„Christine, bist du glücklich?“ Ich saß bei meiner Mutter auf dem Sofa, während sie mir gerade die zweite Tasse Tee einschenkte. Während wir so über dies und jenes plauderten, kam nun eben diese Frage auf. Eine Frage, die sich sicher Jeder ab und an stellt. Gerade, wenn man vielleicht nicht die dicken Millionen auf dem Schweizer Bankkonto liegen und vor Kurzem den zweiten Wohnsitz auf Mallorca angemeldet hat, sondern eher für’n Appel und ´n Ei einer 40-Stunden Woche hinterher rennt, um abends im Aufzug mit den schrulligen Nachbarn Richtung fünfter Stock zu fahren. Mein Handicap, also quasi mein fünfter Stock (um im Bild zu bleiben), war seit vier Jahren mein Leben als Mutter. Nur mit dem Unterschied, dass das nicht aus einer 40-Stunden-Woche bestand (um noch mehr im Bild zu bleiben). Mein Part als Mutter war und ist vierundzwanzig Stunden an sieben Wochentagen gefragt.
Bin ich glücklich? Ich glaube, diese Frage habe ich mir noch nie so häufig gestellt wie in den letzten vier Jahren meines Mutterseins. 1460 Tage (plus eins, 2012 war ein Schaltjahr), die mein Leben derart auf den Kopf gestellt haben, wie ich es mir nicht zu Träumen gewagt hatte. Zwei Kinder, die eben nicht nur Friede, Freude und Eierkuchen mit auf die Welt brachten, sondern auch noch ihren eigenen (Trotz-)Kopf und jede Menge Wunsch nach Aufmerksamkeit. Ein Umstand, der mich so manches Mal an den Rand meiner Belastbarkeitsgrenze brachte (und heute noch bringt). Nach reiner Logik müsste ich also heute so unglücklich, unmotiviert und depressiv sein, wie es nach Postpartalen Depressionen, Motzbeiträgen im Mama Blog und mal mehr, mal weniger laut geäußerten Wünschen, mein altes Leben wieder zu bekommen, nur ginge. Komischerweise ist das Gegenteil der Fall.
Beim Stöbern in älteren Blogbeiträgen stieß ich letztens zufällig über „Regretting Motherhood?“. In dem Text gab ich damals, vor knapp einem Jahr, offen zu, die Mutterrolle als solche zu bereuen. All die Wut, all der Schmerz über eine Rolle, die der Frau übergestülpt wird, sobald sie Verantwortung für einen neuen Erdenbürger übernimmt, brach damals aus mir heraus. Wie sehr ich mit der Fremdbestimmtheit haderte. Wie eingezwängt sich das Leben als Mutter anfühlte. Wie unspontan das Leben so wäre. Diese meine Ansichten haben sich im Laufe des letzten Jahres nicht sehr geändert. Und trotzdem: Würde ich die Zeit heute noch einmal zurückdrehen und mich gegen Kinder entscheiden können; ich würde diese Möglichkeit wohl nicht mehr in Betracht ziehen. Wie kommt das?
Haben sich meine Kinder dermaßen zu selbstständigen Wesen entwickelt, dass sie nun nicht mehr meine volle Aufmerksamkeit und abends einen Babysitter brauchen, wenn mein Mann und ich spontan ins Kino wollen? Natürlich nicht! Es sind immer noch Kleinkinder, vier und drei Jahre alt, die in jeder wachen Minute ihres Daseins bespaßt und betüddelt werden wollen. Die nicht alleine vom Kindergarten nach Hause laufen und sich dann ihr Mittagessen warm machen, während Mama ihren eigenen Hobbies nachgeht. Spontane Kinobesuche sind immer noch nicht drin. Das Korsett der Mutterrolle liegt mir also immer noch eng an. Und dennoch fühle ich mich heute mit meinem Leben sehr wohl. „Trotz“ Kindern. Woran liegt das?
Vielleicht liegt es an meiner neuen Sichtweise. Dinge, die man nicht ändern kann, soll man akzeptieren, wusste schon Reinhold Niebuhr. Ich habe in den letzten vier Jahren viel gekämpft. Möglicherweise an manchen Stellen zu viel. Gegen die Tatsache, dass man nun Mutter bis zum Rest seines Lebens ist, kann man natürlich tagtäglich ankämpfen, wenn man das möchte. Die Frage ist nur, ob sich der Kampf lohnt. Bei mir hat es lange gedauert, mir einzugestehen, dass manche Dinge im Leben es einem auch ermöglichen, mit sich Frieden zu schließen. Die Mutterrolle war bei mir so ein „Ding“. Ändern konnte ich an der Tatsache eh nichts. Und je früher ich mein Augenmerk auf die positiven Auswirkungen lenkte, desto besser.
Natürlich war und ist das nicht immer leicht. Wenn der Vierjährige täglich sein Rumpelstilzchenverhalten rauslässt. Wenn der Dreijährige jedes Verbot dreimal überhört. Wenn man für einen dreitägigen Pärchenurlaub Himmel und Hölle in Bewegung setzen muss, weil keine Großeltern der Welt spontan freudig in die Hände klatschen, schon gar nicht, wenn sie auch berufstätig sind. In solchen Momenten fällt es mir wirklich schwer, mich bedingungslos mit meinem Leben anzufreunden.
Gleichzeitig weiß ich aber auch um die positiven Auswirkungen, die das Muttersein so mit sich bringt: Wie ehrlich ich inzwischen mit mir und Anderen bin. Ich kenne meine Belastbarkeitsgrenzen, ich weiß, wer und was mir wirklich wichtig im Leben ist. Ich kann im Job besser delegieren und sagen was Sache ist, weil ich das zuhause bei meinen Kindern seit vier Jahren instinktiv tue. Mein tief sitzender Wunsch, immer die Kontrolle behalten zu müssen, wird glücklicherweise von zwei Jungs tagtäglich zunichte gemacht, weil sie mir immer wieder zeigen, dass Kontrolle eine Illusion ist, die man nicht dauerhaft aufrecht erhalten kann. Vom Bild einer perfekten Mutti ganz zu schweigen. Das macht eindeutig gelassener! Man muss nur hingucken und nach den Rosinen im Kuchen pulen! Das hat meiner Meinung nach nichts mit Schönreden zu tun. Natürlich brauche ich trotzdem nach wie vor meine Zeit für mich. Viel Zeit für mich. Ohne Kindergarten, Großelternbetreuung und Zeit für eigene Hobbies ginge es nicht.
Hinzu kam bei mir die Einsicht, dass man sein Glück nur in sich selbst und nicht im Außen finden kann. Kein Kind der Welt, kein weltbester Partner kann in mir Glück auslösen, wenn ich nicht selbst fruchtbaren Boden, also die Grundlage, in mir schaffe, damit dieses Glück wachsen kann.
Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir alle die Chance haben, zu wachsen. Mein Mann und ich, weil Kinder einen automatisch dazu zwingen, Sichtweisen zu überdenken, Dogmen zu hinterfragen und neue Impulse in sich zu entdecken. Und die Kinder wachsen auch. Nicht nur körperlich, sondern durch uns als direktes Vorbild. Aber da liegt auch der Knackpunkt: Wie viel gebe ich meinen Kindern unbewusst mit, wenn ich die Mutterrolle verteufle? Wie viel Resignation nehmen sie für sich mit, wenn ich ihnen vor Augen halte, wie sehr ich mal wieder von ihrem Verhalten genervt bin? Aber auch umgekehrt: Wie viele Chancen da Draußen lasse ich noch ungenutzt? Meinen Söhnen z.B. kleine Achtsamkeitsmomente gönnen wie eine Schnecke auf ihrem Weg beobachten, obwohl wir uns beeilen müssten, oder trotz fehlender Matschhose durch Regenpfützen springen?
Ich nippte an meinem heißen Tee und musste nicht lange überlegen, was ich meiner Mutter antwortete. Ich habe meinen Frieden gefunden. Ja, ich bin ein glücklicher Mensch geworden. Aber bedeutet glücklich sein, dass ich deswegen zu jeder Tageszeit breit grinsend und mit Heiligenschein durch die Gegend laufen muss? Für mich persönlich nicht. Ich glaube nicht, dass man permanent gut drauf sein muss, um glücklich zu sein. Ich denke, auch die glücklichsten Menschen dürfen traurige Momente erleben oder auch mal wütend werden (weswegen Sie auch in Zukunft nicht auf Motzbeiträge auf meinem Mama Blog verzichten müssen, um Ihre unausgesprochene Frage zu beantworten).
Wichtig ist doch ganz allein, dass man die Gewissheit hat, dass alles seine Richtigkeit hat. Dass das Leben es gut mit einem meint, auch wenn man es nicht immer auf den ersten Blick erkennt. Dass es mir an nichts mangelt. Und damit meine ich nicht die Millionen auf dem Schweizer Bankkonto. Ich fühle mich wohl, mit dem was ist. Mir fehlt nichts. Ja, auch ich habe noch unerfüllte Träume. Aber ich muss sie nicht erfüllt bekommen, um glücklich(er) zu sein. Ich bin dankbar für das was ich habe und schöpfe daraus Kraft. Und ich wünsche mir sehr, dass ich meinen Kindern auf lange Sicht etwas von diesem Glücksgefühl mitgeben kann.
Claudia sagt:
???????????? Toller und ehrlicher Beitrag, und vieles, was Du schreibst, unterschreibe ich sofort!! LG Claudia
Christine sagt:
Danke dir :)
Daija / liebevoller leben sagt:
Danke für Deine Worte zu dem Thema. Ich glaube, dieser Uebergang zur Mutterschaft, die ersten Jahre, koennen sehr schwer sein (habe ich selbst so erlebt) und von viel Ambivalenz gepraegt. Wie Es sich anfuehlt, die Mutterschaft zu bereuen, wenn Kinder aelter sind, sogar erwachsen, ist vielleicht schwer vorstellbar (und genau darum geht es ja bei regretting motherhood, also dass Frauen eben keinen Frieden finden koennen, auch wenn sie das versuchen).
Christine sagt:
Liebe Daija,
lieben Dank für deinen Kommentar! Im Grunde ist es ja wirklich ein kompletter Einschnitt und ein neues Leben, an das man sich gewöhnen muss und nicht nur „Einer mehr“, der nebenher läuft.
Danke für deine persönlichen Einblicke,
lg Christine