Lebensfragen

Heute…holländisches Lebensgefühl verbreiten


Warst du schon einmal in Holland? Dann wird dir möglicherweise aufgefallen sein, dass die Bewohner unseres Nachbarlandes ein etwas anderes Lebensgefühl verbreiten, als wir Deutschen. Irgendwie wohlwollender, weniger selbstkritisch und ein Stück weit gelassener.

Und bevor du mir jetzt aufs Dach steigst: Natürlich kann man das nicht pauschalisieren! Ich mag nicht klischeehaft reden, denn so wie nicht jeder Niederländer freundlich mit seinem Gouda-Brötchen über Tulpenfelder spaziert, isst nicht jeder Deutsche pünktlich um 12.30h sein Schnitzel in Lederhosen kann auch mal 13.00h werden. Aber als mein Mann und ich vor ein paar Jahren einen Kurzurlaub in Venlo machten, spürten wir förmlich eine Luftveränderung. Die Zeit schien ein bisschen stehen geblieben und es herrschte eine freundliche „Grundatmosphäre“. Die Holländer, die uns entgegen kamen, liefen mit einem Lächeln auf den Lippen herum. So etwas kannten wir aus Deutschland in dem Maße nicht. Als wir im Stadtpark dann doch mal zufällig eine Familie laut meckern hörten, stellte sich heraus, dass dies nörgelnde Touristen unseres Heimatlandes waren, wofür wir uns fast schon ein klein wenig schämten.

Worum geht es also heute in meinem Blogbeitrag? Wie du aus der Überschrift entnehmen kannst, werde ich heute versuchen, konsequent dieses positive, holländische Lebensgefühl zu verbreiten. Entstanden ist die Idee, als mein Mann (er möge mir verzeihen, dass ich ihn schon wieder in meinem Blog zitiere) gestern am Frühstückstisch nörgelte, ich käme morgens so oft mit einer miesepetrigen Stimmung ins Zimmer; das würde die Stimmung Aller direkt senken. Darüber habe ich nachgedacht und natürlich ist in den Vorwürfen meines Mannes meistens ein dicker Brocken Körnchen Wahrheit zu finden. Ich stehe zwar nicht in der ersten Reihe und schreie laut „Hier!“ wenn es gilt, den Pessimismus in Person zu ermitteln, aber es stimmt schon, dass ich mich schnell dazu hinreißen lasse, eher zu nörgeln oder an Irgendwas herum zu meckern, als das Ganze mit einer Portion Humor oder Optimismus zu betrachten.

Wenn ich im Raum für Achtsamkeit schon mit tollen Lebensweisheiten, Sprüchen und schlauen Selbstversuchen um mich werfe, werde ich mich natürlich nicht zurücklehnen und die Anderen mal alleine machen lassen. Dies ist also nun mein erster offizieller „Mama Blog-Selbstversuch“ und ich werde heute Tagebuch für dich führen. Los geht’s mit „Unternehmen holländisches Lebensgefühl“!

07.25h
Gerade aufgewacht und zum Fenster geblinzelt: Wunderbar, die Sonne scheint. Das ist schon mal eine gute Basis für meinen Versuch, den Tag beschwingt und ohne Altlasten von gestern zu beginnen. Wie war das noch? „Lebe jeden Tag so, als könnte er dein Letzter sein.“ Dann mal los. Aber wie? Ich könnte ja mal beim Zähneputzen mein Spiegelbild anlächeln, soll ja Wunder bewirken. Okay, vielleicht doch besser ohne Zahnbürste im Mund. Ich komme mir schon ein wenig albern vor, wie ich mir da selber zugrinse, aber -tatsächlich- meine Grundstimmung ist schon unmittelbar gestiegen. Am Besten das „innere Lächeln“ einfach beibehalten.

07.40h
Eine gut gelaunte Mama kommt an den Frühstückstisch. Ein zurücklächelnder Ehemann ist das Erste, was ich wahrnehme. Auch Mini freut sich sichtlich, mich zu sehen, Maxi brabbelt stattdessen monoton von seinem Brotbelag. Eigentlich alles wie immer, aber diesmal versuche ich erst gar nicht, irgendetwas zu bewerten oder mich über Maxi’s fehlende Euphorie zu beschweren. Dass Mini sich seinen Haferschleim schon wieder durchs ganze Gesicht geschmiert hat, nehme ich einfach nur hin, schnappe mir seinen Löffel und helfe ihm beim Rest. Klappt doch!

08.10h – 9.45h
Mini und Maxi spielen mal mit-, mal gegeneinander vor sich hin, während Mama kocht, bügelt, durch die Wohnung flitzt und Papa im Büro arbeitet. Aber heute sind Mini und Maxi ziemlich anstrengend. Am laufenden Band machen sie Sachen, die sie nicht dürfen und strapazieren meine Nerven gewaltig. Kennst du dieses Phänomen? Wenn du dir vorgenommen hast, in deinem Alltag etwas zu ändern, stellt das Leben dich unmittelbar vor zig Hürden und Prüfungen, scheinbar um zu testen, ob du es mit der Durchführung neuer Prinzipien auch wirklich ernst meinst.

Die gelassene Frau, die mich am Morgen noch aus dem Badezimmerspiegel heraus angelächelt hat, bin ich jedenfalls inzwischen nicht mehr. Wie behalten eigentlich die geduldigen, holländischen Mütter in solchen Situationen die Nerven? Oder drehen die dann auch mal durch? Stecke die Kinder entnervt ein bisschen früher als sonst für ihren Vormittagsschlaf ins Bett und freue mich über die Tatsache, dass der angemeldete, aber natürlich völlig vergessene Schornsteinfeger noch an der Tür klingelt, bevor hier Einer ein Auge zugemacht hat. Glück muss man ja auch mal haben.

10.15h- 12.00h
Jetzt habe ich erstmal Luft zum Durchatmen und Entspannen, während die Jungs schlafen. Die Holländerin in mir lässt wieder grüßen.

11.50h
Was sind das für laute Geräusche da Draußen? Wehe, die Kinder werden dadurch geweckt. Und was macht diese nervige Fliege jetzt hier in der Küche? Kann ja wohl nicht wahr sein, dass ich jetzt beim Gemüse-Schnibblen gestört werde. Halt, Stopp! Solche Gedanken tragen nicht unbedingt zu einer friedlichen Grundstimmung bei. Einatmen, ausatmen, an was Schönes denken. Puh, ganz schön anstrengend, ständig seine Gedanken kontrollieren zu müssen.

13.40h Geplante Abfahrt zu meiner Mutter, die heute Nachmittag auf Mini und Maxi aufpassen wird, damit ich mal wieder zum Lernen für meine Heilpraktiker-Ausbildung komme. Vorher müssen wir meinen Mann aber noch im Büro abliefern. Natürlich kommen wir alle nicht so schnell in die Puschen wie es nötig wäre, also verzögert sich der Start der Städtetour. Maxi interessiert sich nicht die Bohne für Pünktlichkeit, stattdessen begutachtet er vorm Haus noch drei Käfer, vier Grashalme und einen Sonnenschirm.

Heute...holländisches Lebensgefühl verbreiten
13.53h Wir sind viel zu spät und die Zeit, die mir zum Lernen bleiben wird, schwindet kontinuierlich. Trotzdem versuche ich mich in Gelassenheit zu üben. Ändern kann ich an der Tatsache eh nichts. Statt mich aufzuregen, versuche ich, die Landschaft zu genießen. Klappt erstaunlich gut.

14.58h Mini und Maxi sind bei der Omi angekommen und ich habe mich auf den Weg in die Stadt gemacht, um mich dort in ein gemütliches Café zurückzuziehen. Auf halbem Weg merke ich, dass ich das Geld im Auto vergessen habe. Meine Übung in Geduld wird heute ziemlich ausgereizt.

15.04h Ich beschließe, es wie meine Lieblings-Holländer zu machen und heute jede Person, die mir entgegenkommt, anzulächeln. Das ist für Menschen wie mich eine riesige Herausforderung, denn ich bin eher der Typ „Scheuklappenblick“. Und Fremden einfach von mir aus ohne erkennbaren Grund ein Lächeln aufzudrücken, gleicht einer gewaltigen Mutprobe. Aber schließlich gehört es mit zu meinem Experiment. Das Ergebnis am Ende des Tages ist ernüchternd: Kaum Jemand (ca. 70% der Leute) guckt überhaupt hin. Da sind die guten Absichten in Form zweier hochgezogener Mundwinkel schon im Vorfeld dahin.

Ein weiterer Teil (etwa 25%) guckt nach meinem Lächeln teilnahmslos weg und geht stur seinen Weg weiter. Wie frustrierend! Da geht meine Motivation erstmal Richtung Keller spazieren. Lediglich 2 Personen haben freundlich zurückgelächelt. Aber darüber konnte ich mich dann auch ehrlich freuen. Da kam richtige Euphorie auf, das glaubst du gar nicht! Ein tolles Gefühl, wenn wildfremde Menschen einen anlächeln, und das, obwohl sie meine „Versuchskaninchen“ waren. Entschädigt einiges!

17.00h Nur noch eine Stunde bis zum Anpfiff der DFB-Elf im Viertelfinale gegen Frankreich. Erst begegne ich unzähligen Dränglern und kurz vorm Ziel, sprich Zuhause, schleichenden Fußballmuffeln auf der Landstraße. Jetzt bin auch ich nicht mehr die Ruhe selbst, die die Landschaft genießen kann. Immerhin will ich mein Heimatland in Brasilien anfeuern! Aber ich glaube, das würde einer Holländerin in diesem Falle ähnlich gehen.

Mein Fazit:
Ich brauche wohl noch ein ganzes Bisschen mehr Übung auf dem Weg zur „holländischen Gelassenheit“. Das Experiment war hart! Härter als gedacht. Ich musste mich ständig vom Aufregen und Nörgeln abhalten. Und dass scheinbar Jeder seinen eigenen Weg geht, ohne für seine Mitmenschen ein freundliches Lächeln oder wenigstens einen offenen Blick übrig zu haben, hat mich ernsthaft deprimiert. Ich hoffe, das Ergebnis war nicht repräsentativ. Vielleicht war das Wetter schuld, der Börsenmarkt oder sonst was. Ich werde es weiter studieren. Denn daran möchte ich auch in Zukunft festhalten: Öfter mal einen interessierten Blick auf mein Umfeld werfen, sprichwörtlich „mit offenen Augen“ durchs Leben gehen, ohne gleich ein künstliches Dauergrinsen aufzusetzen. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich da nicht die Einzige sein werde. Irgendwo werden wir uns schon finden. Wir könnten uns ja leicht zuzwinkern. Und uns dann auf eine Tasse Tee zusammensetzen und über die Schönheit unserer Welt sinnieren. Na, wie wär’s?
Heute...holländisches Lebensgefühl verbreiten

4 Gedanken zu „Heute…holländisches Lebensgefühl verbreiten“

  1. Leni sagt:

    Eine prima Idee! Die These, dass Holländer an sich gelassener und freundlicher sind, würde ich hier zwar nicht unterschreiben (ich habe bisher im Urlaub keinen Unterschied zwischen Deutschen und Holländern ausmachen können), aber der Gedanke ist ja was zählt. Wenn ich so recht überlege, finde ich, dass Franzosen sehr entpannt im Umgang mit Kindern sind …Wie auch immer ;-)
    Manchmal ist es tatsächlich so einfach. Man braucht nur die Mundwinkel hochziehen und offen durch die Welt gehen. Aber: man muss sich immer wieder selbst daran erinnern…
    Oder man hat Dich dafür!
    Liebe Grüße
    Arlene

    1. Christine sagt:

      Ach du Liebe, wie immer vielen Dank für deine netten Worte!
      Ich wollte ja auch nicht sagen, dass die Holländer das Maß aller Dinge sind, aber das hast du ja eh nicht so interpretiert ;-)
      Liebe Grüße in die Froschhütte und bis bald
      Christine

  2. Esh sagt:

    Ohjaa das gleiche denke ich mir jedes mal in Holland. Das ist mir schon während meiner Kindheit/Jugend aufgefallen, als ich mit einer Freundin in einem Kettcar unterwegs war, waren wir kurz abgelenkt und konnten nur knapp vor einer Gruppe Holländer stoppen (Ein Mann sprang zu Seite) sie nahmen die Situation aber ganz gelassen und lachten, frei nach dem Motto „Es ist ja nichts passiert und es kann jedem mal passieren“. Das wir danach besser aufgepasst haben war ja sowieso klar.
    Die Situation die du beschrieben hast erlebe ich auch immer wieder, ich seh Leute meckern und bevor ich mich Wunder sind es meine Landsleute. Wir sollten uns alle eine große Scheibe von den Holländern abschneiden.

    1. Christine sagt:

      Liebe Esh,

      ist es nicht erstaunlich, wie lange man sich an manche Situationen erinnern kann und was diese für eine Wirkung haben? Stell dir vor, der Mann hätte dich angebrüllt – dann würdest du heute von Holländern vielleicht ein anderes Bild haben (vielleicht auch nicht, weil das Gesamterscheinungsbild, die Grundhaltung der Holländer, viel sympathischer/empathischer/gelassener erscheint).
      Schade, dass unsere Grundhaltung meistens von Misstrauen geprägt ist. Die Leichtigkeit müssen wir wohl erst (wieder-)finden.

      Danke für deine Geschichte und dass du uns daran teilhaben lässt! Das hätte die Gruppe vor vielen Jahren sicher nicht gedacht, welche Kreise ihre Reaktion ziehen würde :)

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