Mama-Momente

Wohnen hier überhaupt Kinder?

In der Tat, eine berechtigte Frage. Nein, sie wurde mir noch nicht gestellt. Außer natürlich schon ganz oft von meiner inneren Stimme, vornehmlich als schlechtes Gewissen verkleidet. Und dennoch grenzt es förmlich an ein Wunder, dass mich noch kein Besucher irritiert auf die fehlenden Hinweise zweier vorhandener Kinder aufmerksam gemacht hat. Vielleicht liegt es daran, dass wir selten Besuch bekommen, außer von unseren Eltern oder ein paar polnischen Handwerkern, die in dem Altbau mal wieder etwas reparieren müssen. Handwerker fragen nicht nach nicht-vorhandenem Spielzeug. Und unsere Eltern halten sich vielleicht diskret zurück. Dennoch: Sollte man beim Betreten eines Hauses, in dem auch kleine Kinder leben, nicht augenblicklich über ein paar Legosteine und Spielzeugfiguren stolpern?

Ja, ich gebe es offen zu: Unser Haus ist weitestgehend Spielzeugfrei. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Badezimmer, Gästezimmer und Flur: Nirgends liegen offensichtlich Sachen meiner Kinder herum. Bis auf Jacken und Schuhe an der Garderobe, den Tripp-Trapp-Stühlen am Esstisch sowie selbstgemalter Bilder am Kühlschrank, erinnert auf den ersten Blick bei uns nichts an die Anwesenheit eines Fünf- und eines Sechsjährigen.

Auf den Tischen stehen Blumenvasen neben Kerzenständern, die Kissen auf Sofa und Sesseln sehen aus wie für eine Wohnzeitschrift drapiert und man kann von einem Ende des Erdgeschosses bis zum anderen laufen, ohne den Blick auf den Fußboden gerichtet haben zu müssen, aus Angst vor Playmobil-Figürchen, die harmlos herumliegen, nur um einem plötzlich hinterhältig ihre spitzen Ärmchen in die Fußsohle zu kneifen.

Nein, hier im unteren Teil unseres Domizils liegen keine Playmobilfiguren, keine Bagger und keine Bälle herum. All diese Herrschaften wohnen ein Stockwerk drüber, in den Kinderzimmern unserer Söhne, zusammen mit all den anderen Spielzeugkameraden. Dementsprechend sehen die Zimmer auch aus.

Bücher, Kuscheltiere, Legofiguren, Duplosteine und Selbstgebasteltes finden ihren Platz in Kisten oder einfach übereinandergestapelt auf den Schreibtischen oder in den Bettritzen der Kinder. Auf dem Fußboden schlängelt sich die Eisenbahnschiene ihren Weg, und um von der Tür bis zum Fenster zu kommen, muss man sich vorher schon einen guten Plan gemacht haben, um unfallfrei die andere Seite des Zimmers zu erreichen.

Wohnen hier überhaupt Kinder?

Aber kaum hat man die Kinderzimmertür von Außen wieder geschlossen, ist es, als ob man eine andere Welt betritt.

Nicht so bei meiner Freundin Stefanie*. Ihr ganzes Haus ist kinderspielfreundliche Zone. Vor allem ihr Wohnzimmer lässt nur schwer erahnen, wie es einmal in kinderfreien Zeiten ausgesehen haben muss. Auf Kaminsims, Fensterbank und in den unteren Regalböden liegt das Spielzeug ihres kleinen Sohnes Moritz, die Wickelkommode steht griffbereit zwischen Zimmertür und Laufstall, welcher neben der gemütlichen Couch seinen Platz gefunden hat.

Der gesamte Boden ist mit bunten Schaumstoff-Puzzlematten ausgelegt worden, um den Zwillingsbabys einen weichen Untergrund zum Krabbeln und Spielen zu bieten und zahlreiche Fotos an den Wänden verraten dem Besucher auf einen Blick, wer in diesem Haus wohnt.

Stefanie entschuldigte sich beinahe bei meinem ersten Besuch für den leicht chaotisch wirkenden Zustand ihres Heims, aber ich muss sagen, dass ich es im Gegensatz zu ihren Befürchtungen richtig gemütlich fand! Insgeheim beneidete ich sie fast um diese Lockerheit.

Genauso hatte ich es mir auch immer vorgestellt vor der Geburt meiner eigenen Kinder: Spielzeug auf dem Teppich, das schon vor ein paar Tagen dort vergessen worden war, extra freigeräumte Regale, in denen die Kinder ihre Bücher und Spielsachen verstauen konnten und herumwuselnde Kinder um meine Beine, die gerade dabei waren, ihrer Holzeisenbahn eine neue Strecke unter dem Wohnzimmertisch zu bauen.

Kurz gesagt: Ich wollte meinen Kindern auch bildlich gesehen den größten Platz in meinem Leben geben.

Aber dann kam meine neue Realität, in der mein Bedürfnis nach Freiheit und Selbstverwirklichung größer war, als der Wunsch, meinen Kindern das ganze Haus als Spielfläche zur Verfügung zu stellen.

Wohnen hier überhaupt Kinder?In der Babyzeit konnte ich es noch ertragen, dass sich Stubenwagen und Krabbeldecke im Wohnzimmer befanden. Und nicht nur aus Platz- sondern auch aus praktischen Gründen hatte der große Laufstall lange Zeit seinen festen Standort im Herzen unseres Heims.

Sobald die Kinder allerdings anfingen, von der Baby- in die Kleinkindphase überzugehen, duldete ich auch das Spielzeug nicht mehr in meinem abendlichen Sichtfeld. Bausteine und Autos zogen jeden Abend mit den Jungs ins Kinderzimmer und durften erst am nächsten Tag wieder zum Spielen mit ins Wohnzimmer gebracht werden.

Meine Mutter fand meine Sichtweise ziemlich befremdlich, immerhin durften wir als Kinder zuhause jederzeit überall in der Wohnung spielen. Da wurden Buden unter dem Esstisch gebaut, Playmobilwelten auf dem Wohnzimmerteppich kreiert und die Sitzmöbel zum Trampolin auserkoren.

Als Kind war es für mich das Paradies und mein tiefsitzender Wunsch, meinen eigenen Kindern auch einmal diese Unbeschwertheit in meinen eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Damals wusste ich noch nicht, dass Kinder in meinem Leben dermaßen viel Raum einnehmen würden, dass ich im Gegenzug auch sehr viel Raum für mich brauche – innerlich wie äußerlich.

Bei Stefanie konnte ich es aushalten, dass das Spielzeug im Wohnzimmer dominiert, in meinen eigenen vier Wänden wäre ich durchgedreht. Weil fremde Kinder keine „Bedrohung“ für mein freiheitsliebendes Ich sind.

Bei anderen kann ich Kindergeschmiere mit Fingerfarben an der Fensterscheibe als Kunst anerkennen, bei mir zuhause werden meine Nerven schon stark strapaziert, wenn der Sohn ein selbstgebasteltes Windlicht auf meinem Esstisch platzieren möchte.

Wohnen hier überhaupt Kinder?Nach dem Umzug an die Küste vor neun Monaten grenzte ich das Wohnzimmer als Spielstätte für meine Kinder dann endgültig aus. Jeder der beiden hat sein eigenes großes Zimmer und mein Raum zum Zurückziehen ist eben das Wohnzimmer. Hier halten sich die Jungs lediglich zum Fernsehen auf oder wenn wir ein Buch auf dem Sofa lesen, zum Spielen gehen sie in den ersten Stock in ihr Reich oder bei schönem Wetter in den Garten. Gepuzzelt, gemalt und gebastelt wird am Esstisch in der Küche und anschließend wird alles wieder dorthin geräumt, wo es herkam.

Bisher kannte ich keine andere Mutter, die es ähnlich handhabte wie ich. Und dann lernte ich die hochsensible Jessica über meinen Blog kennen und verbrachte einen wunderschönen Tag mit ihr im nahegelegenen Strandcafé.

Wir quatschten über dies und das und dann erzählte sie mir mit einer beeindruckenden Selbstverständlichkeit von ihrer aufgeräumten Wohnung, in der man auf den ersten Blick auch keine Kinder vermuten würde. Sie berichtete weiterhin auch von diversen kritischen Fragen anderer Frauen, die offensichtlich glaubten, Jessicas Kinder hätten nicht nur in ihrem Wohnzimmer keinen Platz, sondern ebenso wenig in ihrem Herzen.

Wohnen hier überhaupt Kinder?Und da war es wieder, das schlechte Gewissen, das auch bei mir aufkommt, wenn meine Schwiegereltern auf einen Besuch vorbeischauen oder Mütter, die sich am vielen Spielzeug ihrer Kinder in ihrem Wohnzimmer oder an den gebastelten Fensterbildern im ganzen Haus erfreuen können. Ganz normale Mütter eben!

Ich glaube, intuitiv reagieren viele Menschen gefühlsmäßig so wie die genannten Kritikerinnen in Jessicas Wohnung und dafür kann man ihnen nicht mal einen Vorwurf machen, weil in unserer Gesellschaft Kinder ein hohes Gut sind und Mütter sich kaum trauen, ihre eigenen Bedürfnisse über die ihrer Kinder zu stellen. Sofort kommt Jemand daher und nennt diese Mütter Egoistinnen.

Als ob es ein Nichtlieben seiner Kinder bedeuten würde, wenn man einen Teil des Hauses zur Spielfreien Zone erklärt! Und doch ist es schwierig, den kritischen Betrachtern das Gegenteil zu erklären.

Gerade wir hochsensiblen Mütter, die sich nach einem reizüberfluteten Tag mit dem Nachwuchs nach Ruhe und einem aufgeräumten Umfeld sehnen, können möglicherweise besser abschalten und uns auf uns selbst konzentrieren, wenn sich in der Ecke des Wohnzimmers nicht das Spielzeug stapelt oder man auf dem Weg zur Küche keinen Slalom um die Bausteine absolvieren muss.

Wohnen hier überhaupt Kinder?Ich werde es jedenfalls auch weiterhin so handhaben und abends noch herrenlos herumliegendes Spielzeug auf die Treppe legen, damit es sein Besitzer am nächsten Morgen in sein Zimmer räumen kann.

Ich brauche Raum für mich. Mein Haus ist der Spiegel meiner Seele. Meine Kinder haben genauso ihren Platz in meinem Herzen, wie sie auch Platz in meinem Haus haben, an dem sie so schalten und walten dürfen, wie sie wollen.

Für manche scheint das wenig zu sein. Für mich ist es eine ganze kleine Welt.

(* alle Namen sind wie immer geändert worden, um die Anonymität der Personen zu wahren)

19 Gedanken zu „Wohnen hier überhaupt Kinder?“

  1. Anne sagt:

    Ich kann das zu 100% nachvollziehen! Ich bin zwar, denke ich, keine hochsensible Mutter, aber mein Zuhause dekoriere ich mit sehr viel Liebe. Inneneinrichtung ist meine Leidenschaft und sowenig wie ich meine Sachen rumliegen lasse, so wenig liegen die Sachen meiner Tochter rum. Ich räume abends alles weg. Auch das Spielzeug des Hundes im übrigen 😊

    1. Christine sagt:

      Hallo liebe Anne,
      ich wollte natürlich nicht damit sagen, dass nur die hochsensiblen Mütter abends ans Aufräumen denken (falls der Eindruck entstand) ;-)
      Gerade wenn die Inneneinrichtung nicht nur Mittel zum Zweck, sondern Hobby aus Leidenschaft ist, kann ich mir gut vorstellen, dass Spielzeug nicht als Deko-Objekt durchgeht, egal ob von Kind oder Hund :)
      Viele liebe Grüße

  2. SilkeAusL sagt:

    Christine, ich verstehe vollkommen was Du meinst.
    Hier kann ich leider niemanden nach „oben“ schicken, es ist alles auf einer Etage.
    Dementsprechend verteilen sich die Kinder auch auf alle Zimmer und ich habe am Wochenende auch oft das Bedürfnis, etwas anderes ausser Kuscheltücher, Puppen und Selbstgebasteltes(vollendet und nicht vollendet…)zu sehen.
    Gerade ist klein-P.auf dem „Baby-Trip“, hat sich eine „Krabbeldecke“ auf den Wohnzimmerfussboden gelegt.
    Wenn ich mich umsehe, liegt auf jedem Tisch, auf jeder Kommode etwas von den Kindern. Etwas vom Ü-Ei, ein Vorlesebuch, eine „Schatztruhe“ für Schmuck, eine Playmo-Figur, eine Frisbee-Scheibe mit Glitzdeko…Ich bräuchte schon eine seeehr große Kiste, alles zusammen zu suchen. Aber es ist mir zu müßig, da es morgen, am „ich bespaße die Kinder von früh bis spät“-Tag (andere nennen es „freien Tag“ und chillen…..)wahrscheinlich abends doppelt so schlimm aussieht.
    So blitzeblank, wie es bei Dir ist, lohnt es sich für mich alle 14 Tage für maximal 24 Stunden herzurichten(wovon ich noch ein paar Stunden schlafe…).
    Mich nervt es auch total, und ich möchte zwischendurch manchmal schreiend wegrennen, weil ich weiß, dass ich da die nächsten Jahre sowieso nicht „hinter“ komme.
    Aber da auch wir, schon aus Zeitmangel, selten bis gar nicht Besuch bekommen, hab ich fast schon eine „LMAA“-Einstellung angenommen. Ich hab im Moment andere Themen, die mich mehr „mitnehmen“; irgendwas bleibt dann immer auf der Strecke.

    LG Silke

    1. Christine sagt:

      Liebe Silke,

      ich kann dich verstehen, wenn du Prioritäten setzt, im Sinne von „andere Themen nehmen dich gerade mehr mit“, bzw. wenn du das Gefühl hast, dass du bei dem Chaos eh nicht hinterherkommst. Ich hoffe trotzdem sehr für dich, dass es nicht mehr so lange dauert wie du befürchtest (vielleicht kommen deine Töchter ja irgendwann sogar selbst auf den Geschmack des Aufräumens ;-))
      Halt‘ die Ohren steif und sei lieb gegrüßt!
      Christine

  3. Sabrina sagt:

    Bei uns ist das Spielzeug auch nach und nach (mit steigendem Alter) eine Etage höher gewandert. Ich hab es auch lieber aufgeräumt.
    Bei anderen, wo alles voll Spielzeug liegt, krieg ich auch eher nen Schrecken, als dies mit Kinderliebe gleichzusetzen. Da würde ich mich nicht wohl fühlen.

    1. Christine sagt:

      Liebe Sabrina,
      lieben Dank für deine Einschätzung! Schön zu lesen, dass auch andere Mütter es lieber aufgeräumt mögen (dabei muss ich gleich an meine eigene arme Mutter denken, wie sie jahrelang vergebens versucht hat, uns zum Aufräumen der Kinderzimmer zu bewegen. Dieses Bedürfnis kam leider erst sehr spät in uns Kindern auf). Ich ahne bereits jetzt, dass es bei meinen Kindern ähnlich sein wird. Aber immerhin besteht Hoffnung und vielleicht gucken sie sich ja doch ein wenig vom Rest der Wohnung ab ;-)

  4. Sabine sagt:

    Danke für die ehrlich Worte. Ich bin genauso, was das zu Hause angeht. Für andere ist es wohl erschreckend steril hier. Ich mag Minimalismus. Alles andere überfordert mich… leider!

    1. Christine sagt:

      Liebe Sabine,

      auch dir vielen Dank für deine Offenheit! Ja, manchmal ist es auch gar nicht so leicht, sich die Überforderung einer (in unseren Augen vielleicht überfüllten) Wohnung einzugestehen, die auf Außenstehende möglicherweise total ordentlich oder leer wirkt. Das Schlimmste dabei ist doch eigentlich das Bedürfnis, sich rechtfertigen zu müssen oder irgendwann selbst an sich zu zweifeln und seine Bedürfnis nach Ruhe, Struktur oder -wie du es nanntest- Minimalismus als Problem zu betrachten, weil man sich mit anderen vergleicht.
      Grüß mir deine aufgeräumten Vier Wände :)

  5. Denise sagt:

    Hallo,
    danke, dass du mich auf neue Gedanken gebrachst hast. Die Idee von spielzeugfreien Räumen finde ich wirklich überzeugend. Werde mich gleich daran machen.

    Grüße
    Denise

    1. Christine sagt:

      Liebe Denise,

      es freut mich, wenn meine Gedanken dich zum Umdenken und Nachmachen anregen konnten, sofern du dich damit wohler fühlst! Berichte gerne mal, ob sich dadurch etwas bei dir verändert hat!
      Herzlichst,
      Christine

  6. Holly sagt:

    Vollstes Verständnis! Bis eben habe ich das ehrlich gesagt gar nicht in Frage gestellt, dass das Spielzeug woanders sein könnte als im Kinderzimmer… wofür gibt es die denn?

    Und tatsächlich finde ich das „Spielzeug horten“ im Wohnzimmer auch bei anderen eher unangenehm und befremdlich. Man fühlt sich direkt dazu gezwungen damit interagieren zu müssen (und sei es nur den spitzen Lego-Steinen auszuweichen).

    Ich habe Bekannte deren inzwischen 19 und 14-jährige Kinder das ganze Haus mit ihrem Kram vollstopfen. Zu dem ganzen Spielzeug kam dann irgendwann das Kinderschalgzeug und eine E-Gitarre. Es ist immer unaufgeräumt und einfach auch ungemütlich. Meine persönliche Vorhölle!

    1. Christine sagt:

      Das Kinderschlagzeug wäre bei mir sicherlich auch im Kinderzimmer die Vorhölle ;-)

  7. Micky sagt:

    Hallo liebe Christine,

    gestern Abend hatte sie mich gefangen, die totale Überflutung an Reizen – alles war zu laut, zu kreischend, zu viel.
    Ich habe meinen Partner mit den Kindern alleine gelassen und mich zurück gezogen begleitet von ganz viel schlechtem Gewissen und Selbstvorwürfen. Da bin ich auf deinen Blog gestoßen, habe mich verstanden und dadurch ein bisschen besser gefühlt.

    Ich bin zwar keine wirkliche Mutter, habe aber trotzdem mit ähnlichen Dingen im Alltag zu kämpfen. Mein Freund hat aus seiner Ehe vier Kinder mit in unsere Beziehung gebracht, die in Teilzeit bei uns wohnen. Ich liebe jeden Einzelnen dieser vier wunderbaren kleinen Menschen und würde sie auch nicht mehr aus meinem Leben geben wollen.

    Und trotzdem verlangt es mir immer wieder Großes ab, ich habe oft das Bedürfnis einfach zu fahren, zu gehen; zweifel an meinem Leben und ob es die richtige Entscheidung für mich war mit meinem Partner und den Kindern in das neue Haus zu ziehen.

    Wenn die Kinder knatschig sind oder vor Wut weinen, wenn Alles zur Diskussion wird oder unter den Kindern schlechte Stimmung herrscht, dann zerreißt es mich innerlich und ich will nur noch Schreien.

    Das Gefühl vollkommen fremdbestimmt zu sein ist mein täglicher Begleiter zumal ich als Stiefmutter wenig Einfluss auf die Alltagsgestaltung habe.

    Unser Haus schaut oft aus, wie der reinste Kinderspielplatz, am Anfang hat mich das verrückt gemacht, heute kann ich es hin und wieder ertragen. Jedes Kind hat ein eigenes Zimmer, trotzdem sammelt sich regelmäßig das gesamte Spielzeug im Wohnzimmer – ein Zustand den ich absolut nicht aushalte; ebenso wie Spuren von Tannennadeln auf dem Boden oder ein Krümelarsenal auf dem Sofa. Mein Freund sagt dann immer: „Das ist halt so mit Kindern.“ und drückt ihnen einfach ein Brot in die Hand, während ich innerlich zerplatze, weil kein Teller dasteht, sondern das Brot zwischendurch auf der Couch abgelegt wird. Und ich kämpfe quasi rund um die Uhr gegen Windmühlen, damit schnell wieder alles in einem Zustand ist, den ich aushalten kann.

    Oft habe ich dann ein schlechtes Gewissen, weil ich den Kindern nicht das Gefühl geben möchte, sie seien nicht in Ordnung oder ich habe sie nicht lieb. Denn sie sind toll und mir ist wichtig, dass es ihnen gut geht.
    Solange ich Kraft und Energie habe, versuche ich dafür zu sorgen, dass sich jeder wohl fühlt und keine Wünsche unerfüllt bleiben – die der Kinder und die meines Partners. Oft vergesse ich darüber mich selbst, was dazu führt, dass ich ab und an einfach nicht mehr kann.

    Ich denke bei leiblichen Kindern ginge es mir nicht anders, außer dass ich vielleicht ein wenig mehr Einfluss auf das Geschehen hätte.

    So, jetzt genieße ich noch ein bisschen die Wärme des Jüngsten, der sich an mich kuschelt bevor der alltägliche Wahnsinn losgeht.

    :)

    1. Petra sagt:

      @ Micky
      Du schreibst mir aus dem Herzen. Dein Beitrag ist von letztem Herbst, ich hoffe du konntest inzwischen Wege finden es für dich leichter zu machen. Ich ahne erst seit Kurzem dass ich höchstwahrscheinlich unter Hochsensibilität „leide“ – und ja, zur Zeit ist es ein Leid. Denn ich habe mein Leben ahnungslos und gutgläubig so unglaublich angefüllt dass ich nun mit dem alltäglichen Aushalten fast überfordert bin.
      Auch wenn ich vier leibliche Kinder habe erkenne ich mich in vielem das du schreibst wieder. Wir leben in einer Patchwork Familie und ich habe jahrelang weit über mein erträgliches Limit hinaus Zustände ausgehalten. Aus Liebe, Ahnungslosigkeit, dem Wunsch offen und aufgeschlossen zu sein. Mit dem Ergebnis dass ich nun so weit im Emotionsminus bin, dass der kleinste Anlass reicht mich in Tränen ausbrechen zu lassen und ich davon tagträume meine Familie zu verlassen weil ich nicht weiß wie ich es schaffen soll es hier auszuhalten. Meine Bedürfnisse und Grenzen werden nur von mir gelebt. Mann und Kinder sind – ohne böse Absicht – nicht willens und imstande die Ruhe, Routine, Abgeschiedenheit und Ordnung zu leben die ich so dringend brauche. Pass gut auf dich auf und kommuniziere deine Grenzen rechtzeitig und konsequent.
      Viele liebe Grüße

  8. Carolein sagt:

    Sind wohl Seelenverwandte in der Hinsicht. Bin auch ein Mensch, der viel Freiheit braucht. Das fängt mit einer sauberen und klar strukturierten Wohnung an (Ordnung zu halten und zu schaffen befreit mich von so vielen schlechten Gefühlen und sorgt nachhaltig für mein Wohlbefinden, auch mein Mann liebt es). Da gehört dazu, dass die Spielsachen abends aus meinem Sichtfeld verschwinden, weil ich vor allem jetzt in der gemütlicheren Zeit abends wieder gerne im Wohnzimmer sitzen möchte. Tagsüber darf sie gerne Barbies und Kuscheltiere im Wohnzimmer stapeln, wie sie will. Dort spiele ich auch mit ihr. Aber abends muss es weg. Dann ist Erwachsenenzeit :)

  9. Ulrike sagt:

    Mich würde noch interessieren wie du es geschafft hast deine Bedürfnisse praktisch zu realisieren. In anderen Worten: wenn du dann erkannt hattest „ich brauche x“ wie hast du deine Familie dazu bewegt mitzuziehen? Ein Ehemann ist vielleicht von sich aus dazu bereit aber ein Kind muss man ja sogar in nicht-hochsensiblen Familien zum Aufräumen nötigen. Bei mir war es ganz oft so dass ich Bedürfnisse über Jahre nicht durchsetzen konnte weil die Durchsetzung mich so viel Energie gekostet hätte die gar nicht vorhanden war. Ich habe es auch sehr gern sauber und aufgeräumt aber wenn der Preis dafür ist in jeder freien Minute entweder selber aufräumen oder endlos diskutieren zu muessen dann funktioniert das fuer mich nicht. Gibt es dazu vielleicht schon einen Blogartikel?

    1. Christine sagt:

      Liebe Ulrike,

      nein, es existiert noch kein Blogartikel über’s Aufräumen ;-)
      So leicht wie es hier vielleicht klingt, ist es in der Realität nicht immer. Das mit dem Aufräumen (bzw. Wegräumen müsste es in diesem Fall besser heißen) klappt deswegen gut, weil es mir quasi seit der Geburt ein Anliegen war und die Kinder so aufgewachsen sind, dass in allen Räumen außerhalb ihres Kinderzimmers kein Spielzeug herrenlos herumliegen soll. Oft räume ich es ihnen auch auf die Treppe oder erinnere sie mechanisch daran, es sofort mitzunehmen, aber in den meisten Fällen machen sie es inzwischen von sich aus. Was aber NICHT heißt, dass in ihren Kinderzimmern Ordnung herrscht – im Gegenteil! Es ist die absolute Hölle für mich, wenn ich das Chaos in ihren eigenen vier Wänden erblicke. Aber ich habe mir gesagt, wenn sie sich schon in allen anderen Räumen an meine Regeln halten müssen, dürfen sie in ihrem Zimmer haushalten, wie sie es für richtig halten (bis alle paar Monate bei mir die Hutschnur reißt und wir einen gemeinsamen Aufräumtag veranstalten. Natürlich genötigt und mit riesigem Widerstand (auch von unserer Elternseite aus ;-))!

      Was beispielsweise die Wäsche der Kinder angeht, kriege ich jedesmal die Krise, wenn ich die Wäsche auf Links gekrempelt vorfinde und dann zehn Minuten an der Waschmaschine investieren muss, um zwanzig Paar Socken und sechzehn Oberteile nochmal selbst zu wenden, weil die Jungs es noch nicht selbst machen. Ich könnte natürlich auch da Zeit und Nerven investieren, sie jedesmal beim Umziehen wieder und wieder daran zu erinnern, aber in dieser Angelegenheit fehlt selbst mir die Energie dazu. Da warte ich noch, bis sie etwas älter sind.

      Will heißen: Alles, was mir wirklich ein Bedürfnis ist, wird konsequent durchgesetzt (und leider muss ich in den meisten Situationen zigmal(!!), meist über Monate, wiederholen, erinnern, hinterher sein. „Wasch dir bitte die Hände nach der Toilette, putzt euch die Schuhe gründlich an der Fußmatte ab, in der Küche wird nicht gerannt!“). Aber das ist es mir dann Wert, auch, wenn ich jedesmal bei Nichtbeachten die Augen verdrehe (und das ist wahrscheinlich die Variante, von der du sinngemäß sagtest, dass sie deine persönliche Hölle wäre). Sowas wie die Wäsche „richtig herum“ in die Tonne kloppen würde ich auch sehr begrüßen, aber es ist mir nicht ganz sooo wichtig, also belasse ich es dabei, auch wenn das bedeutet, dass ich mich alleine um diese Angelegenheit kümmern muss.

      1. SilkeAusL sagt:

        Hey Christine, wie sieht es denn aus, wenn Du die Zeit einfach nicht investierst, die Wäsche umzukrempeln, und sie so in den Schrank räumst? Oder streikt da Dein „innerer Monk“?
        Ich mache es teilweise; dann müssen sie eben, bevor sie die Kleidung anziehen, selbst die Klamotten wieder „auf rechts drehen“. Da hab ich keinen Nerv drauf und auch keine Zeit zu. Die paar Minuten, die ich in der Woche für mich habe, beschäftige ich mich lieber mit was anderem.
        Gruß Silke

      2. Christine sagt:

        Liebe Silke,

        ich verbuche es schon als enormen Fortschritt, das Unterhosen-Falten sein zu lassen ;-)
        Aber Oberbekleidung unordentlich und vielleicht sogar ungebügelt in den Schrank zu packen geht bei mir gar nicht!

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