Gesellschaft

Fernsehen, Fast Food und fieses Spielzeug: Unpädagogische Tage

Ich gebe zu, ich mag es, wenn es bei uns zuhause pädagogisch wertvoll zugeht. Man will die Kleinen ja vorbildhaft aufwachsen sehen und ihnen die bestmögliche Erziehung bieten. Naturbelassenes Holzspielzeug statt ferngesteuertem Schrott aus China, ausgewogene Ernährung vom Bioladen anstelle von Fast Food mit Majo und Ketchup sowie einen strukturierten Tagesablauf, der einen gesunden Mix aus Bewegung an der frischen Luft, Ruhepausen zuhause (ohne Fernsehen natürlich!) und gemeinsamen Familienaktivitäten bietet. Zumindest ist das der Maßstab, mit dem ich früher gerechnet habe, als ich noch naiv und kinderlos war. Jetzt bin ich höchstens noch eins von beiden.

Heute, fünf Jahre und zwei Kinder später, bin ich natürlich schlauer. Braune Bauklötze aus Holz sind längst nicht mehr nur in Waldorfkindergärten ein gern gesehenes Spielzeug, allerdings sinkt die Begeisterung bei Kindern, die es über das Krabbel- und Am-Spielzeug-Kauen-Alter geschafft haben, antiproportional zum digitalen Zeitalter, in dem sie aufwachsen, freiwillig damit zu spielen.

Smartphones bei den Eltern und Spielzeugautos, die von selbst blinken, bimmeln und sprechen können, lassen das pädagogisch wertvolle Holzspielzeug und die enttäuschten Mamas und Papas dementsprechend links liegen. Wundern tut das wohl Niemanden mehr und verwerflich finde ich diese Entwicklung grundsätzlich auch nicht.

Wichtig ist doch in allem das richtige Maß. 100% Waldorfspielzeug ist sicherlich genauso unsinnig, wie ein Kinderzimmer voller Spielzeug, das bei Nichtbeachtung mit sich selbst spielt. Der Mix aus beidem macht’s wohl! Außerdem habe ich mit der Zeit festgestellt, dass es weniger wichtig ist, womit gespielt wird: Hauptsache, Mama spielt mit!

Fernsehen, Fast Food und fieses Spielzeug: Unpädagogische TageKommen wir zum heißdiskutierten Thema Fernsehen. Gegen ein wenig „Paw Patrol“, „Feuerwehrmann Sam“ und wie die Serien alle heißen, alle paar Tage mal dreißig Minuten oder am Sonntag „Die Sendung mit der Maus“, habe ich bei meinen Kindern nichts einzuwenden. Auch ein besonderer „Kino-Nachmittag“ zuhause mit extra viel Popcorn und Chips findet in Maßen (also etwa zweimal jährlich) bei uns statt.

Alarmierend -und nebenbei absolut unpädagogisch- finde ich es, wenn der Fernseher als ständiger Babysitter eingesetzt wird, die Kleinsten über Stunden vor der Glotze hängen und eckige Augen bekommen. Rabenmütter, die sowas zulassen! Wie bitte? Du hast letzte Woche bei uns zum Wohnzimmerfenster hineingeläuert und zum wiederholten Male eben jene Szene beobachtet? Hach Mensch, ich gebe es ja zu. Auch ich habe diese unpädagogischen Momente, in denen die Kinder mehrere Stunden am Stück fernsehen dürfen, obwohl draußen die Sonne scheint und zum Spielplatzbesuch einlädt.

Es gibt sie eben, diese Augenblicke, in denen nicht alles perfekt läuft. Vor allem nicht bei Mama. Die Momente, in denen ich entweder sehr dünnhäutig oder extrem gereizt und deswegen kurz vor 180 bin, oder gar beides zusammen. Und bevor irgendeine unschuldige Vase zu Bruch geht oder ich Mini und Maxi anbrülle, setze ich lieber auf den Besänftiger namens Glotze.

Fernsehen, Fast Food und fieses Spielzeug: Unpädagogische TageVor allem ich werde dadurch besänftigt, komme nebenbei beim Bügeln, Mama-Blogs-Lesen oder Putzen wieder runter und zu mir, während die Kinder ihre Lieblingsserie gucken und nicht alle zehn Sekunden nach meiner Aufmerksamkeit verlangen.

Früher hatte ich deswegen oft ein schlechtes Gewissen, heute immer seltener. Manchmal ist der Fernseher tatsächlich ein Problemlöser und vor allem für alle Beteiligten ein Beruhigungsmittel. Als Mutter hochsensibel zu sein, hat ungelogen viele Vorteile. Du kannst dich beispielsweise gut in deinen Nachwuchs hineinfühlen und nimmst alles sehr intensiv wahr.

Aber genau das kann dich auch schnell an den Rand der Verzweiflung bringen. Wenn du zwei Kinder mit zwei unterschiedlichen Meinungen und Wünschen zum Nachmittagsprogramm vor dir stehen hast und auch beide Interessen nachvollziehen kannst, diese aber mit dem dritten, nämlich deinem eigenen Vorhaben, kollidieren und du dich deswegen hin- und hergerissen fühlst. Irgendeiner Partei wirst du es nicht Recht machen können und den daraus resultierenden Streit kannst du bereits förmlich spüren.

Fernsehen, Fast Food und fieses Spielzeug: Unpädagogische TageOder du nimmst neben den wertvollen, lustigen und warmherzigen Momenten auch die überschäumenden Wutanfälle, das ewige Genörgel oder die „Mamaaaaa? Guck maaaal!“-Rufe in Dauerschleife wahr. Dann sollten Mütter, und vor allem wir Hochsensible!- auch mal die unpädagogische Reißleine ziehen dürfen. Sei es in Form von Fernsehgucken oder dem spontanen Abendessen bei McDonalds, weil wir zwischen all der perfekten Alltagsorganisation mal wieder vergessen haben, das Roggenvollkornbrot aus dem Bioladen aufzutauen.

Natürlich ist es grundsätzlich am Besten, so oft Auszeiten für uns zu nehmen und aufzutanken, dass wir so gut in unserer Mitte sind, dass uns das Kindergequake, der Streit zwischen den Geschwistern oder die ewigen „Warum?“-Fragen vom Vierjährigen nicht so stressen. Und dennoch gibt es diese Tage, an denen genau das, trotz bester Vorbereitung, passiert.

Fernsehen, Fast Food und fieses Spielzeug: Unpädagogische TageWir sollten nicht vergessen, dass wir Mütter immer unser Bestes geben. Und zu einer achtsamen Erziehung gehört es eben auch, sich die Momente einzugestehen, in denen wir kurz vorm Ausrasten sind und das schlechteste Mittel der Wahl in Form von Dauerglotze oder dem Ü-Ei an der Supermarktkasse gerade am Sinnvollsten zum Wohle aller ist. Wichtig ist es anschließend, wieder zu uns zu kommen, den Puls durch tiefe Atmung (oder im Telefonat mit der besten Freundin) zu senken, um nachher auch wieder einen klaren Kopf für die Rückkehr zur pädagogischen Erziehung und für unsere Kleinen zu haben.

Ganz nebenbei lernen unsere Kinder, dass nicht immer alles perfekt laufen muss und man auch mal seine schwachen Momente haben darf. Ist allein diese Tatsache nicht einfach mega entspannend und gut gegen den letzten Rest an schlechtem Gewissen? Und für morgen taue ich auch wieder das Bio-Brot aus dem Gefrierfach auf. Versprochen!

8 Gedanken zu „Fernsehen, Fast Food und fieses Spielzeug: Unpädagogische Tage“

  1. mARi sagt:

    Super! Danke, das tut gut in Zeiten, in denen gesunde Ernährung und pädagogisch wertvolle Beschäftigung für die Kinder fast zur Religion erhoben wird… Es muss auch die Ausnahme geben, und eigentlich sollte man dann wirklich kein schlechtes Gewissen haben – habe ich aber auch manchmal. Letztlich muss man an stressigen Tagen Prioritäten setzen, und dann geht es mir wie dir: Dann sehe ich lieber zu, dass ich halbwegs in meiner Mitte bleibe, denn mal was Ungesundes essen oder vor der Glotze parken verzeihe ich mir eher, als meinem Kind gegenüber auszurasten oder unfair zu werden (was natürlich auch mal passiert, klar… aber wenn ich es verhindern kann mit so einfachen Mitteln, finde ich das gut).
    Danke für deine Ehrlichkeit!

    1. Christine sagt:

      Religion, ja das scheint es tatsächlich zu treffen! Zumindest steckt die Messlatte mit diesem Anspruch sehr hoch und verleitet uns Mütter zum Perfektionismus. Was den Umgang mit uns selbst und schwierigen Sitautionen nicht gerade einfacher macht ;-) Und wenn wir mal ehrlich sind, machen solche „unpädagogischen“ Momente wirklich den kleinsten Teil unserer Erziehung aus. Nur sind es leider immer die negativen Maßnahmen, denen wir so viel Gewicht beilegen. Wir sollten uns auch mal wieder öfter vor Augen halten und dafür loben, was wir alles gut machen!

      Lieben Dank für deine Worte!

  2. Rika Büschlen sagt:

    Danke.
    Auch wir hatten heute so einen Vormittag. Alle Kinder am Handy oder vor dem Computer am Filmli schauen.
    Wir haben Ferien und es lief soviel in den letzten Tagen, dass ich schon gestern Abend beschlossen habe, diesen Morgen so zu „gestalten“. Am Mittag waren alle zufrieden und gelöst, inkl. Mama…
    Und heute Nachmittag waren wir dann im Wald. Und wir sind nur halbwegs entspannt nachhause gekommen. Vier verschiedene Kinder, vier verschiedene Meinungen… und dann noch ich.
    Danke für deinen Blog. Ich habe dich erst vor kurzem entdeckt und du sprichst mir aus dem Herzen. Ich finde es so toll, dass du meine Gedanken und Gefühle so gut in Worte fassen kannst. Ich kann das nämlich nicht.

    1. Christine sagt:

      „Ich finde es so toll, dass du meine Gedanken und Gefühle so gut in Worte fassen kannst. Ich kann das nämlich nicht.“ Gerade hast du es getan :)
      Lieben Dank für deine privaten Einblicke und deine lieben Worte zu meinem Mama-Blog. Es berührt mich sehr, dass dich meine Texte so ansprechen ♡

  3. Moni sagt:

    Ein Mega Beitrag. Endlich Ehrlichkeit. Jeder tut es keiner sagt es. Dabei ist es völlig in Ordnung solange der Ausgleich für die Kinder da ist. Wunderschöner Schreibstil übrigens. Daumen hoch.

    1. Christine sagt:

      Danke für die Blumen (naja es sind ja fast schon Blumensträuße ;-))
      Du hast es auf den Punkt gebracht: Der Ausgleich muss da sein! Dann wird hoffentlich auch Keiner ernsthaft Schaden davon nehmen.
      Freut mich, dass dir mein Schreibstil gefällt :)

  4. Pi_Ann sagt:

    Hallo liebe Christine, dein Artikel hat mir gerade so den Druck genommen dass ich aus tiefstem Herzen „ich hab euch lieb“ zu meinen Kindern sagen konnte. Danke für deine Ehrlichkeit 😊

    1. Christine sagt:

      Wow, toll, das freut mich wirklich, dass du das sagen konntest!! :)

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