch die schönen Momente und Gefühle :)
Außerdem sind solche Beiträge auch für mich selbst geschrieben, für ernstere oder auch traurige Durststrecken, damit ich mich daran erinnern kann und sie mir zeigen, dass eben nicht alles bedauernswert ist am Muttersein.
Ich danke dir aber sehr für deine lieben Worte und ich freue mich, dass du so gerne bei mir mitliest :)
Liebe Grüße
Christine
Elle sagt:
Liebe Christine,
unser Kosmos ist ja noch klein, weil meine Tochter erst wenige Monate alt ist. Ich liebe es, wenn sie lacht. Seit neuestem auch laut, wenn man Quatsch mit ihr macht. Wie sie sich freut, wenn sie aufwacht und ich sie aus der Federwiege hole oder wie friedlich sie schläft.
Ich freue mich, wenn sie größer wird und wir uns so richtig miteinander beschäftigen können. Aber es ist ein steiniger Weg für mich, leider.
Gruß Elle
Christine sagt:
Liebe Elle,
auch, wenn es sich für dich leider wie ein steiniger Weg anfühlt, so ist es doch sehr schön zu lesen, dass du es schaffst, dich an so vielen Dingen zu erfreuen! Da freue ich mich für dich mit :)
Liebe Grüße
Christine
Monika sagt:
Liebe Christine,
du hast beschrieben, wie schwer es dir manchmal fällt, das schüchterne Verhalten deines Sohnes auszuhalten. Das ist auch ein sehr großes Thema für mich.
Meine Tochter ist anderthalb Jahre alt und zeigte schon früh hochsensible Tendenzen. In neuen Umgebungen braucht sie sehr lange um warm zu werden, lächelt nicht sofort jeden lieb an, weint schnell wenn ihr alles zu viel oder zu laut ist.
Für mich ist es eine sehr große Herausforderung, ihre Art und ihr Verhalten stets zu akzeptieren und den Impuls zu unterdrücken, mich bei allen für sie zu entschuldigen, sie zu rechtfertigen und ihr damit (in)direkt zu vermitteln, dass Mama jetzt anderes Verhalten super fände.
Ich bin der Überzeugung, dass hier eine verinnerlichte Ablehnung von derart sensiblem, „unangepasstem“ Verhalten wirkt, die über mein ganzes Leben gewachsen ist (Stell dich nicht so an! Hör endlich auf zu weinen!) Ich beginne gerade erst damit, meine Hochsensibilität als eine Eigenschaft und nicht als Störung wahrzunehmen, mich von den negativen Selbst-Bewertungen der Vergangenheit zu lösen aber mir ist jetzt schon klar:
Ich will es unbedingt schaffen, dass ich meiner Tochter vermittle, dass sie einfach gut so ist, wie sie ist. Ich wünsche mir für sie, dass sie (falls sie wirklich eine hochsensible Person werden sollte) einen selbstbewussten, selbstliebenden Umgang damit entwickelt und eben nicht ihr Leben lang versucht jemand anderes, „normal-sensibles“ zu sein weil ihre Umgebung ihr immer suggeriert hat, dass das der einzig richtige und wichtige Weg ist, in dieser Welt klarzukommen.
Ich empfinde es als eine enorme Chance, dass hochsensible Mütter wie wir unseren ggf. hochsensiblen Kindern helfen können, eine neue, bewusstere, aufgeklärtere und vielleicht glücklichere Generation von Hochsensiblen zu werden!
Das liebe ich am Mutter-Sein :-)!
Vielen Dank für deinen Blog. Du leistest damit einen sehr wichtigen Beitrag.
Liebe Grüße, Monika
Christine sagt:
Liebe Monika,
bei deinen Worten wird mir ganz warm ums Herz!
Deine Tochter kann sich wirklich glücklich schätzen, so eine mitfühlende und engagierte Mutter zu haben! Ich danke dir sehr, dass du uns an deinen Erkenntnissen und wertvollen Gedanken hast teilhaben lassen.
Alles Liebe dir ♥