Lebensfragen

Hilfe, mein Kleinkind wird älter! Zwischen Wehmut und Erleichterung

In wenigen Wochen findet im Fuchsbau ein Eltern-Kind-Nachmittag statt. Die Tagesbetreuung für U3-Kinder, die mein jüngster Sohn Mini besucht, feiert dann den Abschied der Kinder, die nun so alt sind, dass sie ab August in einen „richtigen“ Kindergarten wechseln. Mini wird eins dieser Kinder sein. Das kommt für mich nicht überraschend, ehrlich gesagt sehne ich diesen Tag schon herbei – und dennoch: Als ich die Einladung zu besagtem Nachmittag schwarz auf weiß vor mir sah, spürte ich das merkwürdige Gefühl in mir, das Veränderungen, neben der Vorfreude auf das Neue, generell gerne mit sich bringen: Ein Stück Wehmut machte sich breit.

Nicht, dass ich mir konkret Sorgen um meinen Sohn oder seinen zukünftigen Aufenthaltsort drei Straßen weiter machen würde. Im Gegenteil. Die letzten Wochen ist er nur noch ungern zu seiner Tagesmutter gegangen. Fragt ständig nach, wann er denn endlich auch zu seinem Bruder Maxi in den Kindergarten gehen könne. Mini für seinen Teil ist also soweit. Und ich bin in erster Linie erleichtert, dass nun wieder ein Abschnitt geschafft ist. Nicht nur der doppelten Bring- und Abholdienste wegen oder weil Mini dringend unter Gleichaltrige gehört.

Ich bin eine Mama, die über jede Kleinkindliche Phase froh ist, die vorüberzieht und einer reiferen Phase Platz macht. Je selbstständiger meine Söhne werden, je unabhängiger sie von uns Eltern sind und je ausgeprägter ihr Sprach- und Denkzentrum ist, desto wohler fühle ich mich in meiner Rolle als Mutter. Fragen von meinem Dreijährigen à la „Mama, warum ist da kein Sowas?“ überfordern mich im Alltag regelrecht und lösen bei mir in erster Linie Stoßgebete zum Himmel aus, meine Kinder mögen doch bitte endlich etwas schneller verständliche Sätze formulieren. Auch um ihrer selbst willen. Oft genug spüre ich schließlich ihren eigenen Frust, wenn sie Dinge nicht beim Namen nennen oder sich nicht klar ausdrücken können, dass ihr Gegenüber ihr Anliegen auch versteht.

Wenn also deutliche Fortschritte meiner Kinder zu erkennen sind, egal ob sprachlicher, motorischer oder geistiger Natur, freue ich mich darüber mehr, als über eine leckere Scheibe Stinkekäse auf meinem Brot.

Und dennoch gehöre ich zu den Menschen, die nicht automatisch bei jeder Veränderung in ihrem Leben Luftsprünge machen. Es gab sogar Zeiten, da reagierte ich so sensibel auf kleinste Veränderungen (sei es beruflich aufgrund neuer Aufgaben im Tagesgeschäft oder privat im Alltag, bei jeder noch so winzigen Störung des routinierten Ablaufs), dass sie krankmachend auf mich wirkten. Sicherlich auch ein Grund, warum ich noch heute nicht begeistert in die Hände klatsche, wenn mitten in meinem verplanten Vormittag der Kindergarten anruft und mein Kind krankmeldet. Ordnung, Struktur und Regelmäßigkeit gaben und geben mir Sicherheit.

Und doch zeigt uns gerade die Natur, dass Veränderungen wichtig sind und zum Leben dazugehören. Der Wechsel der Jahreszeiten, Ebbe und Flut, die Entwicklung von Steinzeit zur Neuzeit. „Wenn du die Hände für etwas Neues frei haben willst, musst du erst das Alte loslassen“. Diese Weisheit half mir schon so manches Mal und zeigt mir immer wieder, dass man sich ab und zu von Dingen, die nicht mehr zu einem passen, trennen muss, um nicht auf der Stelle zu treten. Ob das nun Gerümpel auf dem Dachboden ist, den man zum Homeoffice ausbauen möchte, eine festgefahrene Beziehung, in der man sich nichts mehr zu sagen hat oder ob das Ansichten und Dogmen im Kopf sind, die einen eher lähmen, als weiterbringen.

Wie ungesund wäre es also, wenn wir krampfhaft an vertrauten, aber wissentlich schlechten Zuständen festhielten, aus Angst vor dem, was die Zukunft bringt? Was würde passieren, wenn wir uns und unseren Kindern keinen Wandel und somit keine Entwicklung mehr zutrauen würden? Würden wir uns damit nicht die Chance nehmen, unser Leben noch mehr nach unseren Wünschen zu gestalten und noch ein bisschen wahrhaftiger zu leben? Wollen wir nicht lieber dem Leben selbst ein Stück mehr vertrauen, dass es schon gut für uns sorgen wird, auch, wenn wir es nicht immer sofort erkennen können?

Nächsten Monat findet die Verabschiedungsfeier von Mini im Fuchsbau statt. Ich werde aufkommende Wehmut zulassen und die behütete Zeit in der kleinen Tagesmütter-Gruppe sicherlich ein Stück weit vermissen. Aber genauso werde ich mich auf die Zeit danach freuen. Das Neue willkommen heißen und meinen Sohn beim inneren wie äußeren Wachsen begleiten.

Foto mit freundlicher Unterstützung von © BBC Creative, unsplash.com

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