Lebensfragen

Warum ich meine Kinder in sieben Jahren noch nie vermisst habe

Zwischen den Jahren hatten der Mann und ich überraschend Kinderfrei. Nachdem unser Jüngster schon länger für die Tage nach dem Weihnachtsfest bei meiner Mutter zum kleinen Urlaub eingeplant war, sagte nun auch noch kurzfristig meine Schwiegermutter zu, unseren Großen zur gleichen Zeit bei sich beherbergen zu können – ein Angebot, das wir nicht ausschlagen konnten. Vier Tage Kinderfrei, das hieß nicht nur vier Mal Ausschlafen und vier Tage keinen Spielplatz besuchen, es bedeutete auch ein lange nicht mehr gekanntes Ausmaß an Freiheit zu erleben. Und bereits im Vorfeld stellte ich mir die obligatorische Frage, ob ich meine Kinder diesmal vermissen würde. Es wäre für mich ein völlig neues Gefühl.

Das ungute Gefühl, sein Baby für ein paar Stunden bei seinen Großeltern zu lassen. Ein Kloß im Hals beim Abgeben des Kleinkindes an seinem ersten Kindergartentag. Eine tränenreiche Verabschiedung des Vorschuljungen, der eine Woche Urlaub dreihundert Kilometer entfernt bei seiner Omi macht. Auf all diese Szenarien hatte ich mich vor der Geburt bereits eingestellt, immerhin, so wurde mir suggeriert, hielte man es ohne seinen Nachwuchs kaum fünf Minuten aus. Aber ich kenne das Gefühl, seine Kinder zu vermissen, auch heute, nach fast sieben Jahren Muttersein nicht.

Ich hätte mir im Traum nicht ausgemalt, dass ich drei Tage nach der ersten Geburt meinen Sohn den Schwiegereltern in die Hand drücken würde, um mal rauszukommen an die Luft. Ohne Kind. Durchatmen, statt Ersticken.

Die Mutterrolle erdrückte mich von der ersten Stunde an, obwohl ich mir das alles anders gewünscht hatte. Die Verantwortung rund um die Uhr für ein hilfloses Wesen zu tragen, das mich mit seinem oft undefinierbaren Geschrei genauso hilflos dastehen ließ, war zu viel für mich. Mein Tagesablauf, der nun komplett nach den Bedürfnissen des Kindes lief, obwohl mir von außen so viele sagten, die Kunst dabei sei, mit dem Kind zu leben und nicht für das Kind. Bis heute beherrsche ich diese Art der Kunst nicht und mittlerweile frage ich mich, inwieweit dieser Gedanke mit einer bedürfnisorientierten Erziehung überhaupt vereinbar ist.

Auf der einen Seite verspürte ich den tiefen Wunsch, meinen Alltag nach den Bedürfnissen meines Sohnes zu gestalten, auf der anderen Seite kollidierte dieser Wunsch mit meinem eigenen Bedürfnis, nämlich dem nach Selbstbestimmtheit.

Heute weiß ich, dass ich als Kind selbst zu viel zurückstecken musste und ich ein extremes Bedürfnis nach Freiheit, Ruhe und Alleinsein habe.

Warum ich meine Kinder in sieben Jahren noch nie vermisst habeAber was auch immer die Gründe sind, es änderte nichts daran, dass ich nach jedem Strohhalm griff, der mir ein winziges Stück Freiheit schenkte.

Kinderfreie Zeiten sind Zeiten für mich und meine eigenen Angelegenheiten. Sie bedeuten aber auch, meine Sinne nicht permanent auf die Kinder richten zu müssen. „Mama guck mal!“ „Mama, ich hab Durst!“ „Mama, ich kann nicht schlafen, da ist eine Obstfliege in meinem Zimmer.“ „Mama, der Mini ärgert mich.“ „Mama, der Maxi petzt schon wieder.“

Mein Mann rät mir dann, nicht immer so genau hinzuhören und mich nicht für alles verantwortlich zu fühlen und schon gar nicht, mich in die Streitereien der Brüder einzumischen. Das Problem für mich ist dabei, im richtigen Maß zu filtern. Was können die Kinder alleine regeln, wann brauchen sie wirklich meine Unterstützung, wann eskaliert ein Streit, aus dem sie nicht mehr alleine herausfinden?

Es ist ein Lernprozess für alle Eltern, weil alles scheinbar gleichwichtig auf sie einprasselt.

Den Begriff „Kinder“ setzt mein Verstand, seit ich selbst Kinder habe, fast ausschließlich mit Anstrengung, mit Kümmern-müssen und mit Fremdbestimmtheit gleich. Die Verknüpfung: „Kinder = schöne Momente und Bereicherung meines Daseins“ ist (noch) nicht stark genug, weil diese angenehmen Situationen nicht überwiegend meinen Mutteralltag ausfüllen. Würden die Quengeleien und vielen Anliegen der Kinder nur hin und wieder auftauchen, bezeichnete ich sie sicherlich nicht als so belastend.

Es ist nicht das Vorhandensein, sondern die Summe der Problemchen, der Pipi-Kacka-Gespräche und „Mamaaa?“-Fragen, die mir den letzten Nerv rauben und mich das Muttersein als so anstrengend empfinden lassen.

Da ich eine stark freiheitsliebende Mutter bin, ist es für mich kein Wunder, dass ich seit Anbeginn des Mamaseins keine Probleme beim Verabschieden und Zurücklassen meiner Kinder hatte, sei es vormittags im Kindergarten, bei der Tagesmutter oder für mehr als eine Woche bei unseren Eltern. Die Hauptsache für mich ist, dass ich Mini und Maxi gut aufgehoben weiß und den Aufsichtspersonen vertrauen kann.

So hatte ich bisher noch nie ernsthaft meine Kinder vermisst. Im Gegenteil, sobald es darum ging, sie wieder abzuholen, wurde mir schmerzhaft bewusst, meine kurze Zeitspanne der Selbstbestimmtheit wieder abgeben und sie mit dem „Overload“ an Kindern wieder eintauschen zu müssen, so dass ich mich nicht mal auf sie freuen konnte. Früher war dies ganz extrem mit Stimmungsschwankungen gekoppelt, so dass mein Mann schon vor Kinderfreien Tagen kaum Lust hatte, etwas Schönes mit mir zu unternehmen, weil er schon wusste, wie wahnsinnig down und gereizt ich anschließend sein würde.

Selbst nach unseren Flitterwochen auf Sardinien, zehn Tage der Tiefenentspannung, waren meine Akkus schon nach wenigen Stunden wieder aufgebraucht. „Auftanken im Voraus“ ist bei mir nicht möglich, weil meine Sinne von meinen Kindern auf einen Schlag von Null auf Hundert wieder überreizt werden.

Manchmal packt sie mich schon mal, die Sehnsucht nach dem Gefühl, seine Kinder zu vermissen. Ich würde auch gerne einfach mal fühlen, was Millionen anderer Mütter beim Verabschieden und Alleinsein fühlen. Aber dann denke ich, alles wird seine Zeit finden und schon geht es wieder.

Inzwischen ist es schon entspannter geworden mit dem Wechsel von Kinderfreien Zeiten zum Familienalltag. Für mich und somit wiederum hoffentlich auch für meinen Mann. Ich versuche in diesen freien Stunden, den Augenblick zu genießen und mir zu sagen, dass die nächste (Pärchen-)Auszeit auch wieder irgendwo wartet, auch, wenn ich sie vielleicht noch nicht sehen kann. Zumindest meine Erfahrung aus über sechs Jahren Muttersein hat mich das gelehrt, sodass auch mein Unterbewusstsein langsam davon überzeugt ist, nicht jedes Mal Panik schieben zu müssen.

Warum ich meine Kinder in sieben Jahren noch nie vermisst habeUnd nun hatten wir nach Monaten der Eigenbetreuung ganze vier Tage Pärchenzeit am Stück. Wir buchten spontan eine Übernachtung in Amsterdam, machten zuhause einen langen Spaziergang am Deich, der in dem Ausmaß mit Mini und Maxi nicht möglich gewesen wäre, und lebten ansonsten in den Tag hinein. Vier schöne Tage Entspannung und Selbstbestimmtheit, die natürlich viel zu schnell vergingen. Und schon befanden wir uns wieder auf der Autobahn, die Kinder abholen.

Ob ich meine Kinder vermisst habe? Nein.
Ob ich mich auf den bevorstehenden Mutteralltag freue? Nein.
Aber, wenn ich mich fest auf sie konzentriere, auf meine beiden Jungs, auf ihr Lachen und ihre Begeisterung in den Augen, mit denen sie von den spannenden Abenteuern bei Oma und Opa berichten, wenn ich mich nur auf das Wiedersehen konzentriere und nicht schon an die fünf Minuten später im Auto denke, wenn wieder wegen Hunger und Durst und wegen dem boxenden Bruder genörgelt wird, dann… ja, dann freue ich mich auf sie, mit jedem Kilometer, den wir ihnen entgegenfahren.

Und wenn ich diese Wiedersehensfreude meinen Söhnen gegenüber verspüre, und sei sie auch von noch so kurzer Dauer, dann hat sich gefühlsmäßig bei mir -im Gegensatz zu früher- schon sehr viel verändert. Dann ist es mir auch egal, ob ich sie vermisst habe oder nicht.

25 Gedanken zu „Warum ich meine Kinder in sieben Jahren noch nie vermisst habe“

  1. Eva-Maria sagt:

    Danke für diesen ehrlichen Beitrag. Habe ihn meinen Mann vorgelesen, er glaubte fast ich hätte ihn geschrieben.
    Du hast mir heute den Tag gerettet. Endlich mal jemand der so fühlt und denkt wie ich. Es war befreiend. Manchmal denke ich mir schon ich bin verrückt.
    Als einziger Fisch der gegen den Strom schwimmt, hat man es wirklich schwer.
    Zurzeit finde ich die Art von Mutter sein als Fluch. Ich denke mir immer wieder, solche Frauen wie ich, sollte es echt lassen mit den Kindern. Aber wer weiß, vielleicht kommt noch eine andere Zeit. Eine Zeit wo man es wirklich genießt und als schön empfindet. Zurzeit ist das für mich unvorstellbar. Dabei ist meine Tochter fast 4,5 Jahre alt. Und jeder Tag ist eine reine Pflichterfüllung, Anstrengend und belastend. Von Mütter gefühlen keine Spur. Ich glaub so etwas besitze ich absolut nicht. Wenn es ganz gut läuft, kommen solche Gefühle oft wie zarte Pflänzchen an die Oberfläche. Aber im nächsten anstrengend Moment sind sie wieder weg…
    Daher, danke für deinen Blog. Er rettet mich manchmal wirklich über den Tag.

    1. Christine sagt:

      Hallo Eva-Maria,

      lieben Dank auch dir für deine Ehrlichkeit!
      Ich denke inzwischen, trotz meiner Erfahrungen (oder vielleicht auch deswegen?), dass jede Frau das Muttersein in sich trägt, der natürliche Zugang dazu möglicherweise (so wie bei mir) nur verschüttet ist und wir nicht so leicht dran kommen. Und ich glaube fest daran, dass unsere Zeit noch kommen wird! Tschakka! :) Bis dahin wünsche ich dir ganz viel Kraft für deinen Alltag und immer das Gefühl, nicht alleine zu sein.

      Freut mich trotzdem zu hören, dass ich deinen Tag gerettet habe :) Damit hast du ihn mir auch verschönert!

      Liebe Grüße
      Christine

  2. Caro sagt:

    Wieder einmal DANKE für deine Ehrlichkeit. Auch mir geht es so. Unsere Tochter, ein seeehr lebhaftes Kind, geht fast in jeden Ferien wenigstens eine Woche zu Oma und Opa. Es ist für mich jedes Mal eine Befreiung. Ich vermisse sie auch nicht, weil ich es so sehr genieße in meinem Takt zu leben, mit meinem Mann zusammen zu sein, einfach mal ganz entspannt zu sein, nicht in Alarmbereitschaft.

    1. Christine sagt:

      Liebe Caro,

      auch dir ganz herzlichen Dank für dein Dankeschön und deine Ehrlichkeit!
      Ich finde, ein positiver Nebeneffekt bei der ganzen Sache ist, dass eine schmerzlose Übergabe für alle Beteiligten schön ist: Deine (Schwieger-)Eltern freuen sich auf die gemeinsame Oma-Enkel-Zeit, du freust dich über ein bisschen Luft für dich, deine Tochter freut sich auf Oma und Opa und lernt, dass es völlig normal ist, auch mal eine Zeit lang von anderen Personen betreut zu werden (solange es nicht ins Gegenteil kippt und Kinder sich dann abgeschoben fühlen, was ich nur generell anmerken möchte und nicht persönlich auf dich und deine Tochter bezogen ist).
      Und nochmal zusätzlich tut ihr noch was für eure Paar-Beziehung, in der sich zu regelmäßigen Zeiten nicht alles um Kinder dreht, sondern um eure Beziehung und Bedürfnisse als Ehepaar.

      Ganz liebe Grüße
      Christine

  3. X sagt:

    Hallo,

    mir geht es genauso. Ich fühle mich bedeutend besser, wenn meine Kinder woanders sind und nicht um mich herum. Wenn sie weg sind, vermisse ich sie lange Zeit gar nicht und erst nach 1-2 Monaten würde ich anfangen, sie ein bisschen zu vermissen. Aber soviel freie Zeit war mir sowieso noch nie vergönnt. Ich denke oft: „Die Geister die ich rief….(werde ich jetzt nicht mehr los)….Leider muss ich oft feststellen: mir ging es um Welten besser, als ich noch kinderlos war. Da war ich sogar glücklich. Jetzt mit Kindern ist das Glück oft rar gesät; ich muss sehr oft suchen und oft ist es da, wenn die Kinder nicht bei mir sind. So Jemand wie ich hätte um Gottes Willen keine Kinder bekommen sollen, denke ich jetzt im Nachhinein…aber jetzt ist es leider zu spät und so habe ich noch 14 Jahre Mutter-Kindergefängnis vor mir. Ich kann es drehen und wenden wie ich will; das ist leider Fakt. Ich beneide alle Kinderlosen und alle Eltern, bei denen die KInder schon ausgezogen sind. Ich kann sie höchstens 1- 2h am Tag ertragen; dann werden sie mir zuviel. Das Schlimmste für mich: wenn sie nichts mit sich anzufangen wissen und mich nur nerven und von mir erwarten, den Entertainer zu spielen. Wahhh zum Davonrennen….

    1. Magdalena sagt:

      Es gibt ja auch Pflegefamilien. Wäre das was?

  4. Steffi sagt:

    Ein sehr mutiger Text. Mir geht es zwar genau andersherum: ich habe grosse Schwierigkeiten meine Kinder jemand Anderem zu überlassen – egal wem, aber ich finde es völlig legitim nicht zu vermissen und das auch auszusprechen. Seien wir Mamas ehrlich zu uns selbst und zu Anderen. Wenn alle endlich aufhören, das Muttersein zu glorifizieren und zu wetteifern wer es am besten macht, dann würde das Leben für uns und unsere Kinder so viel einfacher und echter sein.

    1. Christine sagt:

      Hallo Steffi,

      vielen Dank auch für deine Sichtweise! Sicherlich ist es „andersherum“ auch nicht einfach und man, wenn man Schwierigkeiten hat, seine Kinder abzugeben, mit seinen eigenen Gefühlen zu kämpfen hat. Ich wünsche dir, dass es dir irgendwann leichter fällt, mehr Vertrauen aufzubauen und dann entsprechend deine Kinder für eine Zeit abzugeben, ohne dich dabei selbst unter Druck zu setzen.
      Mit deinen letzten beiden Sätzen triffst du meiner Meinung nach völlig ins Schwarze, genauso sehe ich es auch!
      Sei lieb gegrüßt!
      Christine

  5. Larissa sagt:

    Hallo Christine,
    drei Tage Mausi frei liegen hinter mir… und was soll ich sagen es war einfach schön, endlich kein Plan im Kopf was als nächstes ansteht, zu duschen so lange und wann ich will, essen ohne paar Sekunden unterbrochen zu werden, Zeit mit meinen Mann. Es war einfach herrlich. Aber genauso schnell ist die Zeit auch wieder rum. Vermisst habe ich die Maus nicht und jedes Mal frage ich mich ob mit mir was nicht stimmt.
    Meine Tochter ist ja nicht irgend wo, sie ist bestens bei bei ihren Großeltern aufgehoben, alle freuen sich auf die gemeinsame Zeit… und ich auf meine Auszeit ;-)
    Dein Beitrag hat mir heute den Abend gerettet. Denn nach ein paar Stunden waren meine Akkus wieder leer und die Nerven angespannt. Deine Worte haben mich berührt und beruhigt Danke für diese Ehrlichkeit.

    1. Christine sagt:

      Liebe Larissa,

      ich FREUE mich sehr für dich, dass es nun endlich mit ein paar Tagen frei geklappt hat!
      Und ja, es ist wirklich nicht leicht, zu akzeptieren, dass die Akkus trotzdem wieder schnell aufgebraucht sind :-/
      Dann kam mein Beitrag ja anscheinend genau richtig :)

      Ganz liebe Grüße
      Christine

  6. Marlen sagt:

    Hallo Christine,

    ich lese seit einiger Zeit deinen Blog still mit und bin immer wieder (positiv) schockiert, wie sehr ich mich in dir bzw. deinen Worten wiederfinde. Manchmal sind deine Beiträge ein richtiger Rettungsanker für mich; ich fange dann z.T. auch an zu weinen, nicht aus Traurigkeit, sondern weil ich so erleichtert bin, dass andere Menschen da draußen genauso empfinden und ich mich weniger als aufsässige Anti-Mutter fühle. Denn so sehr (einige) meine(r) Freunde sowie mein Partner auch versuchen verständnisvoll zu sein und sich meine Jammereien seit nunmehr fast zwei Jahren in guter Regelmäßigkeit anhören – ich spüre einfach, dass sie sie nicht verstehen, nicht nachempfinden können, weil sie einfach anders empfinden. Weil sie ihre Kinder zwar häufig auch als anstrengend und nervenraubend wahrnehmen aber sie dann eben doch nach einem Tag Abwesenheit vermissen – ein Umstand, den ich logisch nachgedacht, zwar nachvollziehen aber null nachempfinden kann.

    Letztens erzählte mir eine Bekannte, dass sie es nun zum ersten Mal über’s Herz gebracht hat ihren Sohn für einen Nachmittag zu ihren Eltern zu geben. Der Kleine ist 15Monate alt. Als ich sie dann fragte, warum sie das „erst jetzt“ macht und ob sie es nicht vermisst hatte schon früher gemeinsame, alleinige Zeit mit ihrem Partner (oder auch für sich) zu haben meinte sie: „Nein, mein Bedürfnis bei meinem Sohn zu sein war viel stärker.“ Solche Aussagen versetzen mir dann immer einen kleinen Stich in den Magen, weil ich, so glaube ich, Neid oder gar Bewunderung dafür verspüre, nicht annähernd solche Gefühle zu haben. Danach bin ich dann häufig sehr nachdenklich.
    Und genau dann bin ich sooo unendlich dankbar über deinen Blog. Und ohne jetzt zu aufdringlich wirken zu wollen, habe ich dann das Gefühl eine Freundin zu haben, die mich doch ganz genau versteht.

    1. Christine sagt:

      Liebe Marlen,

      sei herzlich willkommen auf meinem Blog, auch, wenn du schon länger still mitliest!
      Es freut mich sehr, dass meine Beiträge dir das Gefühl geben, nicht alleine mit deinen Empfindungen zu sein!
      Auch, wenn es vielleicht nur ein schwacher Trost sein mag, aber ich freue mich sehr für dich, dass auch du einen Partner an deiner Seite hast, der sich deine Jammereien anhört und dabei sogar noch Verständnis aufbringt (oder es zumindest versucht). Und dann kannst du dich sogar auch noch offen einigen deiner Freunde anvertrauen – wow!! Ich weiß, wieviel Wert das hat und wie selten dieses Glück ist! Manchmal frage ich mich, wie alles gekommen wäre, wenn ich (wie leider so viele Mütter in unserer Situation) Niemanden um mich herum hätte, dem ich von meinen Sorgen erzählen kann und von dem ich einfach mal in den Arm genommen werde.

      Diesen Stich, von dem du berichtest, den kenne ich auch. Vor allem merke ich in den Momenten dann, dass ich mit diesen Müttern dann bei dem Thema sehr oberflächlich bleibe und nicht meine persönliche, ehrliche Sichtweise preisgebe. Eigentlich schade für einen ernsthaften Austausch, aber es ist auch eine Art Selbstschutz. Dass du nach solchen Situationen sehr nachdenklich bist, kann ich nachvollziehen; ich wünsche dir lediglich, dass es beim Nachdenken und meinetwegen auch Studieren deiner eigenen Gefühle bleibt, aber dass du dich nicht selbst bewertest oder gar abwertest. Alles hat seinen Grund, auch wenn wir ihn nicht immer sofort verstehen können, aber es macht keinen Sinn uns mit anderen zu vergleichen.

      Das wünsche ich dir von Herzen!

      Viele Grüße von deiner Freundin (eine schöne Vorstellung :))
      Christine

      P.S. Wenn du mal persönlich(er) schreiben magst, kontaktiere mich einfach per Mail!

  7. Annette sagt:

    Ich kann mich nur anschließen. DANKE für Deine Offenheit! Es ist schön zu wissen, dass ich damit nicht allein bin!!!

    1. Christine sagt:

      Liebe Annette,

      freut mich sehr zu lesen, dass du dich damit jetzt nicht mehr alleine fühlst! :)
      Ganz liebe Grüße

  8. Traurige Leserin sagt:

    Ich genieße es auch, mal einen kinderfreien Tag zu haben, aber so lange könnte ich nicht ohne meine Kinder sein.

    Wenn ihr eure Kinder alle nicht vermisst, frage ich mich, ob ihr sie wirklich liebt? Also ganz ehrlich!!!

    Und mir tun all diese Kinder soo leid. Die unschuldigen Würmchen können doch nichts dazu, dass ihre Mütter aus welchem Grund auch immer (negative Kindheit?) sich nicht wirklich auf das Leben mit ihnen einlassen können. :“(
    Es macht mich echt einfach nur unendlich traurig!

    1. Christine sagt:

      Liebe Traurige Leserin,

      ich gebe zu, es ist tatsächlich als Außenstehende(r) schwer zu verstehen, dass man auf der einen Seite Schwierigkeiten mit der Mutterrolle hat (sie im Extremfall vielleicht sogar bereut) und dennoch seine Kinder lieben kann. Ich gehe sogar so weit, dass man das nur nachempfinden (und dann gänzlich verstehen) kann, wenn man selbst in dieser verzwickten Situation steckt bzw. sie mal zeitweise durchgemacht hat. Ich selbst hätte früher zu kinderlosen Zeiten Mütter, die so negativ von der Mutterrolle sprechen, gleichzeitig aber betonen, dass sie ihre Kinder eben NICHT bereuen, als verklärt abgestempelt. Als wollten sie sich und anderen etwas schönreden. Und doch gibt es diesen Unterschied, auch wenn er sehr schmalspurig ist und man wirklich genau hinschauen (besser noch -fühlen) muss.
      Deswegen freue ich mich ganz besonders, dass du dennoch empathisch nachfragst. Man merkt wirklich, dass du es gerne verstehen möchtest und das finde ich sehr respektvoll und tolerant! Danke dafür!

      Ich gebe dir absolut Recht, mir tun diese (also auch meine) Kinder selbst auch leid. Obwohl ich sie selbst nicht bedaure, spüren sie ja dennoch keine absolute Leichtigkeit von ihrer Mama. Oft genug schwingt Anspannung oder Gereiztheit mit, auch, wenn diese nur sekundär mit ihrer Anwesenheit zu tun hat. Ich für mich persönlich kann deiner Vermutung einer eigenen schweren Kindheit leider zustimmen. Ich bin fest davon überzeugt, dass nicht nur meine Hochsensibilität und mein introvertiertes Temperament, sondern eben auch meine negativen Erfahrungen in der Kindheit nun mein Empfinden der Mutterrolle gegenüber prägen.

      Aufgrund dessen tun mir nicht nur meine Kinder leid, sondern auch die Kinder meiner Eltern, die Kinder meiner Großeltern, usw. Was ich damit sagen will ist, dass oft ein Mehr-Generationen-Problem dahintersteckt, von dem viele (so wie ich) betroffen sind. Ablehnung oder Unsicherheiten der eigenen Eltern, (viel zu hohe) moralische Ansprüche der Kirche und Gesellschaft, und und und. Deswegen hat Niemand Schuld; Erlebtes sowie innere Glaubenssätze werden oft ungewollt (manchmal sogar ungefiltert) weitergegeben!

      Ich finde es wichtig, den Müttern ihre Gefühle zuzugestehen und ihnen vor allem viel Mitgefühl entgegenzubringen. Ausgrenzung und Verachtung bewirken keine Heilung, sondern eine nächste depressive Generation. Das sage ich nicht dir persönlich, sondern allgemein als Warnung an uns alle.

      Ich für mich persönlich kann nichts an meinen Gefühlen und Bedürfnissen ändern, aber ich kann sie akzeptieren und versuchen, mir trotzdem Liebe entgegenzubringen. Mir und meinen Kindern. Der Rest wird sich dann fügen.

      Herzlichen Dank nochmal für deine ehrliche Nachfrage! Auch kritisches Hinterfragen ist wichtig!

      Wenn dir meine Antwort noch nicht zufriedenstellend weitergeholfen hat, werfe doch mal einen Blick in die Beiträge „Ich bin nicht die geborene Mutter“ oder „Die gestutzten Flügel“ oder, der Klassiker: „Regretting Motherhood? Ja, ich bereue die Mutterrolle„.

      Ich hoffe, ich konnte dir deine Fragen beantworten und dir Ansatzweise ein Gefühl für mein (vielleicht auch: unser) Dilemma geben.

      Herzlichst,
      Christine

    2. Birgit sagt:

      Liebe traurige Leserin,

      du hast Recht: es ist traurig. Für die Mutter und die KInder, die nichts dafür können. Aber so einer Mutter zu unterstellen, dass sie ihre Kinder nicht liebt, ist schon ungeheuerlich. Die Mütter lieben ihre Kinder klar aber lehnen die Mutterrolle ab, die damit einhergeht und würden, wenn sie noch einmal vor der Wahl: Kind ja oder nein lieber für nein stimmen. Die gesellschaftlichen Erwartungen Müttern gegenüber sind total überzogen und ungerecht; Mütter haben leider in unser materialistischen Welt die A-Karte gezogen. Viele Mütter leiden darunter, denn man hat ja mit Kindern immer glücklich zu sein und sich selbst aufzuopfern. Dieses Allein-Gelassen-Werden als Mutter und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen (berufliche Diskriminierung, fehlende Betreuung, kein Geld für Erziehungsleistung, Nachteile bei der Rente) und überzogenen Erwartungen und das Gefühl des darin „Gefangenseins“ führen zu diesen ambivalenten Gefühlen den Kindern gegenüber; das ist einfach menschlich! Für Dich vielleicht nicht so nachvollziehbar weil Du unter den Rahmenbedingungen nicht leidest wie andere Mütter. Aber vielen Müttern geht es so. So ist es einfach und das musst Du akzeptieren auch wenn es Dich traurig macht. Die Mütter leiden selbst darunter und versuchen durch die HIlfe wie solcher Foren hier, die Ambivalenz aufzulösen oder zumindest besser damit zu leben. Viele Grüße.. Und wie immer gilt: never judge somebody if you havent walked 100 miles in his mokassins….

  9. Magdalena sagt:

    Also ich sehe keine Unterstellung der Leserin. Das sind normale Gedanken, die jeder hat, der sich halt nicht in dieser Position wiederfindet!!

    1. Eva-Maria sagt:

      Warum sind überhaupt Frauen in dieser Gruppe die nichts mit Regretting Motherhood zu tun haben. Wir bekommen doch eh genug Vorwürfe im Alltag. Muss ich mir dann solche Kommentare auf einer eigens dafür eingerichteten Seite ansehen…
      Wie gerne möchte ich eine Mama sein, die ewig Geduld hat und nach 3 Stunden Schlaf auch noch überglücklich ist mit ihrem Kind.
      Ich versuche tagtäglich mein Bestes, aber jeder Tag ist ein verfluchter Kampf. Ich würde sehr gerne anders sein oder aus meiner Haut schlupfen wenn ich könnte.

      1. Christine sagt:

        :) Nur eine freundliche Bemerkung am Rande: Dies ist keine geschlossene Gruppe, sondern ein Blog, für Jeden zugänglich. Solange die Kommentare sachlich sind, werden sie veröffentlicht, auch die kritischen Nachfragen, denn auch die dürfen sein. Ich lösche ausschließlich Beleidigungen, persönliche Angriffe und unsachmäßige Äußerungen.

  10. Daniela sagt:

    Vielen Dank für diesen Blog.
    Ich bin zufällig drüber gestolpert und hab endlich das Gefühl nicht allein zu sein…. Das Lesen lässt mich schon ein bissl besser fühlen und nicht nur als schlechte Mutter.

    1. Christine sagt:

      Liebe Daniela,

      schön, dass du da bist und dich schon so gut aufgehoben fühlst!
      Sei herzlich Willkommen!

  11. Valeska sagt:

    Liebe Christine,

    ich habe es schon unter einen anderen Beitrag geschrieben, es ist, als würdest Du von mir berichten. Ich liebe meine freie Zeit ohne Kinder. Ich habe selbst zwei Kinder, ein Mädchen (8) und einen Jungen (6), die mich regelmäßig an den Rand der Verzweiflung treiben. Letztes Jahr war ich mit meiner Tochter für 3 Wochen zur Mutter-Kind-Kur an der Ostsee. Ich habe mich so glücklich wie schon lange nicht mehr gefühlt, das war eine sehr entspannte tolle Zeit. Viele fragten mich, ob ich nicht meine beiden Männer vermissen würde, oder warum ich nur ein Kind mitgenommen habe. Beim Vermissen musste ich mich fast schämen, weil ich es stets mit Nein beantwortet habe, ich habe mich so wohl dort gefühlt, das es auch gerne sechs Wochen hätten sein können. Und wenn ich mir Deine Beiträge durchlese, freue ich mich ernsthaft, das ich nicht allein bin…

    1. Christine sagt:

      Liebe Valeska,

      ich glaube, die Frage nach dem Vermissen ist schon fast rhetorisch. So wie man andere fragt, wie es ihnen geht, wenn man sie trifft, auch, wenn man gar nicht die Antwort hören will (oder ein „gut“ erwartet, um den perfekten Einstieg ins Gespräch zu haben). Deswegen ist es dir sicherlich noch öfter negativ aufgefallen, weil du eben nicht das klassische „ich vermisse sie so sehr“ geantwortet hast (zumindest in Gedanken).

      Ich glaube sogar, dass es viel mehr Frauen so geht wie uns, nur, dass viele diese Gefühle gar nicht in sich zulassen (dürfen). In unserer Gesellschaft ist die aufopfernde Mutterrolle fast schon ein Statussymbol; wer will (sich selbst gegenüber!) da schon zugeben, dieses Maß nicht zu erfüllen und sich -Gott bewahre!- nicht immer über die Beziehung zu seinen Kindern zu definieren? ;-)

      Ich freue mich jedenfalls sehr für dich, dass du deine Erholung an der Ostsee in den Vordergrund stellen konntest und die Zeit mit nur einem Kind sehr genossen hast!

      Liebe Grüße
      Christine

  12. Sonja sagt:

    Liebe Christine,

    Was für ein ehrlicher Text. Er hätte von mir sein können, Du sprichst mir aus der Seele.

    Meine Kinder sind 17, 15 und 5 und ich habe noch nie eines von ihnen vermisst (hier kann ich es ja schreiben, noch nie habe mich getraut das laut auszusprechen).

    Meine zweite Ehe ist letztes Jahr gescheitert und wieder sitze ich alleine mit den Kindern da. Allein heißt wirklich allein, alle Großeltern leben zu weit weg oder haben keine Lust auf die Kinder aufzupassen. Eigentlich „sitze“ ich hier nur noch mit der Kleinen, denn die Großen brauchen mich nur noch zwischendurch für Essen, Wäsche und tatsächlich (!) mal ein gutes Gespräch. Ich habe Ihnen immer viel Freiraum gelassen weil ich selbst viel brauche und damit ist „unsere“ Pubertät recht entspannt. Ich glaube das ist das Gute daran, wenn man nicht wie die Helikopter Mamas an seinen Kindern klebt und sich alleine über sie definiert. Und unser Dorf ist voll von diesen Müttern, die mir seit Jahren ein schlechtes Gewissen bereitet haben.

    Umso schöner ist es zu wissen, dass auch andere Mütter so sind wie ich :)

    Liebe Grüße!

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