Lebensfragen

Scheiße, wer flucht denn hier schon wieder?

Verdammt noch mal, fluchen andere Eltern eigentlich auch so oft wie wir? Ich frage deshalb, weil wir uns hier in einem gesitteten Baby Blog befinden. Da will man ja eigentlich Vorbild für die Kinder sein. Aber als Elternteil hat man schließlich allen Grund, sich öfter eines Schimpfwortes zu bedienen, als Singles, vor-sich-hin-vegetierende Pärchen Menschen in einem kinderlosen Haushalt.

Denkt man zumindest. Meiner Meinung nach steigt die Bereitschaft zum Fluchen proportional zur Geschwisterzahl und Alter des Kindes. Je mehr und je älter, desto öfter gibt es Gründe, sich entsprechend über die Rotznasen lieben Kleinen zu äußern. Die Internetseite schimpfwoerter.de verzeichnet über 3390 Kraftwörter; Deutschland scheint also ganz vorn mit dabei zu sein, wenn es ums Fluchen geht. Aber was ist, wenn die Kinder irgendwann nachplappern, was man hinter verschlossener Wohnungstür so von sich gibt? Dann kommt man plötzlich auf die Idee, ihnen das Fluchen zu verbieten. Aber ist das wirklich die beste Lösung?

„Scheiße sagt man nicht, das macht man“. Diesen Spruch bekam ich schon als Kind von diversen Erwachsenen zu hören. Allerdings von genau Denen, die selbst ganz vorne mit der Scheißerei dabei waren. Ältere Personen sind Vorbilder für jedes Kind. Zum Kuckuck, das weiß doch wohl Jeder. Und wenn Mama und Papa, Onkel und Tante und Gott weiß wer sonst noch die heilige Scheiße vom Himmel zitiert, dann muss sich keiner wundern, wenn sie unten bei unseren Kleinen auch ankommt. In einem Buch habe ich mal den Tipp gelesen, sich kreativere Wörter zum Fluchen auszudenken. „Komposthaufen“. „Veflixter Humusbrei“. „Käsequark“. In der Tat, sehr kreativ.

Das Titelbild dieses Blogbeitrages ist entstanden, weil ich die Schüssel mit Mini’s Mittagessen kurz vor Erreichen der Arbeitsplatte fallen ließ. Nein, frag nicht! Die gesamte Erbsensuppe, die soeben noch püriert werden wollte, verteilte sich mit einem ungeheuerlichen „Platsch“ großflächig auf dem Küchenboden. Mein Puls war schon auf 180, ehe die Suppe dank Erdanziehungskraft auf die Fliesen zusteuern konnte. 30 Minuten kochen umsonst, stattdessen kochte ich bereits innerlich vor Wut. Was meinst du, stieß ich mit hochrotem Kopf zwischen meinen Zähnen hervor? Humusbrei? Käsequark? Nee wie süß.

Es gibt Momente in unserem Leben, da müssen „echte“ Kraftwörter her. Die verfickte Erbsensuppe ist so ein Fall. Wenn ein beschissener Marder die Bremskabel unseres neuen Autos zerbissen hat. Wenn man sich die Finger am arschheißen Ofen verbrannt hat. Wenn Eltern am Ende eines langen Tages nervlich nur noch ein Wrack sind und der liebe Herr Sohn einen bepissten Zirkus ums Einschlafen macht. Nicht umsonst ist das Buch „Verdammte Scheiße, schlaf ein!“ ein Bestseller geworden und ein Hit unter den Top 10 der Geschenkideen zur Entbindung. Wir haben übrigens auch so ein Exemplar (wohl in weiser Vorahnung) nach Maxi’s Geburt bekommen.Scheiße, wer flucht denn hier schon wieder?

Natürlich muss man aber auch differenzieren. Nicht jede Situation ist es wert, als verdammte Drecksscheiße bezeichnet zu werden. Wenn mir im Supermarkt der kackdämliche Senf aus dem Regal fällt (ja das ist letztens erst passiert), kriege ich inzwischen vor den Kindern immer öfter ein gequältes „Mist“ von den Lippen. Das ist mein Kompromiss zwischen „Scheiße“ und „Käsequark“. Mist ist neutral und trotzdem ein passender Begriff für alle möglichen Situationen. Als mir letztens beim Anfahren am Berg mitten auf der Kreuzung im Berufsverkehr der Motor absackte, atmete ich einmal tief durch, sagte laut das Mistwort und fuhr wieder an. Zu meiner positiven Überraschung hörte ich von der Rückbank zweimal ein vorsichtiges „Nist“ aus beiden Autositzen zu mir nach vorne dringen. Ein kleiner Erfolg in der gottverdammten Scheiß-Situation, der meinen Elternstolz wachsen ließ. Das war endlich mal Öffentlichkeits-tauglich, was sie mir da nachsprachen.

Trotzdem stehe ich dazu, in gewissen Momenten laut über die blöde Scheiße zu fluchen. Und wenn Maxi dann „Mama. Scheiße.“ nachplappert, wiederhole ich es auch gerne noch einmal. Zum Teufel damit, meinen Kindern werde ich das Fluchen jedenfalls nicht verbieten. Zumindest nicht grundsätzlich. Für bestimmte Situationen benötigt ein jeder Mensch Wörter, hinter denen viel Kraft steckt, wenn man sie wütend ausspricht (weswegen heißen sie sonst  „Kraftwörter“?). Und auch Kinder sind Menschen. Fuck! Kacke! Drecksack! Probier das gleiche mal mit Humus! Kompost! Fliegenmist! Davon wirst du höchstens noch wütender, als du in dem Moment eh schon bist. Warum sollte ich also meinen Kindern verbieten, mal so richtig „Dampf abzulassen“, wenn es notwendig ist? Dass es mir dabei nicht um Beleidigungen geht, versteht sich hoffentlich von selbst. Außerdem wissen wir doch längst, dass alles, was verboten wird, nur noch reizvoller erscheint.

Wie sieht das eigentlich bei dir zuhause aus? Dürfen deine Kinder fluchen? Wenn ja, welche Wörter sind tabu oder gibt es gar keine Verbote? Durftest du selbst als Kind fluchen oder musstest du dir bei bestimmten Wörtern „den Mund mit Seife auswaschen“?

Mein lieber Scholli, bei uns müssen Mini und Maxi nichts auswaschen. Sie müssen jetzt nur noch verstehen lernen, welches Geschehen in welche Kategorie gehört, sprich, wann sie verbal wild um sich schlagen dürfen und wann doch besser die kreativeren Varianten zum Einsatz kommen mögen. Tja, wenn das mal so einfach wäre. Ach Kacke, das muss ich unseren Kindern dann wohl noch beibringen…

6 Gedanken zu „Scheiße, wer flucht denn hier schon wieder?“

  1. Anna (Mama Motte) sagt:

    Ich gebe Dir zu 100% Recht – ich finde das Wort „Scheisse“ zwar selbst nicht so toll, aber manchmal muss es eben raus…und ich werde meiner Tochter das auch nicht verbieten– aber sie soll schon lernen, wann es passend ist es anzuwenden, und wann eben nicht…und beleidigt werden darf dadurch keiner :-) in diesem Sinne: liebste Grüsse, Anna

    1. Christine sagt:

      Liebe Anna,

      das freut mich aber, dass ich mit meiner Meinung nicht alleine dastehe. Danke für dein ehrliches Feedback!
      Liebe Grüße
      Christine

  2. Kristina sagt:

    Normales fluchen über eine Situation ist doch vollkommen in Ordnung. Schlimm ist es nur, wenn solche Flüche als Beleidigung benutzt werden. Und wann solche Wörter passen und wann nicht, lernen sie von ganz alleine schon ;)
    Liebe Grüße :)

  3. localwurst sagt:

    Beim Lesen dieses Artikels musste ich unheimlich in mich hinein kichern.

    Ich versuche, mir die ganz schlimmen Dinger abzugewöhnen – „verfickt“ zum Beispiel, weil ich das von den Kindern auch nicht hören möchte. Bei „Mist“ & Co. sehe ich es aber auch lockerer. Ich kann mich selbst ganz gut aufregen, das Recht muss ich anderen auch zugestehen – und besser kurz fluchen als was kaputt zu hauen. ;-)

    1. Christine sagt:

      Hihihi, sehr gut. Es sei denn, es geht die ungeliebte Vase von Tante Traude „aus Versehen“ kaputt…

  4. Mokey sagt:

    Als Kind1 auf die Welt kam, versuchte ich mir „menno“ anzugewöhnen. Das klappte mal mehr, mal weniger.
    Mittlerweile finde ich auch „Mist“ und „Scheisse“ okay.
    Allerdings nur gegenüber Dingen, denn denen tut es nicht weh.
    Außerdem verwende ich keine Schimpfwörter, die andere demütigen, schlechtmachen oder in Schubladen stecken. Aber nicht nur gegenüber den Kindern, sondern generell nicht. Ich würde also nie jemanden oder etwas als z.B. „schwul“ bezeichnen (mir fallen nicht Mal derartige Schimpfwörter als Beispiel ein).

    Mir ist es fast lieber, das Kind ruft einmal laut „sch….“ als dieses schrille Kreischen, was es normalerweise von sich gibt, wenn etwas nicht klappt.

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