Stell dir bitte einmal folgende Szene vor: Ein befreundetes Pärchen erwartet sein erstes Kind. Endlich ist der Tag der Geburt gekommen und die freudige Nachricht macht ihre Runde. Aber du erfährst das Geschlecht nicht. Das Kind erhält von den Eltern einen geschlechtsneutralen Namen (ähnlich wie „Dickie“ bei Loriot) und niemals erfährt irgendwer (außer denen, die es mal nackt zu Gesicht bekommen), ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelt, nur damit der neue Erdenbürger die Chance bekommt, möglichst wertfrei und offen die Welt zu erkunden. Wie fändest du diese Vorstellung?
In meinem Beitrag heute geht es um die geschlechtsneutrale Erziehung, kurz „Gender Mainstreaming“. Daran kommt man gerade nicht vorbei. In Mama Blogs, Kindergärten, in der Politik und an allen Orten, wo man sonst keine Probleme hat (sprich: überall) wird darüber diskutiert, ob Jungen lange Haare tragen und Mädchen mit Papas Mamas Werkzeugkasten spielen dürfen. Eine berechtigte Diskussion zum Fortschritt der Menschheit oder doch nur ein sinnloser Austausch verzweifelter Männer und Frauen?
Pardon, vielleicht gehe ich hier auch schon zu weit. „Männer“ und „Frauen“ ist in der Tat schon ein festgelegter Begriff, der die Betroffenen stark einschränkt und mit Vorurteilen behaftet ist. Männer interessieren sich für laute Maschinen, verdienen mehr Geld, besetzen deutlich mehr Führungspositionen im Job, gucken Bundesliga und trinken viel Bier. Frauen möchten gerne Prinzessinnen sein, träumen vom eigenen Pferd (und dem passenden Ritter darauf), stehen hinter dem Herd und basteln Laternen zum Martinszug.
Damit so was in Zukunft unterbunden wird, läuft in Schweden jetzt ein Modell zur Kindererziehung, das sich „Egalia“ nennt. Dabei wird in Grundschulen das „Er“ und „Sie“ zum „Es“ umbenannt. Soll heißen: Alle sind gleich und haben die gleichen Chancen. Frei nach dem Motto „Sei was du willst!“ Mädchen und Jungs sollen so gleichermaßen alle Möglichkeiten nutzen können, die unsere Welt bereithält.
Die Grundidee klingt erstmal verlockend. Das sehen sicher nicht nur die Schweden so. Auch viele deutsche Mama Blogs beschäftigen sich mit dem Thema. Warum spielt etwa in Bekleidungsläden immer noch das Geschlecht die Hauptrolle? Das fragte sich beispielsweise Bloggerin „Das Nuf“ und antwortete der Verkäuferin auf die Frage „Für Junge oder Mädchen?“ „Für ein Kind“. Sicher, es gibt auch Jungs, die rosa Paillettenpullis mögen und Mädchen, die Pink hassen. Warum sollte man aufgrund dessen die Kleidungsstücke nicht einfach nur nach Größe sortieren? Ebenso ergibt sich die Frage nach typischen Männer- und Frauenberufen. Natürlich ist die Idee gut, Mädchen die Chance zu geben, eine Ausbildung zur Mechatronikerin zu machen. Oder Jungs nicht dafür auszulachen, wenn sie Primabellerina (nur der Form halber: heißt es dann Primaballerino?) werden möchten.
Ich möchte dennoch einen kleinen, wenn auch vielleicht manchmal leicht übersehbaren, Denkanstoß geben: Jungen haben einen Penis und Mädchen eine Scheide. Ja, ich weiß, das kommt jetzt überraschend. Was ich aber damit sagen will ist Folgendes: Soviel man nach gesunder Gleichberechtigung strebt, irgendwann sind dem auch natürliche Grenzen gesetzt. Ein Mann ist nun mal stärker und kräftiger gebaut. Kann aus der genetischen Veranlagung heraus schneller Holz hacken, den übergroßen Weihnachtsbaum in den Keller (und wieder hinauf) tragen und manchmal vielleicht besser räumlich denken (Stichwort Einparken).
Dafür sind wir Frauen in der Regel etwas „weicher“, sensibler und für den Nestbau geschaffen. In wie weit wollen wir unser Geschlecht, also das „Er“ und „Sie“ leugnen, nur um scheinbar alles erreichen zu können was wir anstreben? Ist das wirklich nötig? Was passiert, wenn Männer irgendwann die Kinder austragen wollen? Wird an der klinischen Möglichkeit sogar schon geforscht? Liegt wirklich in uns Frauen der tiefe Wunsch, auf die Jagd zu gehen und fortan unsere Männer zu beschützen?
Kommen wir zurück zur Anfangssituation und dem Pärchen, das Niemandem verrät, welches Geschlecht ihr Kind hat. Also für mich hätte das etwas Nicht-Greifbares. Ich wüsste nicht woran ich bin und das Kind sicher noch weniger. Was ist so schlimm daran, einem Jungen zuzugestehen, dass er ein männliches Wesen ist und vielleicht sogar –Gott bewahre!- männliche Vorlieben hat? Können wir es ertragen, wenn unsere Tochter auch weiterhin gerne mit Hello Kitty und ihren Freundinnen in der Puppenecke spielt? Oder soll unsere Gesellschaft völlig geschlechtsneutral aufwachsen ohne das „typisch Männliche“ und das „typisch Weibliche“? Sollten wir vorsichtshalber vorurteilsbehaftete Farben wie Blau und Rosa komplett abschaffen? Legosteine nur noch in Grün und Gelb herstellen?
Ich finde, in Allem funktioniert nur das gesunde Mittelmaß. Chancen und Möglichkeiten für Alle sind gut, sofern nicht übertrieben wird mit dem Gender-Getue. Muss sich unsere Gesellschaft wirklich darum bemühen, weibliche Ampelmännchen einzuführen, damit auch jede Frau mit einem Lächeln auf den Lippen über die Straße gehen kann? Muss ich mich im Kindergarten bald dafür rechtfertigen, dass ich meinen Jungs gerne blaue Klamotten kaufe und ihnen keine langen Haare wachsen lasse?
Dass in Deutschland beide Geschlechter wählen dürfen und eine Frau nicht weniger wert ist als ein Mann (oder eine Kuh), ist doch auch schon mal was und nicht in allen Kulturen selbstverständlich. Mein Vorschlag: Gehen wir doch mit einer größeren Portion Gelassenheit an die ganze Sache. Und warten einfach mal ab, was unsere Kinder dazu sagen. Ob „Er“ oder „Sie“. Ob Blau oder Rosa.
Katja sagt:
Vielen, vielen Dank – du sprichst mir aus der Seele. Ich habe darüber auch schon gebloggt, mir geht dieses Gegendere nämlich auch tierisch auf die Eierstöcke… Ich sehe das alles ganz genauso wie du! Und zum Lachen hast du mich auch noch gebracht :D
Liebste Grüße! Und einen wunderschönen Blog hast du da!
Katja
Christine sagt:
Liebe Katja,
freut mich, wenn ich deinen (wie ich deinem Kommentar entnehmen kann) ziemlich weiblichen Nerv getroffen habe :)
Und vielen Dank für dein Kompliment zu meinem Blog!
Sei lieb gegrüßt
Christine
Kristina sagt:
Puh schwieriges Thema. Deshalb mal ein längerer Kommentar ;)
Ich glaube irgendwie wurde über dieses Thema immer schon diskutiert. Ob es jetzt wirklich um das Geschlecht, Emanzipation oder sonst etwas ging. Thema war es indirekt ständig.
Ich glaube für ein Kind, was man wirklich komplett neutral aufwachsen lässt, ist es einfach unglaublich schwer. Für die Gesellschaft wäre es eher ein Aussenseiter. Es ist einfach anders. Wie behandelt man so ein neutrales Wesen? Spätestens in der Pubertät kann man das Ganze doch schon vergessen. Und wenn nicht, wie entwickelt sich das? Ich glaube solch ein Kind würde nie einen festen Platz finden und nie wirklich heraus finden wer es ist. Irgendwann hat diese Methode Grenzen.
Die Abgrenzung zwischen Mädchen und Jungen ist bei Produkten aber extremer geworden. So kommt es mir zumindest vor. Früher gab es zum Beispiel kaum Lego was speziell für Mädchen war. Das waren nur ganz wenige Sachen. Heute muss man ja für Jungs und Mädchen fast komplett andere Steine kaufen. Es gab doch auch viel mehr neutrales Spielzeug oder? Es gibt sogar Gesellschaftsspiele mit Hello Kitty oder Cars. Soetwas finde ich unnötig. Aber damit lässt sich wohl mehr Geld machen.
Wir sind nunmal Männer oder Frauen und haben damit auch unterschiedliche biologische Aufgaben. Die Kommerzialisierung der Geschlechter ist Unsinn, aber in der Erziehung darf es durchaus eine gewisse Rolle spielen. Viel wichtiger ist es aber doch Kindern beizubringen, dass sie alles machen können was sie möchten. Egal was andere dazu sagen. Wenn man das wirklich umsetzten kann, ist die Frage nach dem Geschlecht gar nicht mehr so wichtig.
Christine sagt:
Huhu :)
Freue mich über deinen langen Kommentar! Jetzt wo du es sagst, fallen mir auch die Ü-Eier speziell für Mädchen und Jungen ein. Früher hat man sich einfach „nur“ über das Spielzeug gefreut, egal was es war. Ob die Schokolade inzwischen auch speziell gemischt wird? Für Jungs mit Waldmeistergeschmack und Himbeerschokolade für die Girlies? ;) Aber du hast Recht, heute wird doch aus Allem Profit geschlagen, nun eben verstärkt mit dem Geschlecht.
Liebe Grüße!
Kristina sagt:
Oh Gott die Ü-Eier! Die hatte ich ja schon total verdrängt :D Die sind mit das größte Unding, was rausgebracht wurde. Wo ist das Problem mal ein Auto als Mädchen zu haben? Oder eine Fee als Junge? Stempel, Figuren, Kreisel,…wir haben doch mit allem gespielt oder?
Also wenn die jetzt auch noch die Schoki ändern…..nenene…aber lustig wärs schon ;)
Ist dir übrigens aufgefallen, dass sich an dem „für Jungs“ eigentlich nichts geändert hat? Es gibt nur spezielle rosane für Mädchen…mit Blümchen! ;) Bestimmt auch son Emazipationsding…
Christine sagt:
Nee, ist mir noch nicht aufgefallen, dass sich die Ü-Eier für Jungs nicht geändert haben. Liegt vermutlich daran, dass ich nur die Mädchen-Eier kaufen darf ;-)
Herzmutter sagt:
Ja das eine (extreme Trennung rosa / blau) ist so übertrieben wie das andere (neutrale Erziehung). Gerade in den ersten drei Jahren ist es für Kinder wichtig, die Geschlechterrollen überspitzt auszuleben, um eben die Identität zu finden. Das krasse rosa Glitzergeblubber und das Dinosaurier Autogeschrei wird dann irgendwann wieder weniger… warum den Kindern etwas wegnehmen was sie selbst haben möchten? Immer mal wieder anderes anbieten ist nicht verkehrt aber was macht denn so eine Erziehung mit einem Kind…? Vermutlich genau das Gegenteil des Gewünschten ;)
Liebe Grüße, Janina
Christine sagt:
Liebe Janina,
da ist was dran! Ich denke auch, dass sich jedes Kind erst einmal selbst finden muss, um dann irgendwann einen normalen, nicht überspitzten Zugang zu Farben/Dingen/Spielzeugen zu bekommen. Und je mehr Wirbel wir Erwachsenen um das Ganze machen, desto schlimmer wird es.
Lieben Gruß
Rosalie sagt:
An sich ein guter Kommentar. Meine einzige wirkliche Kritik wäre, dass dieses Phänomen der Geschlechtslosigkeit, genauso wie das Gegenstück, die extreme Ausprägung und Überzeichnung von Geschlechterstereotypen, mich durchaus nerven, weil sie den ganz grundlegenden Kern des Menschen treffen.
Am Thema Kleidung lässt sich das super festmachen: Noch vor 100 Jahren wurden Jungs rosa und Mädchen blau angezogen. Ob ein Junge heute rosa oder blau trägt ist zum Glück oftmals eher egal. Aber es ist schon so, dass es immer weniger Kinderkleidung in allen möglichen Farben gibt. Ich bin stets auf der Suche nach rot, grün, orange oder gelb. So echte leuchtende Farben. Zu meiner Zeit hieß das noch ‚bunt‘. Und die eigentliche Diskussion, ob eine 3jährige nun Prinzessin Lillyfee-Shirts in rosa trägt geht doch am Kern der Sache vorbei. Vielmehr sollte man diskutieren, ob ein kleines Kind wirklich schon Pullis mit Glitzer und Hüftjeans braucht. DA liegt doch das Problem.
Was mich aber wirklich total stört, sind Eltern – nicht Kinder – die 2jährigen Mädchen Bikinis anziehen. Da ist es egal, ob das Hello Kitty ist. In dem Alter sollten die Kinder sinniger Weise Schwimmwindeln tragen, oder Badehosen, denn sie haben keine Brüste, die sie selbst aus Scham bedecken wollen würden.
Nun, solange das gekauft wird, wird es auch produziert, vorwiegend von 12jährigen in Bangladesch in 16 Stunden Schichten zusammen genäht. Das halte ich für sehr viel wahnsinniger, als die Diskusion über geschlechtsneutrale Pronomen.
Worum es doch geht ist, dass wir Erwachsenen um alles in der Welt nicht in der Lage scheinen, einem Kind von Geburt an den gebotenen Respekt vor seiner Person und Persönlichkeit entgegen zu bringen. Ein Mensch ist in 99,9% der Fälle entweder männlich oder weiblich. Das ist eine Tatsache und muss auch nicht versteckt werden. Die Persönlichkeit jedoch ist nicht einfach mit diesen Adjektiven zu beschreiben. Wir machen das nur. Warum auch immer. Das ist nicht besonders fair von uns Erwachsenen. Und die Kinder lernen dieses Verhalten von uns und machen es später genauso.
Nicht um sonst hat der berühmte Artikel von Nils Picket, der für seinen Sohn einen Rock trug, solch hohe Wellen geschlagen. Jeder hat sich in ein Lager der Supertoleranten oder Genderkritiker geschlagen. Dabei hat der Mann nur im richtigen Moment das Richtige für seinen Sohn getan ohne nachzufragen, was andere davon halten. Es ging ihm um ein Kind, das verstehen sollte, dass es perfekt ist, so wie es ist. Das ist echter Respekt. Den anderen so annehmen, wie er ist.
Beim eigenen Kind scheint mir das zwar einfacher, aber so viele Menschen – mich inklusive – tun sich genau damit schwer und verbringen den ganzen Tag damit ihre Kinder nach den Wünschen der Eltern zu formen. Das ist schon heftig, wenn man mal darüber nachdenkt.
Christine sagt:
Liebe Rosalie,
ich gebe dir völlig Recht; Respekt ist das A und O, egal wie alt Jemand ist. Das ist wohl die Grundlage von Allem. Und über das Problem der Sexualisierung in jungen Jahren zu sprechen, ist in der Gesellschaft sicherlich nochmal wichtiger, als sich darüber zu streiten, ob blau oder rosa angemessen ist.
Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar!
Gassenreh sagt:
Ein wenig ungesund für Frauen, Mütter und Kinder scheint Gender Mainstreaming schon zu sein. Zum Beispiel das Negieren bedeutsamer und dem Mann überlegener weiblicher Eigenschaften mit der Folge, dass häufig der Body nur noch wichtig wird. Vergessen der für Sprach- und Kognitiventwicklung wichtigen frühkindlichen Mutterbindung infolge des frühen flüssigkeitsgekoppelten Hörens des Foeten im Mutterleib (Muttersprache nicht Vatersprache!). Probleme durch Cortisolausschüttung (gefährliches Stresshormon) und Schlafmangel mit entsprechendem Wachstumshormonmangel von Krippenkindern mit Hippocampusminderung (Lernmaschine des Gehirns).
Erschreckende Zunahme von Depressionen auch bei Kindern und Jugendlichen.
[siehe „Kinder – Die Gefährdung ihrer normalen (Gehirn-) Entwicklung durch Gender Mainstreaming“ in: „Vergewaltigung der menschlichen Identität. Über die Irrtümer der Gender-Ideologie, 4. erweiterte Auflage, Verlag Logos Editions, Ansbach, 2014: ISBN 978-3-9814303-9-4]