Ich saß auf dem Beifahrersitz, die Hände in meinem Schoß jeweils zu Fäusten verkrampft, und ließ mich von meinem Mann durch die Dunkelheit jagen. 140 km/h zeigte der Tacho an, und doch brachte er mich keinen Zentimeter fort von Mini und Maxi, die auf der Rückbank irgendeinem Hörspiel auf ihrem Tablet lauschten und mir, im wahrsten Sinne des Wortes, im Nacken saßen. Aber genau das wollte ich: Weit weg von meinen Kindern sein, am liebsten gar keine Mutter mehr sein, keine Verantwortung, kein Aushalten, einfach nur Ich sein dürfen. Mein Mann hatte meinen Durchhänger schon bemerkt, denn er versuchte auffallend vehement, mich auf andere Gedanken zu bringen. Was genau passiert war, dass meine Stimmung so düster und depressiv war wie die Nachtschwärze, die uns umfing, möchtest du nun wissen?
Nun, eigentlich hatten wir nur die Kinder von meinen Schwiegereltern abgeholt.
Regelmäßig verbringen beide ein Wochenende bei Oma und Opa, während mein Mann und ich kinderfreie Zeit genießen dürfen. Nach dem Abendessen holen wir die Kinder dann wieder ab und fahren nach Hause.
Seit die Kinder größer und dem Baby- und Kleinkindalter entwachsen sind, ist das Abholen zu einem recht stressfreien Ritual geworden. Es wird sich nur noch selten auf den Boden geworfen oder lautstark protestiert, wenn es ans Schuhe anziehen geht, und überhaupt habe ich mich vor allem innerhalb des letzten Jahres sehr gut mit den Umständen, welche Hinbringen und Abholen mit sich bringen, arrangiert. Obendrauf sind meine Schwiegereltern sehr herzliche Menschen, mit denen man sich gerne umgibt. Sie sind -menschlich betrachtet- bei dem Ganzen der geringste Stressfaktor von allem!
Ich sage deshalb „menschlich betrachtet“, da ich mich mit dem ständigen Smalltalk, der beim Wegbringen und Abholen der Kinder nun mal anfällt, schwertue. Ganz nüchtern betrachtet wäre es mir am liebsten, wir würden die Kinder samstagvormittags bis vor die Haustür bringen und am Sonntagabend genau dort wieder abholen. Zack, Autotür auf, rumms, Autotür wieder zu, winken, Gas geben, tschüss.
Natürlich macht man das nicht. Man lässt die Kinder nicht die drei Stockwerke alleine mit ihrem Gepäck hochlaufen, man freut sich über den herzlichen Empfang und die warme Tasse Grünen Tee, plaudert über Neuigkeiten und bequatscht den Rest am kommenden Tag bei der nächsten Tasse Sencha. Aber ich persönlich bräuchte das nicht. Jedenfalls nicht so oft. Und zweimal im Monat ist schon oft für meine Verhältnisse. Vielleicht bin ich an der Stelle nicht typisch Frau genug, denn vor allem die Frauen freuen sich doch immer über einen kleinen Schnack am Rande, oder? Hände hoch, wer mir zustimmt! Na siehste!
Aber zurück zum besagten Abend.
Mein Mann und ich hatten ein langes Wochenende hinter uns: Viel Gartenarbeit, lange Autofahrten und das Haus für Weihnachten schmücken, hatten uns müde und anfällig für eine gewisse Dünnhäutigkeit gemacht. So hofften wir, dass die Kinder bereits zu Ende gegessen hatten und wir uns innerhalb von zehn Minuten wieder auf den Heimweg machen konnten.
Natürlich war dem nicht so.
Unsere Söhne schienen nicht mal ansatzweise satt zu sein und Mini drehte nun richtig auf, nachdem wir uns zu der trauten Runde an den Tisch gesetzt hatten. Mit drei-Wort-Sätzen Richtung Opa und dem Gequake eines Dreijährigen wurde mein inneres Gleichgewicht schon auf eine harte Probe gestellt. Saß mir da wirklich mein Siebenjähriger gegenüber? Bzw. saß er in der nächsten Sekunde schon nicht mehr, da er lieber hinter seinem Stuhl auf- und abmarschierte, um auf den nächsten, fertigen Toast aus der Küche zu warten, während meine Nerven immer dünner wurden.
„Was habt ihr denn schönes am Wochenende gemacht?“ fragte ich so interessiert wie möglich in die Runde. Ja verdammt, es fällt mir tatsächlich schwer, Interesse für die auswärtigen Abenteuer meiner Kinder zu zeigen. Wenn ich kinderfrei habe, bin ich froh, mein Ding machen zu können. Da muss ich am Ende keinen Bericht erhalten, was die Kinder in der Zwischenzeit gemacht haben. Mir reicht es zu wissen, dass sie Spaß hatten und gesund wieder ins Auto steigen. Aber, naja, ich frage halt trotzdem nach. Für meine Kinder, damit sie sich gesehen fühlen und für die jeweiligen Betreuungspersonen, damit sie wissen, dass ich ihr Engagement zu schätzen weiß. Denn das tue ich absolut!
Aber nun quakte es bei Mini und Maxi wie aus einem Mund: „Wollen wir nicht erzählen. Erzähl du mal, Opa!“ Während Opa neben mir herumdruckste und ihm schon klar zu sein schien, dass alle Anwesenden (inkl. ihm selbst) diesen spannenden Bericht nur aus Kindersicht hören wollten. Ich saß auf meinem Stuhl und rang mit mir, in der Hoffnung, dass mein entnervtes Stöhnen nur in meinem Inneren stattgefunden hatte und mein Augenrollen unbemerkt blieb. „Diese redefaulen Kinder“ schoss es mir durch den Kopf. Wann kommen sie endlich in ein Alter, in dem sie begeistert von sich aus von ihrem Tag berichten wollen und ein „Hab‘ ich vergessen“ nicht mehr angebracht ist?
Wann hören sie auf, hinter, auf und neben dem Stuhl herumzuturnen, mit vollem Mund und in weniger als drei-Wort-Sätzen zu sprechen sowie überdreht und albern zu werden, wenn sie müde sind?
Der Gipfel war für mich aber eindeutig erreicht, als beide dann doch noch begeistert von irgendeiner lustigen Spiel-App erzählten, über die ich nicht lachen konnte. Eine Figur hatte etwas total Witziges gesagt, was in meinen Ohren einfach nicht witzig war, und trotzdem lachte ich meinem Kind zuliebe mit, obwohl er es noch dreimal wiederholte und es bei jedem Mal nicht lustiger wurde.
Und in diesem Moment war es, als ob ich die gesamte Szene von etwas weiter weg beobachtete. Da saß ich, meine wertvolle Lebenszeit mit zwei Grundschülern beim Abendessen verbringend, die mal zu wenig und mal zu viel sprachen, die herumhampelten und ihre Kinderthemen einforderten, sodass selbst wir Erwachsenen uns untereinander über Kinderthemen austauschten. Zwei Grundschüler, die einfach ganz normale Kinder waren.
Und ich hörte laut und deutlich diese Stimme in mir: Wie bist du nur auf diese bescheuerte Idee gekommen, Kinder zu wollen?
Es war eine Ernüchterung, wie ich sie lange Zeit nicht mehr gespürt hatte. Ernüchterung, gepaart mit dem Gefühl, ins Bodenlose zu fallen.
Nein. Es gibt keinen Ausweg. Du kannst nur weitermachen. Einfach weitermachen. Aushalten und weitermachen. Bis sie irgendwann alt genug sind, dass du mit ihnen mehr anfangen kannst.
Das Gefühl, immer noch eine Gefangene meines einstmals herbeigesehnten Schicksals zu sein, auch nach über acht Jahren noch, legte sich wie ein schwerer Stein auf meine Brust. Es war nicht bloß eine Ernüchterung. Es war Abneigung. Tiefe Ablehnung gegen das Kindsein. Nicht gegen (meine) Kinder als Menschen, sondern gegen das Kindliche, was die Natur so mit sich bringt.
Ich bewundere Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen – für mich wären das Hardcore-Jobs! Genauso Mütter, die bereitwillig die Freunde ihrer Kinder zuhause betreuen: Absolut bemerkenswert!
Ich kann mit Kindern einfach nichts anfangen. Heute genauso wenig wie damals als Teenager, als ich selbst nie Kinder haben wollte. Bis ich im Laufe der Zeit auf die absurde Idee kam, mit eigenen Kindern wäre das alles anders. Als Mutter würde man automatisch auch gerne mit seinem Nachwuchs zusammen sein, zusammen spielen, zusammen alles aushalten.
Und ich stand auf einmal wieder am Abgrund. Dachte seit langem mal wieder an ein Internat für die Kinder, an den irrationalen Wunsch, von jetzt auf gleich wieder kinderlos sein zu wollen.
Jedem, der sich jetzt am Kopf kratzt und fragt, warum ich dann so unverantwortlich sein konnte, Kinder in die Welt zu setzen oder noch unverantwortlicher, sie nicht direkt an Pflegeeltern abzugeben, empfehle ich den Artikel „Ich mache mir Sorgen um deine Kinder“ und anschließend meinen heißdiskutierten Beitrag „Hättest du dir nicht vorher überlegen können, was es heißt, Kinder zu haben?“
Für alle Mütter, die noch nie an ein Vollzeit-Internat für ihre Kinder, geschweige denn ans Weglaufen gedacht haben, wenn der Stress überhandnahm, freue ich mich von Herzen. Bedeutet es doch, dass sie diesen Schmerz nicht fühlen müssen, der Mütter wie mich regelmäßig zu zerreißen droht.
Der innige Wunsch, den Kindern die geduldige und liebevolle Mutter zu sein, die sie verdient haben, ohne dabei an der vollen Dröhnung an Albernheit, Uneinsichtigkeit („Ich will aber keine Hände waschen nach dem Essen“) und anderweitigen, kindlichen Verhaltensweisen (Schmatzen, Dazwischenquatschen, Popel am Autositz abschmieren) zu zerbrechen.
Wann kommt endlich der Tag, an dem Mütter sich trauen dürfen, zuzugeben, dass ihre Kinder sie oft langweilen, stressen oder sogar ihr Leben einschränken? Wann dürfen sie öffentlich aussprechen, dass sie mit (ihren) Kindern nichts anfangen können, ohne Angst haben zu müssen, beschimpft zu werden oder gleich Besuch vom Jugendamt zu bekommen?
„Welchen Teil von Harry Potter gucken wir denn nun heute Abend?“ Mein Mann ließ nicht ab, zog mich gedanklich immer wieder zu anderen Themen hin, versuchte mich abzulenken und aus meiner Depression herauszuziehen. Aus Erfahrung weiß ich, dass auch wieder andere Zeiten kommen. Wo ich mich an meinen Kindern erfreuen kann und es nicht am Wert ihres angebissenen Brotes in Nashorn-Form messe, wie sehr ich mich ihnen verbunden fühle.
Sicherlich hat das auch wieder viel mit meiner eigenen Kindheit zu tun. Wo durfte ich bei meiner Mutter nicht Kind sein? Was konnte sie bei mir nicht aushalten, weswegen ich es heute wiederum an (meinen) Kindern ablehne? In meiner Erinnerung hatte ich keine unbeschwerte, fröhliche Kindheit, kein Elternhaus, wo ich mich sicher und geborgen fühlte. Ich musste schon früh erwachsen werden, ohne vorgelebt zu bekommen, wie man Verantwortung übernimmt.
Dass so eine Vergangenheit nicht die ideale Ausgangssituation für ein Leben als fürsorgliche Mutter darstellt, wurde mir natürlich erst bewusst, als die Kinder da waren. Gleichzeitig begann ich zu verstehen, dass man vom Leben immer wieder neu die Chance bekommt, die Zukunft besser zu gestalten.
Ich für meinen Teil behaupte, viel an mir zu arbeiten: Vergangenes aufzuarbeiten, eigene Verhaltensweisen zu reflektieren und zu überdenken sowie einen milden Blick, sowohl auf meine Kinder, als auch auf mich selbst zu richten, schwingt in meinem Alltag immer mit – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg.
Ich habe auch schon oft darüber nachgedacht, ob es zwingend ein wichtiges Ziel in meinem Leben sein muss, unbefangen mit Kindern umgehen, mit ihnen „etwas anfangen“ zu können.
Im Moment kann ich mit Kindern nichts anfangen, mich nur schwer in sie hineinversetzen. Ich könnte auch sagen, ich schwimme mit ihnen nicht auf einer Wellenlänge, bin lieber in Gesellschaft Erwachsener. Bei wie vielen Menschen ist es genau umgekehrt und keiner prangert diesen Zustand an!? Aber wer weiß, was das Leben noch für mich bereithält. Wenn ich heute akzeptieren kann, dass Kinder mir ein unlösbares Rätsel sind, findet sich übermorgen vielleicht ein passendes Puzzleteil, mit dem ich einen Zugang zu ihnen finde, und letztlich auch weiter zu mir selbst.
Und falls nicht, werde ich auch das annehmen. Wir müssen uns bewusst machen, dass es manchmal auch ausreicht, seine Grenzen zu kennen und sie nicht zu übergehen. Dann kann ich beim nächsten Mal Kinderabholen hoffentlich entspannter am Tisch sitzen, weil ich weiß, dass ich nicht krampfhaft gegen etwas in mir ankämpfen muss. Wo Akzeptanz ist, braucht es keinen Widerstand.
Fotos mit freundlicher Unterstützung von Nathan Dumlao, Markus Spiske, J.W., Artur Aldykharnov
Birgit sagt:
Hallo Christine,
toller Text! Auch ich fühle mich oft nicht als „normale“ Frau und Mutter. Ich bin als Frau eher sehr „männlich“ und verstehe mich auch mit Männern viel besser als mit Frauen, deshalb habe ich auch keine „Freundin“ sondern nur männliche Freunde. Ziehe mich gern zurück und bin oft redefaul aber das ist OK, denn manche Frauen sind einfach so. Auch ich finde meine Kinder sehr oft nervig, langweilig und nicht sehr inspirierend und wenn sie jede zweite Woche lang beim Papa sind und ich kinderfreie Bude habe, dann blühe ich richtig auf denn ich darf mich nur mit mir selbst beschäftigen – eine ganze Woche lang :-))) So ein Luxus!!! Und meine Kinder vermisse ich da NULL KOMMA NULL….
Auch finde ich meine Kinder oft nicht sehr intelligent sondern eher einfältig und faul. In der Schule sind sie nicht die Überflieger, aber müssen sie auch nicht sein. Sie sind einfach so wie sie sind, mittelmässig und trotzdem liebe ich sie. Jeder meiner Kinder ist ein Unikat mit Stärken und Schwächen. Deshalb darf ich auch ganz ehrlich ihre Schwächen sehen und mich auch manchmal davon genervt fühlen. Genauso ehrlich sehe ich ja auch ihre Stärken. Deshalb bin ich keine schlechte Mutter, im Gegenteil. Ich sehe sie so, wie sie tatsächlich sind. Das hilft Ihnen auch, sie selbst realistisch einzuschätzen.
Ich finde, Du solltest ehrlicher zu Dir selbst sein. Wenn Du Deine Kinder blöd und nervend findest, dann akzeptiere das einfach so als Tatsache. Wenn Du keine Lust auf Smalltalk mit den Schwiegereltern hast, dann sag das einfach so deinem Mann und ihr versucht, die Abhol-/Bringzeit abzukürzen. Wenn Du keine Lust hast, zu erfahren, was Deine Kinder erlebt haben, dann steh auch dazu und sage ganz ehrlich zu allen Beteiligten: „Schön wenn es Euch gefallen hat, aber ich bin müde und kann jetzt nicht zuhören.“ Keiner wird Dir dafür den Kopf abreissen. Im Gegenteil: wahrscheinlich werden die Grosseltern erleichtert sein, dass sie nicht Rechenschaft darüber ablegen müssen. dass sie sich in Deiner Abwesenheit gut um die Kinder gekümmert haben…..
L. sagt:
Liebe Christine,
bei deinen Artikeln muss ich häufig schmunzeln. Keine Sorge, ich weiß wie belastend die Situationen für dich sind, denn ich fühle nahezu genauso!
Auch ich habe 2 Jungs, 4 und 7, und in jeder von dir beschriebenen Verhaltensweise erkenne ich meine Kinder (und mich) wieder. Wie anders habe ich mir das Muttersein vorgestellt damals…. Auch ich bin Hochsensibel und Synästhetiker, brauchte immer schon viel Zeit für meine innere Welt. Viel Schlaf. Die 1. Geburt war traumatisch, mein Sohn lange ein Schreikind und bis heute noch nervös, aufgedreht und immer in Bewegung, was mich absolut in den Wahnsinn treibt! Der Bruder ist leider auch eher „lebhaft“ und willensstark, beide zusammen sind ein endloses Disskutieren, Schlichten, Lärm und Endlospower ohne Pause; und das den GANZEN Tag….. Wie würde ich mir manchmal 2 ruhige, soziale, sich stundenlang selbstbeschäftigende Mädchen wünschen; Wie beneide ich die Mädchenmamas, deren „Prinzessinnen“ (vorsicht, Klischee), leise brav neben ihnen aus der Kita gehen, während meine Kinder nur im Modus „rennend“ / „schreiend“ alias Vollgas existieren. WIe lange habe ich gehadert. Keine Unterstützung, mein Mann ständig nur auf der Arbeit, eine chronische Erkrankung. Alles bis zum Zusammenbruch in der Klinik. Aber ich habe gekämpft und mich heute arrangiert, fühle Dankbarkeit. Schwer ist es trotzdem, vor allem, da das Verständnis von Außen fehlt. Meine Schwiegereltern nehmen nur ein Kind zur Betreuung, wenn überhaupt, denn beide sind ihnen zu anstrengend. Ach was. Dass man das alleine tagtäglich durchhalten muss, das interessiert keinen. ( O-Ton meiner Schwiegermutter „da muss sie durch!“)
Anders als du konnte ich meine Kinder nicht früh fremdbetreuen lassen, da dies mein Mutterinstikt nicht mitgemacht hat. Ich weiß, sie waren nicht bereit, hätten gelitten. Also habe ich mich zusammengerissen, aber es waren harte Jahre….
Ja, vieles wird einfacher. Vieles aber auch nicht. Und, wie du, frage ich mich: Hört das irgendwann mal auf? Das Ermahnen, Erinnern, das Chaos, das Gebrüll? Das Gezanke und der Widerwille? Die ewige Spirale aus immer den selben, hirnzermürbenden Kinderbüchern, welche für mich nur geistiger Dünnschiss sind? Die infantilen Witze? „Mamaaa Hungerrrr“, nachdem man sich gerade hingesetzt hat?
Ich reiße mich zusammen, meinen Kindern zuliebe, denn ich liebe sie über alles, und sie haben eine schöne Kindheit verdient, eine Mutter, die auf ihre Interessen eingeht. Aber sitze ich gerne auf dem Boden und spiele eintönig „brumm, brumm, Tiefgarage“ und imitiere dabei Spielzeugautos? Nein. Mache ich nicht. Ich hasse es!
Immerhin kam heute der urplötzliche Kommentar meines 7jährigen (als er mich schnaufend die Treppe wischen sah): „Arme Mami, immer musst du nur putzen!“
In dem Sinne: Immer schön durchhalten, irgendwann, so in 15 Jahren sind sie (hoffentlich) aus dem Haus ;)
Birgit sagt:
Und wenn ich dann richtig total entspannt und ausgeglichen bin dann gelingt es mir sogar, meine Kinder zu geniessen. Mit ihnen herumzublödeln und ernste und tiefe Gespräche zu führen über Gott, den Tod, Freundschaft, Liebe, Gesellschaft etc. Es ist erstaunlich, welche Gedanken sich meine Kinder bereits machen, wenn man sie danach fragt…. Aber das kann ich nur sehen, wenn ich mich komplett öffne und die Widerstandshaltung gegen sie und die Mutterrolle aufgebe. Oder wir machen etwas gemeinsam wie kochen/backen und für mich fühlt es sich erstaunlich entspannt an, so als ob ich mit meinem Partner kochen, backen würde. Nur dass es jetzt meine Söhne sind – erstaunlich und ich geniesse ihre Anwesenheit. Aber das ist wohl, weil sie jetzt älter sind (12 und 8) und ich merke, es macht immer mehr Spass mit ihnen Zeit zu verbringen, wir albern herum und lachen uns halbtot. Christine, ich denke, wenn Deine Kinder noch ein Stück älter sind, dann wirst Du auch immer mehr ihre Anwesenheit geniessen. Ich kann mit Babies, Kleinkindern und Kinder unter 9 Jahren nicht viel anfangen, danach fangen sie an, „Menschen“ zu werden, mit denen man gern Zeit verbringt. So sehe ich es….
Sabine sagt:
Hallo!
Wow, ein ganzen Wochenende, geschweige denn eine Woche ohne Kinder, dazu noch regelmäßig. Ich glaub dann hätte ich keine Probleme mehr.. Wir sind sei 2. November zu Hause, mit zwei kurzen Unterbrechungen. Quarantäne, Lockdown wegen Hotspot Kreis Hildburghausen, und jetzt der bundesweite harte Lockdown. Alle drei Kinder, 5, 2,5 und 1 Jahr rund um die Uhr. Meine Schwiegermutter geht arbeiten und nimmt nur ab und zu mal die Große, ansonsten ihre Aussage: das ist eben so wenn man Kinder hat. – Und meine 2 Mädchen sind nicht pflegeleichter als Jungs – sie entsprechen keinem Klischee. Meine große ist immer wild und zappelig, würde am liebsten den ganzen Tag toben und klettern anstatt spielen und malen.
Schwer zu ermöglichen wenn man ständig kochen, putzen und waschen muss- alleine.
Noch ein Gedanke zu den Ursachen warum manche Mütter all das, was von euch schon treffend beschrieben wurde, eben so empfinden (meine Schwägerin und ich auch):
Liegt es immer an der Kindheit? Oder manchmal auch nur ganz simpel an einem ähnlichen Charakter? Jedenfalls stelle ich fest, dass man in bestimmten Dingen gleich denken und fühlen kann mit Menschen, mit denen man sonst nichts gemeinsam hat, auch kein ähnliches Elternhaus. Gutes Durchhalten weiterhin, viel Kraft und gute Nerven und trotz allem schöne Weihnachten! LG Sabine
Birgit sagt:
Hallo Sabine,
ja das mit der kinderfreien (jeden zweiten!!!) Woche habe ich gefickt eingeschädelt, nee :-) denn da darf der Papa sich die Nerven zermatschen lassen; nunmal sind 50% seiner Gene auch in den Kindern enthalten deshalb sollte er auch 50% an der Erziehung beteiligt sein. Wo steht geschrieben dass immer die Mutter sich immer um die Kinder kümmen sollen? Und die Trennung von ihm war das Beste, was ich jemals in meinem Leben getan habe. Ich Nachhinein würde ich aber im nächsten Leben komplett auf Kinder verzichten…..In unserer Gesellschaft sind Eltern einfach DVD („Deppen vom Dienst“). Wieso aktivierst Du nicht mehr den Vater Deiner Brut??
Julia sagt:
Liebe Birgit,
Danke für deine ehrliche Antwort. Ich erkenne sehr viel von mir wieder. Mir geht es genauso wie euch zu diesem Thema, aber dazu werd ich später schreiben. Ich hoffe und klammere mich auch daran fest, dass es mit den Jahren einfacher bzw das Mutter sein erträglicher für mich wird. Denn es ist ja jetzt schon etwas leichter geworden, gerade ist sie 4 Jahre u knapp 3 Monate. Aber weitere knapp 14 Jahre sind halt doch noch sehr lang …..
Ich bin vom Typ her dir sehr ähnlich und es tut gut zu lesen, dass es auch noch andere wie mich gibt ;)
Dass du alle 2 Wochen allein bist, vergönne ich dir sehr. Habt ihr euch auseinander gelebt? War die Trennung / Scheidung auf beiderseitigen Einverständnis? Wie war das für die Kinder?
Recht glücklich bin ich in meiner Ehe gerade auch nicht, corona hat es noch verstärkt; kein sozialer Ausgleich, immer zusammen im Haus…. ich hab manchmal das Gefühl zu ersticken. Da hab ich oft die Leute ohne Kinder beneidet, so schlimm es auch klingt. Aber ich darf mich nicht beschweren, ich hatte keine schulpflichtigen Kinder im Lockdown.
Freu mich von dir zu lesen,
Lg Julia
Birgit sagt:
Liebe Julia,
ja, hier immer noch im Lockdown aber wenn es wochenweise gerecht auf Vater und Mutter aufgeteilt wird, dann ist es erträglicher als wenn man als Mutter alles alleine stemmen muss.
Zu Deiner Frage bzgl. meiner Beziehung zum Kindsvater. Er war meine allererste fester Beziehung und im Nachhinein (7 Jahre ist die Trennung her) muss ich leider sagen, dass ich gar nicht mehr verstehe, was uns eigentlich angezogen hat. Wir sind vom Typ her grundverschieden und hatten auch eine komplett gegensätzliche Sozialisation als Kinder. Ich denke, uns haben Kindheitstraumen gegenseitig angezogen, die wir noch aneinander aufarbeiten mussten und als diese Arbeit getan war, dann wars das dann auch mit der Anziehung. Ich fand es schrecklich, mit ihm eine Familie zu haben, eigentlich schon als wir mit dem ersten Sohn vom KH zurückkamen, aber im Grunde kann ich „Familienleben“ sowieso nicht soviel abgewinnen weil man da ständig die Kinder um sich hat, was mich tierisch nervt; ich bin eigentlich sehr oft und gerne allein; keine Ahnung, wieso ich unbedingt Kinder wollte. Die Lösung jetzt mit nur alle zwei Wochen Kinder haben ist für mich optimal wenn nicht sogar lebensrettend….
Ausserdem habe ich gerne mein Reich für mich und wohne ungern mit einem Mann zusammen. Das habe ich auch erst herausgefunden, als es schon zu spät war. Aber jetzt habe ich dieses „Reich“ ja wieder (lach). Ein neuer Partner hat sich auch gefunden und wir sehen uns jedes Wochenende; er kommt mich meist besuchen; er wohnt nicht bei mir, was ich auch so viel besser finde. Mir gehts jetzt um Längen besser, als ich noch mit dem Vater meiner Kinder zusammen war und ständig „FAmilie“ um mich herum war, schrecklich! Das gemeinsame Haus mit riesigem Garten habe ich jetzt behalten und wohne darin und kann es renovieren wie es MIR gefällt! Ich habe ihn kürzlich erst ausbezahlt und er kann keine Ansprüche mehr daran stellen. Das Gärtnern ist auch so ein Hobby von mir und manchmal fliehe ich einfach in den Garten wenn es im Haus zu turbulent wird und die Kinder mich nerven… habe sogar schon mal davon geträumt, so ein tiny house am anderen Ende des Gartens hinzustellen und die Kinder dürfen im Haus toben wie sie wollen….und ich habe meine Ruhe im Tiny House :-)
Jedes jahr werden die Kinder jetzt grösser und selbständiger und für mich bleibt mehr und mehr freie Zeit übrig. Ich bin überhaupt nicht so eine Mutterglucke, die traurig ist, wenn die Kinder sich abnabeln. Ich werde mich sogar freuen und stolz sein, wenn sie dann ausziehen und ihre eigenen Wege gehen. Meinen Segen haben sie dann.
Warum würdest Du Dich trennen wollen? Auch um mehr Ruhe zu haben?
Herzliche Grüße und lass Dich nicht unterkriegen ;-)
Birgit sagt:
Liebe Julia,
wie war die Trennung für die Kinder?
Im ersten Moment natürlich ein Schock und sie haben schon gelitten, aber wir haben ihnen immer wieder gesagt, dass es nicht ihre Schuld ist und dass sie beide Elternteile behalten werden, da wir uns gemeinsam weiterhin um sie kümmern werden. Mit der Zeit haben sie sich an den Wechsel Papa – Mama – Papa – Mama gewöhnt; nur der Kleine beschwert sich hin und wieder dass er doch lieber hätte, wenn Mama und Papa wieder zusammen wohnen. Ich sage ihm dann aber: „Ja weisst Du, dann würden Papa und Mama wieder anfangen miteinander zu streiten und zu schimpfen und ich denke, darauf hast Du keine Lust, oder?“ Der Grosse hat die Trennung total akzeptiert und geniesst es, dass er zwei KInderzimmer hat und bei der Mama gibts diese tollen Sachen und darf er dies und jenes und beim Papa gibts diese tollen SAchen und er darf dieses oder anderes nicht. Also immer Abwechslung. Auch gibt es jeweils unterschiedliche Urlaube jeweils mit Papa und Mama und Robert (mein neuer Partner) was die Kinder auch toll finden….Zur Zeit natürlich nicht, aber ich werde diesen Sommer in Deutschland Fahrradtouren mit Zelt und Kocher mit den Kindern machen und wild campen und das geht trotz Lockdown weil man nur geöffnete Supermärkte braucht, keine Hotels etc. Einfach abends einen Bauern fragen, ob man sein Zelt aufschlagen darf und die meisten Leute sind total nett und lassen eine Familie auf ihrem Grund zelten…..dieser Corona Mist geht mir sowieso so langsam auf die Nerven….
Nova sagt:
Liebe Christine,
auch nach vielen Jahren hat sich an meiner Situation nichts geändert. Ich habe ziemlich exakt die gleichen Gefühle und Gedanken wie du in diesem Artikel. Meine Tochter M. Ist jetzt 6 Jahre und Grundschülerin. Sie zuhause neben meinem Studium zu homeschoolen verlangt mir mehr ab, als ich eigentlich zu leisten in der Lage bin.
Und ich sehe mich selbst in der Situation und frage mich wie du: Wie konntest du nur so bescheuert sein, ein Kind zu wollen?
Deine Nova ❤️