Lebensfragen

Kinderstreit: Einmischen oder machen lassen?

Bei uns zuhause wird es nie langweilig. Mit zwei Kleinkindern im Alter von 1 ½ und 2 ½ Jahren ist das ja auch kein Wunder. Entweder es wird gemeinsam gespielt oder zusammen gestritten. Dazwischen haben höchstens noch drei Mahlzeiten oder ein paar Stunden Nachtruhe Platz.

Ich habe mich an die minütlichen stündlichen Zankereien zwischen Mini und Maxi bereits gewöhnt. Und ich bin eine Mutter, die ihre Kinder ihre Streitereien bis zu einem gewissen Grad auch in diesem Alter schon alleine ausfechten lässt. Bis einer heult mische ich mich in der Regel nicht ein. Ich möchte meinen Söhnen beibringen, dass sie Auseinandersetzungen ohne Fremdeinwirkung austragen müssen. Später auf dem Schulhof oder an der Uni steht Mutti schließlich auch nicht mehr versteckt hinter einer Hecke, um im Notfall wild gestikulierend eingreifen zu können (wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob es nicht tatsächlich auch solche Helikoptereltern gibt).

Wie gesagt, meist stehe ich erst einmal unparteiisch daneben oder hinterm Herd und beobachte das Geschehen. Wenn ich mich einmische, dann, weil meine Kinder entweder langsam handgreiflich oder ungerecht geworden sind. Unrecht ist ein großes Wort mit einem noch größeren Spektrum an Interpretationsmöglichkeiten. Und jede Mutter, jeder Vater versteht sicher etwas anderes unter dem dehnbaren Begriff Ungerechtigkeit. Bei mir ist der Bogen beispielsweise überspannt, wenn Maxi seinem Bruder rabiat Spielzeug aus den Händen reißt, das dieser aber nicht abgeben wollte. Dann versuche ich meinem Großen beizubringen, dass er mit dem heiß begehrten Teil erst spielen darf, wenn Mini es beiseite legt oder (im selteneren Fall) ihm direkt gibt. Umgekehrt gilt das für Mini natürlich auch!

Zuhause klappt das soweit gut. Ich denke, ich bin auf einem guten Weg, die Beiden nach meinen Wertvorstellungen zu erziehen. Ganz anders sieht das in der großen, weiten Welt aus. Sobald wir auf andere unerzogene Kinder treffen, bin ich ziemlich gehemmt, ins Geschehen einzugreifen, sobald es in meinen Augen ungerecht wird. Neulich erst wieder.

Wir waren letzten Sonntag mit der gesamten Familie im städtischen Hallenbad. Mama, Papa, Maxi und Mini. Natürlich waren wir nicht die Einzigen in dem kleinen Babybecken. Mindestens 5 weitere Mädchen und Jungen mit doppelt so vielen Elternteilen tobten über die paar Quadratmeter. Wir hatten ein paar bunte Becher und Gummitierchen zum Spielen gegen die Langeweile mitgebracht und auch ein paar andere Mütter und Väter hatten in der Richtung vorgesorgt. So passierte es schnell, dass sich unser Mini plötzlich mit einem fremden Wasserball vergnügte, der ziemlich herrenlos übers Badewasser schwamm. Ein kurzer Blick meinerseits in die Runde: Niemanden schien es zu interessieren. Also ließ ich meinen Sohn erstmal damit weiterspielen, bis der Besitzer sich melden würde. Trotzdem fühlte ich mich schon unwohl, weil ich mich fragte, wie ich das wohl fände, wenn ein anderes Kind ungefragt mit unserem Spielzeug spielen würde. Und schwupps, war es auch schon soweit.

Felix, der dunkelhäutige Junge der anwesenden Großfamilie, ich schätzte ihn auf etwa zwei Jahre, kam plötzlich auf Maxi zu, der sämtliche unserer Becher in der Hand hortete und wie ein Geier auf sie aufpasste. Dann der beherzte Griff des fremden Kindes und schon zogen die zwei Jungen wie beim Tauziehen an dem Spielzeug, als ginge es um Alles. Und das tat es wahrscheinlich auch. Und was tat ich? „Hör mal Felix, der Maxi möchte jetzt noch alleine mit den Bechern spielen. Bitte warte, bis er dir einen abgibt!“ Ja, schön wär’s gewesen. Dieser Spruch ging mir sehr wohl durch den Kopf, fand aber nicht den Weg zu meinen Lippen. Und Telepathie schien Felix jedenfalls nicht zu verstehen.

Meine Unsicherheit wuchs und von seinen Eltern war nichts zu sehen. Sollte ich eingreifen oder die Kinder machen lassen? Mein Maxi heulte zwar (noch) nicht, aber das bedeutete ja nun auch nichts. Die Situation klärte sich in dem Moment, als es dem kleinen Rowdy Felix gelang, einen der Becher an sich zu reißen und damit verschwand. Da saß ich nun. Total belämmert. Ich hätte gerne Partei für meinen Sohn ergriffen, vor allem, wenn ich ihm das gleiche Verhalten bei seinem Bruder verbiete. Und jetzt ließ ich zu, dass es in Ordnung war, sich von einem fremden Jungen alles wegnehmen zu lassen.

Aber macht Eingreifen überhaupt Sinn? Wo verwischt die Grenze zwischen Einmischen und Die-Kinder-mal-machen-Lassen, wenn andere Kinder als die Eigenen im Spiel sind? Zumal Worte vielleicht nicht ausgereicht hätten in dieser Situation. Einem Impuls zufolge war mir eher danach, Felix’ Hand zu ergreifen und den Becher sanft, aber mit Nachdruck aus selbiger zu lösen. Aber fasst man fremde Kinder einfach an? Spontane Antwort meinerseits: Nein! Würde ich ja auch nicht wollen. Aber wie stärke ich meinem fast 3-Jährigem den Rücken, ohne mich nachher noch mit Felix’ Mama zu streiten, während die Jungs längst wieder gemeinsam miteinander spielen? Hast du einen Rat für mich? Wie löst du das Problem auf Spielplätzen, wenn andere Kinder ungefragt an dein Spielzeug gehen oder deine Tochter, dein Sohn in einen Konflikt mit anderen Kiddies gerät? Beobachtest du nur oder greifst du ein?

Im Falle des Wasserballs ging die Sache jedenfalls noch mal glimpflich aus für mich (und meine Nerven). Eine überaus sympathische Mutter mit ihrem braven Sohn outete sich als die Ballbesitzerin. Natürlich wäre es überhaupt kein Problem, dass mein Mini mit dem Wasserball durchs Wasser tobe. Und mein Gewissen wurde in dem Moment beruhigt, als ich im Gegenzug ihrem Sprössling eins unserer Gummitiere zum Tausch anbieten konnte, auf das der Kleine  schon die ganze Zeit interessiert geschielt hatte. Manchmal hilft eben auch Abwarten und Badewasser Tee trinken.
Kinderstreit: Einmischen oder machen lassen?

4 Gedanken zu „Kinderstreit: Einmischen oder machen lassen?“

  1. Daniela sagt:

    Ich versuche mich im Kinderstreit auch wenig einzumischen. Nur, wenn es mir zu bunt wird und da habe ich wohl die gleiche Schmerzgrenze, wie du.
    Ich habe aber kein Problem damit, einem fremden Kind zu sagen, dass Becher wegnehmen doof ist. Da gibt es bei mir Grenzen, die auch andere Kindern einhalten müssen. Leider lassen viele Eltern ihre Kinder einfach mal machen, selber ausprobieren usw. So passiert es schonmal, dass ich fremde Kinder von meiner Essenstasche „verscheuchen“ muss. Das Problem dabei ist, dass die Mutter des fremden Kindes das okay findet und bei mir wird eine Grenze überschritten. Das wissen weder die fremde Mutter, noch das fremde Kind (Mal abgesehen vom logischen Menschenverstand und ein klein wenig Erziehung ;-)) Und deshalb sage ich dem fremden Kind genauso, wie meiner eigenen, dass sie die Pfoten von fremden Taschen lassen soll. Einfach anfassen finde ich dagegen auch grenzüberschreitend.

    LG
    Daniela

    1. Christine sagt:

      Liebe Daniela,
      ich finde es bewundernswert, dass du auch anderen Kindern gegenüber da keine (verbalen) Berührungsängste hast. Ich glaube mit logischem Menschenverstand kommt man leider nicht bei allen Eltern weiter ;-)
      Danke für deine Antwort.
      Liebe Grüße
      Christine

  2. Anna (Familie Motte) sagt:

    Ein interessantes Thema hast Du da aufgegriffen, zumal ich ganz ehrlich bin und auch schon oft darüber nachgedacht habe bzw. mich unwohl fühle in Situationen, in denen sich meine Maus mit einem fremden Kind um etwas streitet oder sie offensichtlich ungerecht behandelt wird.
    Als Mama ist man ja immer automatisch auf der Seite seines eigenen Kindes, aber ich finde trotzdem, dass unsere Kinder lernen müssen zu warten oder auch zu akzeptieren, dass (in diesem Fall stellvertretend für alle Dinge)ein Spielzeug das Eigentum von jemand anderem ist. Auf der anderen Seite will man natürlich auch, dass das eigene Kind lernt, dass Teilen etwas Gutes ist, und man manchmal gut daran tut zu teilen.
    Ein fremdes Kind anzufassen geht – wie Du schon sagst – gar nicht. Aber ich finde schon, dass man einem fremden Kind freundlich sagen darf, dass es bitte das Spielzeug nicht einfach aus der Hand reißen soll, sondern vielleicht vorher fragt, ob es auch mit einem der Becher spielen darf.
    Anders sieht es meiner Ansicht nach aus, wenn das besagte Spielzeug gerade gar nicht bespielt wird. Sollte dann ein fremdes Kind damit spielen würde ich genauso entspannt wie die andere Mama reagieren. Und meiner Tochter dann erklären – falls sie es ausgerechnet dann wieder haben möchte – dass sie ja gerade nicht damit gespielt hat und es später zurück bekommt, weil es ja ihres ist, wenn das andere Kind fertig ist.
    Und manchmal ist es tatsächlich erstaunlich, wie schnell Kinder einen Konflikt lösen, wenn man nicht eingreift…Abwarten ist also manchmal tatsächlich der beste Weg. Denn solange den Kindern von anderen Kindern nicht körperlich weh getan wird (Beleidigungen und Beschimpfungen gehen natürlich auch nicht), stärkt es in meinen Augen nur das Selbstbewusstsein und die soziale Kompetenz, wenn ein Kind auch einmal selbst einen Konflikt beilegt.
    Sei lieb gegrüßt, Anna

    1. Christine sagt:

      Liebe Anna,
      vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar! Es ist schön zu wissen, dass es auch noch andere Mütter da draußen gibt, die ähnliche Ansichten haben wie ich :)
      Viele Grüße
      Christine

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