Mama-Momente

Das letzte Mal… Sehnsucht nach kinderlosen Zeiten

Lauthals und wahrscheinlich mindestens genauso schief meine derzeitigen Lieblingssongs mitträllern – wann habe ich das eigentlich das letzte Mal gemacht? Ich bin allein, ich sitze in meinem Lieblingssessel, die quietschrosa Kopfhörer auf den Ohren und lausche den himmlischen Melodien, die mich weit wegtragen. Weg von meinen Sorgen, weg von meinem Alltag und vor allem weit weg von meiner Rolle als Mutter. Singen befreit Geist und Seele.

Ins Auto steigen, einfach losfahren, ohne zu wissen, wohin die Fahrt geht – wann habe ich das eigentlich das letzte Mal gemacht? Mein Mann und ich rasen durch die Dunkelheit, weit nach Mitternacht besuchen wir fremde Städte, hören dabei schöne Musik und genießen lediglich die Anwesenheit des Anderen. Es ist völlig egal, wann wir zurückkehren, denn zuhause wartet Niemand auf uns.

Das letzte Mal...Sehnsucht nach kinderlosen ZeitenDie nackten Füße im Wasser, den Blick auf das weite Meer gerichtet – wann habe ich das eigentlich das letzte Mal gemacht? Der Strand ist menschenleer, nur ein paar Möwen umkreisen mit vorsichtiger Distanz meinen Kopf. Ihr Kreischen erfüllt mein Herz. Ich fühle mich frei, der Wind pustet mir ins Gesicht, zerstört meine Frisur, aber es kümmert mich nicht. Hier bin ich einfach ich.

Verregnete Sonntagnachmittage auf dem Sofa herumgammelnd verbringen – wann habe ich das eigentlich das letzte Mal gemacht? Wir schauen Titanic, Der Herr der Ringe oder sonstige Mehr-Stunden-Filme, die Chipstüte dabei in der einen, das Glas Rotwein in der anderen Hand. Niemanden stört dieses unproduktive Dasein, Niemand braucht mehr Action. Anschließend wird weiter gegammelt.

Das letzte Mal...Sehnsucht nach kinderlosen ZeitenAuf den runden Geburtstag der lieben Verwandten gehen, auf den ich mich schon seit Wochen freue – wann habe ich das eigentlich das letzte Mal gemacht? Ich stehe stundenlang im Badezimmer, schminke mich, mache meine Haare und habe auf meinem Bett zig Outfits ausgebreitet, die alle als Favorit in Frage kommen. Niemand stört mich dabei. Keiner klaut meinen Lippenstift, um damit im Nebenzimmer die Tapete zu verschönern. Niemand wird im letzten Moment krank, um mich von diesem Event abzuhalten.

Über die Kirmes schlendern, den Liebsten im Arm, das Lebkuchenherz um den Hals – wann habe ich das eigentlich das letzte Mal gemacht? Wir lassen uns treiben, Niemand hetzt uns. Die Kinderkarussells lassen wir gekonnt hinter uns; tobende Kinder, die ihre Eltern anflehen, noch ein zwölftes Mal Bus fahren zu dürfen, ignorieren wir, denn wir schlendern bereits weiter.

Das letzte Mal...Sehnsucht nach kinderlosen ZeitenDie Koffer packen, ins Flugzeug steigen und für ein paar Tage Urlaub machen – wann habe ich das eigentlich das letzte Mal gemacht? Wir liegen stundenlang am Strand, entdecken historische Altstädte oder machen eine Rucksacktour durch die faszinierende Wildnis. Niemand meckert, weil die anderen Kinder schönere Schaufeln dabei haben. Keiner stöhnt, wie langweilig der Ausflug ist. Niemandem schmerzen bereits nach zweihundert gewanderten Metern die Füße.

Spontan Ausgehen mit ein paar Freundinnen, unter der Woche – wann habe ich das eigentlich das letzte Mal gemacht? Wir lachen, wir haben Spaß, wir trinken ein oder ein paar weitere Gläschen Sekt, weil Keine stillen muss oder ein Kind unter ihrem Herzen trägt. Niemand guckt auf die Uhr, Keiner wird bereits um 21 Uhr müde.

Von der Arbeit heimkehren, die Kaffeemaschine anschmeißen und einfach nur die Füße hochlegen – wann habe ich das eigentlich das letzte Mal gemacht? Ich genieße die Stille, die mich umgibt. Ich schlürfe den Milchschaum, checke nebenbei meinen Twitter-Account und genieße meinen Feierabend. Niemand verlangt noch etwas von mir. Kein knatschiges Kind muss noch ins Bett gebracht werden. Niemand steht mehr auf, weil er noch Durst hat.

Das letzte Mal...Sehnsucht nach kinderlosen ZeitenAusschlafen am Wochenende, um danach ausgiebig zu frühstücken – wann habe ich das eigentlich das letzte Mal gemacht? Ich drehe mich noch zwei-, drei-, fünfmal um, ehe ich langsam Richtung Frühstückstisch schlurfe. Kein überdrehtes Gekreische aus dem Kinderzimmer weckt mich, Niemand beschwert sich über die späte Mahlzeit. Ich darf mein Toast warm verspeisen, ohne zwischen Schmieren und Belegen noch dreimal in die Küche rennen zu müssen, weil die Milch fehlt, anschließend verschlabbert und dann aus einem andersfarbigen Becher getrunken werden muss.

„I want to be alone, living on my own…“ singen Gábor Deutsch und Judie Jay mir gerade durch die rosa Kopfhörer entgegen. Wozu Musik doch alles in der Lage ist. Sie kann Sehnsüchte wecken, Tränen auslösen und wieder trocknen, aber vor allem kann sie wie nichts anderes eine Welt öffnen, die mir in meinem Mama-Alltag zu oft verwehrt ist. Und manchmal, ganz selten, reicht es mir, diese Orte aus kinderlosen Zeiten von meinem Lesesessel aus in meiner Phantasie aufzusuchen und mir vorzustellen, ich wäre da.

Ich blicke auf die Uhr. Gleich kommt der Mann mit den Kindern heim, dann muss ich mein eigenes Ich wieder in den Hintergrund stellen und als Mama funktionieren. Ich weiß, dass auch wieder andere Zeiten kommen werden. Dann gehen die Kinder vermehrt ihre eigenen Wege und ich kann wieder all das tun und machen, worauf ich Lust habe. Wahrscheinlich werde ich dann wehmütig den Zeiten mit Kleinkind an der Hand hinterher schauen.

Verrückt genug ist das Gefühlsleben einer Mama ja schließlich!

4 Gedanken zu „Das letzte Mal… Sehnsucht nach kinderlosen Zeiten“

    1. Christine sagt:

      Danke für dein <3
      Das Bild zeigt ein ehemaliges Kloster in Valldemossa auf Mallorca. Ist aber nicht meine Aufnahme, sondern von Shutterstock.

    1. Christine sagt:

      Liebe Nicole,

      lieben Dank für deinen Link zu diesem Text! Besonders schön fand ich deinen Vergleich mit dem Wolf. Nur, weil man gerne alleine ist, zählt man eben nicht automatisch zu den Einzelkämpfern!
      Viele deiner Gedanken kann ich so nachempfinden! <3
      Freut mich übrigens, dass dir mein Newsletter gefällt!
      Viele Grüße
      Christine

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